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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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dern daß uns Etwas, was von ihrer Seite herkommt, immer wieder ab¬
stößt, und das ist die eigenthümliche Auffassung des Lebens, der Rechte,
Pflichten und Ansprüche, welche bei ihnen als Gemüthlichkeit umgeht.




Bas Such vom Grafen Gismarck.
Von George Hesekiel.*) Erste und zweite Abtheilung.

Es ist immerhin mißlich, Biographien noch lebender Personen zu schreiben;
doppelt bedenklich wird die Sache, wenn die geschilderte Person noch in voller
Action auf der Bühne steht. So lange der lebende Mann noch im raschen
Laufe begriffen ist, kann man eben kein Bild von ihm machen, etwas Ab¬
geschlossenes muß vorliegen, ein Stillstand eingetreten sein, ehe wir den
Griffel ergreifen dürfen. Dieser Stillstand braucht nicht immer der leibliche
Tod zu sein; ein Feldherr, ein Staatsmann, ein Künstler, der seine Haupt¬
arbeit gethan hat, und zeitweise oder für immer von der Weltbühne abge¬
treten ist, mag sich wohl auch, wenn er noch als Lebender unter uns weilt,
der geschichtlichen Betrachtung bieten.

Beinahe unmöglich wird aber die Arbeit, wenn das Object der Schilde¬
rung ein Staatsmann ist, der erst die Hälfte seiner Aufgabe erfüllt hat, der
noch mitten unter uns steht, der dem Einen zu langsam, dem Andern zu
schnell, einem weit hinaus gesteckten Ziele zuschreitet, dessen Name, je nach
der Leidenschaft des Momentes und der Personen, von Dem gepriesen, von
Jenem verwünscht wird. Von der Parteien Gunst und Haß verwirrt, schwankt
eben noch sein Bild. Wir erhalten entweder einen leeren, werthlosen Pane-
gyrikus, oder eine feindselige Parteischrift, allenfalls einen Abriß der Zeit¬
geschichte, in welcher aber die menschliche Erscheinung, Charakter und Inhalt
der geschilderten Persönlichkeit eine unbefangene Würdigung nicht erhalten
konnte. Gerade diese aber uns nahe zu bringen, den Menschen, nicht blos den
Staatsmann in volle Beleuchtung zu rücken, das ist es. was Herr Hesekiel
beabsichtigt. Er geht noch einen Schritt weiter, er will ein sogenanntes
Volksbuch schreiben. Das zeigt schon der schwarz-weiß-rothe Umschlag und
die zahlreichen Illustrationen.



") Der beifolgende Aufsatz ist von einem werthen Freund des Blattes an" der Ferne ge¬
sandt, welcher kein Preuße und ein warmer Verehrer des Grafen Bismarck ist. und nur durch
D. Red. die Lectüre des Buches zu der folgenden Kritik veranlaßt wurde.

dern daß uns Etwas, was von ihrer Seite herkommt, immer wieder ab¬
stößt, und das ist die eigenthümliche Auffassung des Lebens, der Rechte,
Pflichten und Ansprüche, welche bei ihnen als Gemüthlichkeit umgeht.




Bas Such vom Grafen Gismarck.
Von George Hesekiel.*) Erste und zweite Abtheilung.

Es ist immerhin mißlich, Biographien noch lebender Personen zu schreiben;
doppelt bedenklich wird die Sache, wenn die geschilderte Person noch in voller
Action auf der Bühne steht. So lange der lebende Mann noch im raschen
Laufe begriffen ist, kann man eben kein Bild von ihm machen, etwas Ab¬
geschlossenes muß vorliegen, ein Stillstand eingetreten sein, ehe wir den
Griffel ergreifen dürfen. Dieser Stillstand braucht nicht immer der leibliche
Tod zu sein; ein Feldherr, ein Staatsmann, ein Künstler, der seine Haupt¬
arbeit gethan hat, und zeitweise oder für immer von der Weltbühne abge¬
treten ist, mag sich wohl auch, wenn er noch als Lebender unter uns weilt,
der geschichtlichen Betrachtung bieten.

