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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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dennoch ist die ehemals blühende Insel der traurigsten Zerrüttung anheim¬
gefallen: der Boden ist durch Raubbau erschöpft, die Ausfuhr spärlich, die
Bevölkerung lebt in Schmutz. Unzucht. Unwissenheit, Armuth und Trunk¬
sucht. Aehnlich in den anderen englischen Colonien, mit Ausnahme von
Barbados, welches eben schon zur Zeit der Emancipation so bevölkert war.
daß kein Boden mehr zum Anbau zu vergeben war, wo die Schwarzen also
wenigstens soviel um Taglohn arbeiten müssen, daß sie leidlich leben können.
Der Drang der Umstände hat in den Vereinigten Staaten zu einer gleichen
hastigen Emancipation ohne Uebergang geführt; aber die schlimmen Folgen
zeigen sich schon hinreichend. Man hat den Sclaven nicht blos alle bürger¬
lichen, sondern auch politische Rechte gegeben; die Folge ist, daß die Cultur
des Südens sinkt und der Neger der Spielball der kämpfenden Parteien ge¬
worden ist: so lange ihn die Militärgouverneure gegen seine früheren Herren
schützen, stimmt er für die Republikaner, wo nicht, für die Demokraten. Weit
Weiser verfuhr die französische Republik 1848 bei Abschaffung der Sclaverei;
sie hatte die warnenden Beispiele von Hapel und Jamaica vor sich und sah
ein, daß es thöricht sei, in solchen Fragen nach idealen Gesichtspunkten zu
verfahren. Die Erfahrung zeigt, daß der Neger eine natürliche Abneigung
gegen andauernde Arbeit hat, wie sie allein ein Land zum Gedeihen bringen
kann: er thut eben nicht mehr als nöthig ist, sich über Wasser zu halten,
und auch das nicht immer, sondern er versinkt bei an sich großer Gutmüthig¬
keit aus Faulheit leicht in Laster. Demzufolge erklärte man die Sclaven
in Martinique und Gouadeloupe zwar für frei, aber nur unter der Bedingung
des Nachweises, daß sie sich ernähren könnten; man behandelte sie wie Kin¬
der, die gegen die Folgen der eignen Thorheit geschützt werden müssen, und
die beiden Colonien sind blühend geblieben. "

Ein ähnliches Verfahren ist auch für Cuba nöthig; es liegt dort der
günstige Umstand vor, daß die weiße Bevölkerung zahlreicher ist als die
Sclaven: 311,000 gegen 287.000. Es ist also zunächst weder an einen wirk-
lichen Aufstand der Neger in Masse zu denken, noch daran, daß sie die Ober¬
hand bei der Emancipation bekommen könnten wie in Jamaica: sie sind den
Spaniern auch nicht blos der Intelligenz nach sehr untergeordnet, sondern
betrachten dieselben mit höchster Ehrerbietung. Auch haben die Pflanzer ihre
Sclaven im Ganzen gut und mit einer gewissen familiären Freundlichkeit
behandelt, die den Angelsachsen der Vereinigten Staaten ganz fremd war; die
Sclaven haben sogar gegen ihre Herren einen öffentlichen Vertreter ihrer In¬
teressen, der gegen etwaige Grausamkeiten Einsprache thun kann: "el s^näieo
yui tiens los esclavos". Der Neger ist außerdem wie alle niedrigstehenden
Völker durchaus zur Nachahmung geneigt: er versucht das zu werden was die
höhern Classen sind, die ihm umgeben, und der kubanische Pflanzer gehört zu


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dennoch ist die ehemals blühende Insel der traurigsten Zerrüttung anheim¬
gefallen: der Boden ist durch Raubbau erschöpft, die Ausfuhr spärlich, die
Bevölkerung lebt in Schmutz. Unzucht. Unwissenheit, Armuth und Trunk¬
sucht. Aehnlich in den anderen englischen Colonien, mit Ausnahme von
Barbados, welches eben schon zur Zeit der Emancipation so bevölkert war.
daß kein Boden mehr zum Anbau zu vergeben war, wo die Schwarzen also
wenigstens soviel um Taglohn arbeiten müssen, daß sie leidlich leben können.
Der Drang der Umstände hat in den Vereinigten Staaten zu einer gleichen
hastigen Emancipation ohne Uebergang geführt; aber die schlimmen Folgen
zeigen sich schon hinreichend. Man hat den Sclaven nicht blos alle bürger¬
lichen, sondern auch politische Rechte gegeben; die Folge ist, daß die Cultur
des Südens sinkt und der Neger der Spielball der kämpfenden Parteien ge¬
worden ist: so lange ihn die Militärgouverneure gegen seine früheren Herren
schützen, stimmt er für die Republikaner, wo nicht, für die Demokraten. Weit
Weiser verfuhr die französische Republik 1848 bei Abschaffung der Sclaverei;
sie hatte die warnenden Beispiele von Hapel und Jamaica vor sich und sah
ein, daß es thöricht sei, in solchen Fragen nach idealen Gesichtspunkten zu
verfahren. Die Erfahrung zeigt, daß der Neger eine natürliche Abneigung
gegen andauernde Arbeit hat, wie sie allein ein Land zum Gedeihen bringen
kann: er thut eben nicht mehr als nöthig ist, sich über Wasser zu halten,
und auch das nicht immer, sondern er versinkt bei an sich großer Gutmüthig¬
keit aus Faulheit leicht in Laster. Demzufolge erklärte man die Sclaven
in Martinique und Gouadeloupe zwar für frei, aber nur unter der Bedingung
des Nachweises, daß sie sich ernähren könnten; man behandelte sie wie Kin¬
der, die gegen die Folgen der eignen Thorheit geschützt werden müssen, und
die beiden Colonien sind blühend geblieben. »

