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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Experimente anstellen zu lassen, welche schwebenden, noch ungelösten Gesund¬
heitsfragen neues nützliches Licht zuzuführen versprechen. So hat sich im
verflossenen Jahre z. B. einerseits der nahe Zusammenhang der Schwindsucht
mit starker Durchseuchtung des Erdreichs, andererseits die Uebertragbarkeit
der Tuberkeln mit krankmachender Wirkung herausgestellt. Unter den von
John Simon so beschäftigten jungen Gelehrten ist auch unser Landsmann
Dr. Thudichum. der vor mehreren Jahren in Frankfurt a. M. gesundheits-
wissenschaftliche Vorträge hielt und gleichzeitig Dr. Varrentrapp unterstützte
in der Durchsetzung der Canalisation, deren Gegner ihn eigentlich be¬
rufen hatten.

Ein deutsches centrales Gesundheitsamt (zu dessen Besetzung der rechte,
praktisch und theoretisch gleich begabte Mann gewiß nicht fehlen würde), con-
trolirt und immerwährend angeregt durch einen selbständigen deutschen Ge-
sundheitscongreß -- das ist ein Wunsch, welchen wir dem neuen Jahre nicht
dringend genug mit aus den Weg geben können!




Die süddeutsche Freiheit mW die Mainzer Justiz.

Am Tage vor der heißen Wahlschlacht in Mainz, am 18. März dieses
Jahres, hatte die nationale Partei ein Manifest erlassen, dessen funken¬
sprühende Lebhaftigkeit der Temperatur' der ganzen Situation entsprach.
Namentlich war darin mit schonungsloser Härte die Gedanken- und Charakter¬
losigkeit der' sich so nennenden Demokratie gezüchtigt, welche damals im
Bunde mit der schwarzen Bande Judenhetzen, Preußenhetzen, Jnvocationen
an die Rache Frankreichs und des Proletariats veranstaltete. Das Manifest
behandelte dieses Treiben mit der ganzen Verachtung, welche nur der für
jene Pseudo-Catone empfinden kann, der die Motive und Gesichtskreise
der maßgebenden Persönlichkeiten aus erster Hand kennt. Darob himmelhohe
Entrüstung im Lager der Dalwigk'schen Republikaner; und diese Entrüstung
theilte sich mit elektrischer Schnelligkeit den Wächtern der Justiz mit, welche
sich durchdrungen fühlten von der unwiderleglicher Wahrheit, daß in der
Firma "Bevel, Liebknecht und Compagnie" die Großh. Hessische Regierung
als stiller Theilhaber, als sIsexinZ xarwer interessirt sei. Sofort, am
selbigen 18. März, die Druckerschwärze war noch naß, setzte sich also die
Staatsbehörde nieder und schrieb nach Darmstadt um Ermächtigung, die
Autoren des Manifestes mit der Schärfe des Schwertes verfolgen zu dürfen.


Experimente anstellen zu lassen, welche schwebenden, noch ungelösten Gesund¬
heitsfragen neues nützliches Licht zuzuführen versprechen. So hat sich im
verflossenen Jahre z. B. einerseits der nahe Zusammenhang der Schwindsucht
mit starker Durchseuchtung des Erdreichs, andererseits die Uebertragbarkeit
der Tuberkeln mit krankmachender Wirkung herausgestellt. Unter den von
John Simon so beschäftigten jungen Gelehrten ist auch unser Landsmann
Dr. Thudichum. der vor mehreren Jahren in Frankfurt a. M. gesundheits-
wissenschaftliche Vorträge hielt und gleichzeitig Dr. Varrentrapp unterstützte
in der Durchsetzung der Canalisation, deren Gegner ihn eigentlich be¬
rufen hatten.

Ein deutsches centrales Gesundheitsamt (zu dessen Besetzung der rechte,
praktisch und theoretisch gleich begabte Mann gewiß nicht fehlen würde), con-
trolirt und immerwährend angeregt durch einen selbständigen deutschen Ge-
sundheitscongreß — das ist ein Wunsch, welchen wir dem neuen Jahre nicht
dringend genug mit aus den Weg geben können!




Die süddeutsche Freiheit mW die Mainzer Justiz.

