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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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Spanien und Cuba.

Von der Havanna kamen uns in neuester Zeit ziemlich unklare Nach¬
richten über einen im Inneren der Insel ausgebrochenen Aufstand. So viel
ist klar, daß derselbe nicht von den Negern, sondern von Creolen ausge¬
gangen ist. die Nichts von Freilassung der Sclaven wissen wollen: es ist ver¬
wildertes Raubgesindel, welches nach seiner Niederlage durch die Truppen
am Is. Oct. sich in einzelne Banden auflöste und die Plantagen zu brand¬
schatzen suchte. Man wird mit denselben schon fertig werden, zumal die
Creolen sich überhaupt in Cuba in einer verschwindenden Minderzahl be¬
finden. Mit der spanischen Revolution hat die Sache Nichts zu thun, da
der Aufstand schon lange vor dem Eintreffen der Nachrichten von den ca-
dixer Ereignissen datirt. Dagegen ist unleugbar, daß die Revolution in
Spanien, welches auch ihr Ausgang sein mag, einen tiefgreifenden Einfluß
auf die Sclaven Cubas haben muß; denn sei es, daß die Republik oder
demokratische Monarchie das Feld behauptet, sei es daß Prim sich zum Dic¬
tator aufschwingt, immer wird die Staatsgewalt auf die Besserung der so¬
cialen Zustände ausgehen müssen, und die Ausbeutung der Colonien war
einer der wundesten Punkte des bourbonischen Regiments. Die Aufhebung
der Sclaverei in Cuba, die durch ein Decret der provisorischen Regierung
bereits angebahnt ist, wird demnach nur eine Frage der Zeit sein können.
Aber so sehr wir uns freuen müssen, daß es dann außer Brasilien keinen
civilisirten Staat mehr geben wird, in welchem die Sclaveret besteht, so sehr
müssen wir doch im Interesse Cubas wie der Sclaven selbst wünschen, daß
man bei der Emancipation mit Vorsicht zu Wege gehe. Was daraus wird,
wenn man in mißverstandenen philanthropischen Interesse die Sclaven ohne
Weiteres vom Zustand der Knechtschaft in die volle Freiheit übergehen läßt,
zeigen uns Hapel, die englisch-westindischen Colonien und die Südstaaten der
Union; was dagegen durch vorsichtige Politik aus einer Sclavenbevölkerung
zu machen ist, sieht man an den französischen Colonien Martinique und
Gouadelouve.

Hapel ist vollkommen unabhängig die Neger sind die herrschende Race;
aber diesem gesegneten Lande ist unter ihrem Regiment eine Reihe der blutigsten
Revolutionen und absolute Verkommenheit geworden, wovon jeder Reisende,
der die Insel besucht, zu erzählen weiß. Nicht viel besser ist es mit Jamaica, wo
die Sclaven durch die große Emancipationsmaßregel Englands zu Eigenthümern
des von ihnen bebauten Landes gemacht und ihre Herren durch Geld ent¬
schädigt wurden. Die Neger, welche damals zu den Weißen im Verhältniß
von 16:1 standen, haben sich so vermehrt, daß sie jetzt wie 34:1 stehen;


Spanien und Cuba.

Von der Havanna kamen uns in neuester Zeit ziemlich unklare Nach¬
richten über einen im Inneren der Insel ausgebrochenen Aufstand. So viel
ist klar, daß derselbe nicht von den Negern, sondern von Creolen ausge¬
gangen ist. die Nichts von Freilassung der Sclaven wissen wollen: es ist ver¬
wildertes Raubgesindel, welches nach seiner Niederlage durch die Truppen
am Is. Oct. sich in einzelne Banden auflöste und die Plantagen zu brand¬
schatzen suchte. Man wird mit denselben schon fertig werden, zumal die
Creolen sich überhaupt in Cuba in einer verschwindenden Minderzahl be¬
finden. Mit der spanischen Revolution hat die Sache Nichts zu thun, da
der Aufstand schon lange vor dem Eintreffen der Nachrichten von den ca-
dixer Ereignissen datirt. Dagegen ist unleugbar, daß die Revolution in
Spanien, welches auch ihr Ausgang sein mag, einen tiefgreifenden Einfluß
auf die Sclaven Cubas haben muß; denn sei es, daß die Republik oder
demokratische Monarchie das Feld behauptet, sei es daß Prim sich zum Dic¬
tator aufschwingt, immer wird die Staatsgewalt auf die Besserung der so¬
cialen Zustände ausgehen müssen, und die Ausbeutung der Colonien war
einer der wundesten Punkte des bourbonischen Regiments. Die Aufhebung
der Sclaverei in Cuba, die durch ein Decret der provisorischen Regierung
bereits angebahnt ist, wird demnach nur eine Frage der Zeit sein können.
Aber so sehr wir uns freuen müssen, daß es dann außer Brasilien keinen
civilisirten Staat mehr geben wird, in welchem die Sclaveret besteht, so sehr
müssen wir doch im Interesse Cubas wie der Sclaven selbst wünschen, daß
man bei der Emancipation mit Vorsicht zu Wege gehe. Was daraus wird,
wenn man in mißverstandenen philanthropischen Interesse die Sclaven ohne
Weiteres vom Zustand der Knechtschaft in die volle Freiheit übergehen läßt,
zeigen uns Hapel, die englisch-westindischen Colonien und die Südstaaten der
Union; was dagegen durch vorsichtige Politik aus einer Sclavenbevölkerung
zu machen ist, sieht man an den französischen Colonien Martinique und
Gouadelouve.

