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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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ybel ist fernerer Ziele. -- Doch genug und übergenug des theologischen Ge¬
zänks. Ernsthafter scheint uns die Frage, wie es kam und kommen mußte,
daß der Mönch, als er am 23. Mai 1498 auf dem Scheiterhaufen vor dem
Palazzo vecchio stand, auf ein fast resultatloses Leben zurückblickte.




Mecklenburgische Landtagscorrespondeuz.

Die erhöhten Anforderungen des norddeutschen Bundes an die Steuer¬
kraft der einzelnen Bundesglieder dürften in keinem andern Bundesstaate so
weitgreifende Wirkungen geäußert haben, wie in Mecklenburg. Mögen an¬
dere Staaten materiell schwerer von dem Druck derselben getroffen werden
als Mecklenburg, das, wenn auch höher besteuert als bisher, doch einer noch
größeren Last gewachsen sein dürfte, so wird doch nirgend eine derartige
Umwälzung der bestehenden Einrichtungen eintreten, wie sie Mecklenburg in
Folge des Eintritts in den norddeutschen Bund bevorsteht, zum Schrecken
der Einen, zur Freude der Andern. Denn es handelt sich für Mecklenburg
um nichts Geringeres, als um die Beseitigung der mittelalterlichen durch die
Reversalen von 1621 und den landesgrundgesetzlichen Erbvergleich von 1785
sanetionirten Institutionen, dieser Staatsgrundgesetze, die wie Ruinen in
das neue deutsche Staatsgebäude hineinragen, während für andere Bundes¬
staaten, die den financiellen Anforderungen des Bundes auf die Dauer nicht
gewachsen sein möchten, nur das Aufgeben der particularistischen Sonder¬
existenz, das Aufgehen in dem großen Staatskörper des deutschen Einheits¬
staates in Frage steht, eine Umwandlung, die nicht sowohl die Staats¬
bürger als die Landesherren berührt. Die Gründung des norddeutschen
Bundes auf konstitutioneller Basis hatte für Mecklenburg eine ganz andere
Bedeutung, als für Sachsen. Braunschweig und wie die kleineren Staaten
alle heißen. Wenn wir uns eines Bildes bedienen dürfen, so möchten wir
sagen, Preußen habe wie ein großes Meer die benachbarten größern und
kleinern Gewässer an sich gezogen, und wenn es eines und das andere nach
und nach in sich aufnehmen sollte, so wird doch der Tropfen Wassers, der ins
Meer fällt, Wasser bleiben. Anders Mecklenburg, dessen heterogene Elemente
sich dem großen Ganzen nicht so leicht und vollständig assimiliren. Verglichen
wir die anderen Staaten dem Wasser, das das Meer in sich aufnimmt,
so möchten wir Mecklenburg den Fels nennen -- Andere nennen es den
Stein des Aergernisses -- den das Wasser des Meeres wohl bespült und
benetzt, aber nicht zu Wasser macht. Und dennoch: Tropfen höhlen Steine


ybel ist fernerer Ziele. — Doch genug und übergenug des theologischen Ge¬
zänks. Ernsthafter scheint uns die Frage, wie es kam und kommen mußte,
daß der Mönch, als er am 23. Mai 1498 auf dem Scheiterhaufen vor dem
Palazzo vecchio stand, auf ein fast resultatloses Leben zurückblickte.




Mecklenburgische Landtagscorrespondeuz.