Am Tage vor der heißen Wahlschlacht in Mainz, am 18. März dieses
Jahres, hatte die nationale Partei ein Manifest erlassen, dessen funken¬
sprühende Lebhaftigkeit der Temperatur' der ganzen Situation entsprach.
Namentlich war darin mit schonungsloser Härte die Gedanken- und Charakter¬
losigkeit der' sich so nennenden Demokratie gezüchtigt, welche damals im
Bunde mit der schwarzen Bande Judenhetzen, Preußenhetzen, Jnvocationen
an die Rache Frankreichs und des Proletariats veranstaltete. Das Manifest
behandelte dieses Treiben mit der ganzen Verachtung, welche nur der für
jene Pseudo-Catone empfinden kann, der die Motive und Gesichtskreise
der maßgebenden Persönlichkeiten aus erster Hand kennt. Darob himmelhohe
Entrüstung im Lager der Dalwigk'schen Republikaner; und diese Entrüstung
theilte sich mit elektrischer Schnelligkeit den Wächtern der Justiz mit, welche
sich durchdrungen fühlten von der unwiderleglicher Wahrheit, daß in der
Firma „Bevel, Liebknecht und Compagnie" die Großh. Hessische Regierung
als stiller Theilhaber, als sIsexinZ xarwer interessirt sei. Sofort, am
selbigen 18. März, die Druckerschwärze war noch naß, setzte sich also die
Staatsbehörde nieder und schrieb nach Darmstadt um Ermächtigung, die
Autoren des Manifestes mit der Schärfe des Schwertes verfolgen zu dürfen.


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[0028] Experimente anstellen zu lassen, welche schwebenden, noch ungelösten Gesund¬ heitsfragen neues nützliches Licht zuzuführen versprechen. So hat sich im verflossenen Jahre z. B. einerseits der nahe Zusammenhang der Schwindsucht mit starker Durchseuchtung des Erdreichs, andererseits die Uebertragbarkeit der Tuberkeln mit krankmachender Wirkung herausgestellt. Unter den von John Simon so beschäftigten jungen Gelehrten ist auch unser Landsmann Dr. Thudichum. der vor mehreren Jahren in Frankfurt a. M. gesundheits- wissenschaftliche Vorträge hielt und gleichzeitig Dr. Varrentrapp unterstützte in der Durchsetzung der Canalisation, deren Gegner ihn eigentlich be¬ rufen hatten. Ein deutsches centrales Gesundheitsamt (zu dessen Besetzung der rechte, praktisch und theoretisch gleich begabte Mann gewiß nicht fehlen würde), con- trolirt und immerwährend angeregt durch einen selbständigen deutschen Ge- sundheitscongreß — das ist ein Wunsch, welchen wir dem neuen Jahre nicht dringend genug mit aus den Weg geben können! Die süddeutsche Freiheit mW die Mainzer Justiz. Am Tage vor der heißen Wahlschlacht in Mainz, am 18. März dieses Jahres, hatte die nationale Partei ein Manifest erlassen, dessen funken¬ sprühende Lebhaftigkeit der Temperatur' der ganzen Situation entsprach. Namentlich war darin mit schonungsloser Härte die Gedanken- und Charakter¬ losigkeit der' sich so nennenden Demokratie gezüchtigt, welche damals im Bunde mit der schwarzen Bande Judenhetzen, Preußenhetzen, Jnvocationen an die Rache Frankreichs und des Proletariats veranstaltete. Das Manifest behandelte dieses Treiben mit der ganzen Verachtung, welche nur der für jene Pseudo-Catone empfinden kann, der die Motive und Gesichtskreise der maßgebenden Persönlichkeiten aus erster Hand kennt. Darob himmelhohe Entrüstung im Lager der Dalwigk'schen Republikaner; und diese Entrüstung theilte sich mit elektrischer Schnelligkeit den Wächtern der Justiz mit, welche sich durchdrungen fühlten von der unwiderleglicher Wahrheit, daß in der Firma „Bevel, Liebknecht und Compagnie" die Großh. Hessische Regierung als stiller Theilhaber, als sIsexinZ xarwer interessirt sei. Sofort, am selbigen 18. März, die Druckerschwärze war noch naß, setzte sich also die Staatsbehörde nieder und schrieb nach Darmstadt um Ermächtigung, die Autoren des Manifestes mit der Schärfe des Schwertes verfolgen zu dürfen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/28>, abgerufen am 03.05.2024.