Hapel ist vollkommen unabhängig die Neger sind die herrschende Race;
aber diesem gesegneten Lande ist unter ihrem Regiment eine Reihe der blutigsten
Revolutionen und absolute Verkommenheit geworden, wovon jeder Reisende,
der die Insel besucht, zu erzählen weiß. Nicht viel besser ist es mit Jamaica, wo
die Sclaven durch die große Emancipationsmaßregel Englands zu Eigenthümern
des von ihnen bebauten Landes gemacht und ihre Herren durch Geld ent¬
schädigt wurden. Die Neger, welche damals zu den Weißen im Verhältniß
von 16:1 standen, haben sich so vermehrt, daß sie jetzt wie 34:1 stehen;


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[0448] Spanien und Cuba. Von der Havanna kamen uns in neuester Zeit ziemlich unklare Nach¬ richten über einen im Inneren der Insel ausgebrochenen Aufstand. So viel ist klar, daß derselbe nicht von den Negern, sondern von Creolen ausge¬ gangen ist. die Nichts von Freilassung der Sclaven wissen wollen: es ist ver¬ wildertes Raubgesindel, welches nach seiner Niederlage durch die Truppen am Is. Oct. sich in einzelne Banden auflöste und die Plantagen zu brand¬ schatzen suchte. Man wird mit denselben schon fertig werden, zumal die Creolen sich überhaupt in Cuba in einer verschwindenden Minderzahl be¬ finden. Mit der spanischen Revolution hat die Sache Nichts zu thun, da der Aufstand schon lange vor dem Eintreffen der Nachrichten von den ca- dixer Ereignissen datirt. Dagegen ist unleugbar, daß die Revolution in Spanien, welches auch ihr Ausgang sein mag, einen tiefgreifenden Einfluß auf die Sclaven Cubas haben muß; denn sei es, daß die Republik oder demokratische Monarchie das Feld behauptet, sei es daß Prim sich zum Dic¬ tator aufschwingt, immer wird die Staatsgewalt auf die Besserung der so¬ cialen Zustände ausgehen müssen, und die Ausbeutung der Colonien war einer der wundesten Punkte des bourbonischen Regiments. Die Aufhebung der Sclaverei in Cuba, die durch ein Decret der provisorischen Regierung bereits angebahnt ist, wird demnach nur eine Frage der Zeit sein können. Aber so sehr wir uns freuen müssen, daß es dann außer Brasilien keinen civilisirten Staat mehr geben wird, in welchem die Sclaveret besteht, so sehr müssen wir doch im Interesse Cubas wie der Sclaven selbst wünschen, daß man bei der Emancipation mit Vorsicht zu Wege gehe. Was daraus wird, wenn man in mißverstandenen philanthropischen Interesse die Sclaven ohne Weiteres vom Zustand der Knechtschaft in die volle Freiheit übergehen läßt, zeigen uns Hapel, die englisch-westindischen Colonien und die Südstaaten der Union; was dagegen durch vorsichtige Politik aus einer Sclavenbevölkerung zu machen ist, sieht man an den französischen Colonien Martinique und Gouadelouve. Hapel ist vollkommen unabhängig die Neger sind die herrschende Race; aber diesem gesegneten Lande ist unter ihrem Regiment eine Reihe der blutigsten Revolutionen und absolute Verkommenheit geworden, wovon jeder Reisende, der die Insel besucht, zu erzählen weiß. Nicht viel besser ist es mit Jamaica, wo die Sclaven durch die große Emancipationsmaßregel Englands zu Eigenthümern des von ihnen bebauten Landes gemacht und ihre Herren durch Geld ent¬ schädigt wurden. Die Neger, welche damals zu den Weißen im Verhältniß von 16:1 standen, haben sich so vermehrt, daß sie jetzt wie 34:1 stehen;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/448>, abgerufen am 02.05.2024.