Beinahe unmöglich wird aber die Arbeit, wenn das Object der Schilde¬
rung ein Staatsmann ist, der erst die Hälfte seiner Aufgabe erfüllt hat, der
noch mitten unter uns steht, der dem Einen zu langsam, dem Andern zu
schnell, einem weit hinaus gesteckten Ziele zuschreitet, dessen Name, je nach
der Leidenschaft des Momentes und der Personen, von Dem gepriesen, von
Jenem verwünscht wird. Von der Parteien Gunst und Haß verwirrt, schwankt
eben noch sein Bild. Wir erhalten entweder einen leeren, werthlosen Pane-
gyrikus, oder eine feindselige Parteischrift, allenfalls einen Abriß der Zeit¬
geschichte, in welcher aber die menschliche Erscheinung, Charakter und Inhalt
der geschilderten Persönlichkeit eine unbefangene Würdigung nicht erhalten
konnte. Gerade diese aber uns nahe zu bringen, den Menschen, nicht blos den
Staatsmann in volle Beleuchtung zu rücken, das ist es. was Herr Hesekiel
beabsichtigt. Er geht noch einen Schritt weiter, er will ein sogenanntes
Volksbuch schreiben. Das zeigt schon der schwarz-weiß-rothe Umschlag und
die zahlreichen Illustrationen.



") Der beifolgende Aufsatz ist von einem werthen Freund des Blattes an« der Ferne ge¬
sandt, welcher kein Preuße und ein warmer Verehrer des Grafen Bismarck ist. und nur durch
D. Red. die Lectüre des Buches zu der folgenden Kritik veranlaßt wurde.
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[0256] dern daß uns Etwas, was von ihrer Seite herkommt, immer wieder ab¬ stößt, und das ist die eigenthümliche Auffassung des Lebens, der Rechte, Pflichten und Ansprüche, welche bei ihnen als Gemüthlichkeit umgeht. Bas Such vom Grafen Gismarck. Von George Hesekiel.*) Erste und zweite Abtheilung. Es ist immerhin mißlich, Biographien noch lebender Personen zu schreiben; doppelt bedenklich wird die Sache, wenn die geschilderte Person noch in voller Action auf der Bühne steht. So lange der lebende Mann noch im raschen Laufe begriffen ist, kann man eben kein Bild von ihm machen, etwas Ab¬ geschlossenes muß vorliegen, ein Stillstand eingetreten sein, ehe wir den Griffel ergreifen dürfen. Dieser Stillstand braucht nicht immer der leibliche Tod zu sein; ein Feldherr, ein Staatsmann, ein Künstler, der seine Haupt¬ arbeit gethan hat, und zeitweise oder für immer von der Weltbühne abge¬ treten ist, mag sich wohl auch, wenn er noch als Lebender unter uns weilt, der geschichtlichen Betrachtung bieten. Beinahe unmöglich wird aber die Arbeit, wenn das Object der Schilde¬ rung ein Staatsmann ist, der erst die Hälfte seiner Aufgabe erfüllt hat, der noch mitten unter uns steht, der dem Einen zu langsam, dem Andern zu schnell, einem weit hinaus gesteckten Ziele zuschreitet, dessen Name, je nach der Leidenschaft des Momentes und der Personen, von Dem gepriesen, von Jenem verwünscht wird. Von der Parteien Gunst und Haß verwirrt, schwankt eben noch sein Bild. Wir erhalten entweder einen leeren, werthlosen Pane- gyrikus, oder eine feindselige Parteischrift, allenfalls einen Abriß der Zeit¬ geschichte, in welcher aber die menschliche Erscheinung, Charakter und Inhalt der geschilderten Persönlichkeit eine unbefangene Würdigung nicht erhalten konnte. Gerade diese aber uns nahe zu bringen, den Menschen, nicht blos den Staatsmann in volle Beleuchtung zu rücken, das ist es. was Herr Hesekiel beabsichtigt. Er geht noch einen Schritt weiter, er will ein sogenanntes Volksbuch schreiben. Das zeigt schon der schwarz-weiß-rothe Umschlag und die zahlreichen Illustrationen. ") Der beifolgende Aufsatz ist von einem werthen Freund des Blattes an« der Ferne ge¬ sandt, welcher kein Preuße und ein warmer Verehrer des Grafen Bismarck ist. und nur durch D. Red. die Lectüre des Buches zu der folgenden Kritik veranlaßt wurde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/256>, abgerufen am 04.05.2024.