Die erhöhten Anforderungen des norddeutschen Bundes an die Steuer¬
kraft der einzelnen Bundesglieder dürften in keinem andern Bundesstaate so
weitgreifende Wirkungen geäußert haben, wie in Mecklenburg. Mögen an¬
dere Staaten materiell schwerer von dem Druck derselben getroffen werden
als Mecklenburg, das, wenn auch höher besteuert als bisher, doch einer noch
größeren Last gewachsen sein dürfte, so wird doch nirgend eine derartige
Umwälzung der bestehenden Einrichtungen eintreten, wie sie Mecklenburg in
Folge des Eintritts in den norddeutschen Bund bevorsteht, zum Schrecken
der Einen, zur Freude der Andern. Denn es handelt sich für Mecklenburg
um nichts Geringeres, als um die Beseitigung der mittelalterlichen durch die
Reversalen von 1621 und den landesgrundgesetzlichen Erbvergleich von 1785
sanetionirten Institutionen, dieser Staatsgrundgesetze, die wie Ruinen in
das neue deutsche Staatsgebäude hineinragen, während für andere Bundes¬
staaten, die den financiellen Anforderungen des Bundes auf die Dauer nicht
gewachsen sein möchten, nur das Aufgeben der particularistischen Sonder¬
existenz, das Aufgehen in dem großen Staatskörper des deutschen Einheits¬
staates in Frage steht, eine Umwandlung, die nicht sowohl die Staats¬
bürger als die Landesherren berührt. Die Gründung des norddeutschen
Bundes auf konstitutioneller Basis hatte für Mecklenburg eine ganz andere
Bedeutung, als für Sachsen. Braunschweig und wie die kleineren Staaten
alle heißen. Wenn wir uns eines Bildes bedienen dürfen, so möchten wir
sagen, Preußen habe wie ein großes Meer die benachbarten größern und
kleinern Gewässer an sich gezogen, und wenn es eines und das andere nach
und nach in sich aufnehmen sollte, so wird doch der Tropfen Wassers, der ins
Meer fällt, Wasser bleiben. Anders Mecklenburg, dessen heterogene Elemente
sich dem großen Ganzen nicht so leicht und vollständig assimiliren. Verglichen
wir die anderen Staaten dem Wasser, das das Meer in sich aufnimmt,
so möchten wir Mecklenburg den Fels nennen — Andere nennen es den
Stein des Aergernisses — den das Wasser des Meeres wohl bespült und
benetzt, aber nicht zu Wasser macht. Und dennoch: Tropfen höhlen Steine


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[0101] ybel ist fernerer Ziele. — Doch genug und übergenug des theologischen Ge¬ zänks. Ernsthafter scheint uns die Frage, wie es kam und kommen mußte, daß der Mönch, als er am 23. Mai 1498 auf dem Scheiterhaufen vor dem Palazzo vecchio stand, auf ein fast resultatloses Leben zurückblickte. Mecklenburgische Landtagscorrespondeuz. Die erhöhten Anforderungen des norddeutschen Bundes an die Steuer¬ kraft der einzelnen Bundesglieder dürften in keinem andern Bundesstaate so weitgreifende Wirkungen geäußert haben, wie in Mecklenburg. Mögen an¬ dere Staaten materiell schwerer von dem Druck derselben getroffen werden als Mecklenburg, das, wenn auch höher besteuert als bisher, doch einer noch größeren Last gewachsen sein dürfte, so wird doch nirgend eine derartige Umwälzung der bestehenden Einrichtungen eintreten, wie sie Mecklenburg in Folge des Eintritts in den norddeutschen Bund bevorsteht, zum Schrecken der Einen, zur Freude der Andern. Denn es handelt sich für Mecklenburg um nichts Geringeres, als um die Beseitigung der mittelalterlichen durch die Reversalen von 1621 und den landesgrundgesetzlichen Erbvergleich von 1785 sanetionirten Institutionen, dieser Staatsgrundgesetze, die wie Ruinen in das neue deutsche Staatsgebäude hineinragen, während für andere Bundes¬ staaten, die den financiellen Anforderungen des Bundes auf die Dauer nicht gewachsen sein möchten, nur das Aufgeben der particularistischen Sonder¬ existenz, das Aufgehen in dem großen Staatskörper des deutschen Einheits¬ staates in Frage steht, eine Umwandlung, die nicht sowohl die Staats¬ bürger als die Landesherren berührt. Die Gründung des norddeutschen Bundes auf konstitutioneller Basis hatte für Mecklenburg eine ganz andere Bedeutung, als für Sachsen. Braunschweig und wie die kleineren Staaten alle heißen. Wenn wir uns eines Bildes bedienen dürfen, so möchten wir sagen, Preußen habe wie ein großes Meer die benachbarten größern und kleinern Gewässer an sich gezogen, und wenn es eines und das andere nach und nach in sich aufnehmen sollte, so wird doch der Tropfen Wassers, der ins Meer fällt, Wasser bleiben. Anders Mecklenburg, dessen heterogene Elemente sich dem großen Ganzen nicht so leicht und vollständig assimiliren. Verglichen wir die anderen Staaten dem Wasser, das das Meer in sich aufnimmt, so möchten wir Mecklenburg den Fels nennen — Andere nennen es den Stein des Aergernisses — den das Wasser des Meeres wohl bespült und benetzt, aber nicht zu Wasser macht. Und dennoch: Tropfen höhlen Steine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/101>, abgerufen am 03.05.2024.