Ein ähnliches Verfahren ist auch für Cuba nöthig; es liegt dort der
günstige Umstand vor, daß die weiße Bevölkerung zahlreicher ist als die
Sclaven: 311,000 gegen 287.000. Es ist also zunächst weder an einen wirk-
lichen Aufstand der Neger in Masse zu denken, noch daran, daß sie die Ober¬
hand bei der Emancipation bekommen könnten wie in Jamaica: sie sind den
Spaniern auch nicht blos der Intelligenz nach sehr untergeordnet, sondern
betrachten dieselben mit höchster Ehrerbietung. Auch haben die Pflanzer ihre
Sclaven im Ganzen gut und mit einer gewissen familiären Freundlichkeit
behandelt, die den Angelsachsen der Vereinigten Staaten ganz fremd war; die
Sclaven haben sogar gegen ihre Herren einen öffentlichen Vertreter ihrer In¬
teressen, der gegen etwaige Grausamkeiten Einsprache thun kann: „el s^näieo
yui tiens los esclavos". Der Neger ist außerdem wie alle niedrigstehenden
Völker durchaus zur Nachahmung geneigt: er versucht das zu werden was die
höhern Classen sind, die ihm umgeben, und der kubanische Pflanzer gehört zu


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[0449] dennoch ist die ehemals blühende Insel der traurigsten Zerrüttung anheim¬ gefallen: der Boden ist durch Raubbau erschöpft, die Ausfuhr spärlich, die Bevölkerung lebt in Schmutz. Unzucht. Unwissenheit, Armuth und Trunk¬ sucht. Aehnlich in den anderen englischen Colonien, mit Ausnahme von Barbados, welches eben schon zur Zeit der Emancipation so bevölkert war. daß kein Boden mehr zum Anbau zu vergeben war, wo die Schwarzen also wenigstens soviel um Taglohn arbeiten müssen, daß sie leidlich leben können. Der Drang der Umstände hat in den Vereinigten Staaten zu einer gleichen hastigen Emancipation ohne Uebergang geführt; aber die schlimmen Folgen zeigen sich schon hinreichend. Man hat den Sclaven nicht blos alle bürger¬ lichen, sondern auch politische Rechte gegeben; die Folge ist, daß die Cultur des Südens sinkt und der Neger der Spielball der kämpfenden Parteien ge¬ worden ist: so lange ihn die Militärgouverneure gegen seine früheren Herren schützen, stimmt er für die Republikaner, wo nicht, für die Demokraten. Weit Weiser verfuhr die französische Republik 1848 bei Abschaffung der Sclaverei; sie hatte die warnenden Beispiele von Hapel und Jamaica vor sich und sah ein, daß es thöricht sei, in solchen Fragen nach idealen Gesichtspunkten zu verfahren. Die Erfahrung zeigt, daß der Neger eine natürliche Abneigung gegen andauernde Arbeit hat, wie sie allein ein Land zum Gedeihen bringen kann: er thut eben nicht mehr als nöthig ist, sich über Wasser zu halten, und auch das nicht immer, sondern er versinkt bei an sich großer Gutmüthig¬ keit aus Faulheit leicht in Laster. Demzufolge erklärte man die Sclaven in Martinique und Gouadeloupe zwar für frei, aber nur unter der Bedingung des Nachweises, daß sie sich ernähren könnten; man behandelte sie wie Kin¬ der, die gegen die Folgen der eignen Thorheit geschützt werden müssen, und die beiden Colonien sind blühend geblieben. » Ein ähnliches Verfahren ist auch für Cuba nöthig; es liegt dort der günstige Umstand vor, daß die weiße Bevölkerung zahlreicher ist als die Sclaven: 311,000 gegen 287.000. Es ist also zunächst weder an einen wirk- lichen Aufstand der Neger in Masse zu denken, noch daran, daß sie die Ober¬ hand bei der Emancipation bekommen könnten wie in Jamaica: sie sind den Spaniern auch nicht blos der Intelligenz nach sehr untergeordnet, sondern betrachten dieselben mit höchster Ehrerbietung. Auch haben die Pflanzer ihre Sclaven im Ganzen gut und mit einer gewissen familiären Freundlichkeit behandelt, die den Angelsachsen der Vereinigten Staaten ganz fremd war; die Sclaven haben sogar gegen ihre Herren einen öffentlichen Vertreter ihrer In¬ teressen, der gegen etwaige Grausamkeiten Einsprache thun kann: „el s^näieo yui tiens los esclavos". Der Neger ist außerdem wie alle niedrigstehenden Völker durchaus zur Nachahmung geneigt: er versucht das zu werden was die höhern Classen sind, die ihm umgeben, und der kubanische Pflanzer gehört zu 53*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/449>, abgerufen am 19.05.2024.