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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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An sich hat diese Aufgabe etwas Verlockendes. Bismarck ist jetzt wohl,
trotz seiner wenig populären Vergangenheit, die bekannteste Persönlichkeit auf
dem Erdenrund. Kaiser Napoleon scheint bereits den Höhenpunkt seines
Populären Ruhmes überschritten zu haben. Garibaldt, der ihm vielleicht
diese allgemeine Theilnahme streitig machen konnte, vegetirt einsam auf seiner
Felseninsel. Graf Bismarck hat in Schätzung der Welt eine wunderbare,
beinah blitzartige Wandelung erfahren. Aus dem verhaßten Junker, dem
reaetionairen Minister wurde mit einemmal eine so leuchtende Eescheinung
daß Aller Augen geblendet waren. Die Thatkraft ist es, welche Augen und
Herz der Menschen am leichtesten gefangen nimmt. Das kecke Wagniß des
Krieges, die zündenden Wetterschläge in Böhmen, der rasche Siegesmarsch
bis vor die Thore Wiens, und nach dem Frieden der kühne Griff über die
alten Grenzen hin, wo, statt der bisherigen ltthographirten Pariser, einmal
eine wirkliche Revision der Karte von Europa stattfand, und bei dieser Ge¬
legenheit einige Throne und Thrönchen zu Falle kamen -- in alle dem sah
die Menge, das Volk, das staunende Ausland den Griff eines gewaltigen
Willens, und mit einemmal war Graf Bismarck der populärste Mann dies¬
seits und jenseits des Oceans. Seine früheren Sünden waren momentan
vergessen; als Mann der That und des Rathes vereinigte er gewissermaßen
nach der allgemeinen Schätzung Cavour und Garibaldi in einer Person.

Nach dem Siegesrausch kam nun freilich wieder die harte Arbeit des
Tages, es galt, das Gewonnene sicher zu stellen, es galt auch, den Boden
unermüdet umzubrechen zu neuer Ernte.

Nun ist die Thätigkeit eines Staatsmannes in gewöhnlichen ruhigen
Zeiten. dem hastigen Drängen der Menge gegenüber, wenigstens soweit sie
auf der Oberfläche der Dinge sichtbar wird, in der Regel eine retardirende.
Er arbeitet im Verborgenen, er bereitet vielleicht Neues vor; aber das, was
uns vor Augen liegt, ist leicht ein Zurückhalten der schneller nach dem Ziele
hin treibenden Parteien. Da tritt bald eine Enttäuschung bei dem schau¬
lustigen Publicum ein, Kein es. besonders nach großen unerhörten Dingen
niemals schnell genug geht. Diese Art von Wirksamkeit ist also immer in
Gefahr weniger populär sein. Die stille, geräuschlose Arbeit des Politikers
entzieht sich der Werthschätzung der Menge, deren Gunst der raschen That
zufällt. -- So weit sich der Ruhm nach der Zahl der Bewunderer mißt,
wird der Feldherr stets den Minister schlagen, das hat Cavour bitter er¬
fahren gegenüber dem Helden von Marsala; und immer wird Blücher popu-
lärer bleiben als Stein. Das Leben des Letzteren als Volksbuch zu bearbeiten
ist eine weit schwierigere Aufgabe, als ein "Bild des Marschall Vorwärts für
das deutsche Volk" zu zeichnen.

Wir haben also unsere großen Bedenken, daß man den Grafen Bis-


Grcnzboten II. 1869. 32

An sich hat diese Aufgabe etwas Verlockendes. Bismarck ist jetzt wohl,
trotz seiner wenig populären Vergangenheit, die bekannteste Persönlichkeit auf
dem Erdenrund. Kaiser Napoleon scheint bereits den Höhenpunkt seines
Populären Ruhmes überschritten zu haben. Garibaldt, der ihm vielleicht
diese allgemeine Theilnahme streitig machen konnte, vegetirt einsam auf seiner
Felseninsel. Graf Bismarck hat in Schätzung der Welt eine wunderbare,
beinah blitzartige Wandelung erfahren. Aus dem verhaßten Junker, dem
reaetionairen Minister wurde mit einemmal eine so leuchtende Eescheinung
daß Aller Augen geblendet waren. Die Thatkraft ist es, welche Augen und
Herz der Menschen am leichtesten gefangen nimmt. Das kecke Wagniß des
Krieges, die zündenden Wetterschläge in Böhmen, der rasche Siegesmarsch
bis vor die Thore Wiens, und nach dem Frieden der kühne Griff über die
alten Grenzen hin, wo, statt der bisherigen ltthographirten Pariser, einmal
eine wirkliche Revision der Karte von Europa stattfand, und bei dieser Ge¬
legenheit einige Throne und Thrönchen zu Falle kamen — in alle dem sah
die Menge, das Volk, das staunende Ausland den Griff eines gewaltigen
Willens, und mit einemmal war Graf Bismarck der populärste Mann dies¬
seits und jenseits des Oceans. Seine früheren Sünden waren momentan
vergessen; als Mann der That und des Rathes vereinigte er gewissermaßen
nach der allgemeinen Schätzung Cavour und Garibaldi in einer Person.

Nach dem Siegesrausch kam nun freilich wieder die harte Arbeit des
Tages, es galt, das Gewonnene sicher zu stellen, es galt auch, den Boden
unermüdet umzubrechen zu neuer Ernte.

Nun ist die Thätigkeit eines Staatsmannes in gewöhnlichen ruhigen
Zeiten. dem hastigen Drängen der Menge gegenüber, wenigstens soweit sie
auf der Oberfläche der Dinge sichtbar wird, in der Regel eine retardirende.
Er arbeitet im Verborgenen, er bereitet vielleicht Neues vor; aber das, was
uns vor Augen liegt, ist leicht ein Zurückhalten der schneller nach dem Ziele
hin treibenden Parteien. Da tritt bald eine Enttäuschung bei dem schau¬
lustigen Publicum ein, Kein es. besonders nach großen unerhörten Dingen
niemals schnell genug geht. Diese Art von Wirksamkeit ist also immer in
Gefahr weniger populär sein. Die stille, geräuschlose Arbeit des Politikers
entzieht sich der Werthschätzung der Menge, deren Gunst der raschen That
zufällt. — So weit sich der Ruhm nach der Zahl der Bewunderer mißt,
wird der Feldherr stets den Minister schlagen, das hat Cavour bitter er¬
fahren gegenüber dem Helden von Marsala; und immer wird Blücher popu-
lärer bleiben als Stein. Das Leben des Letzteren als Volksbuch zu bearbeiten
ist eine weit schwierigere Aufgabe, als ein „Bild des Marschall Vorwärts für
das deutsche Volk" zu zeichnen.

Wir haben also unsere großen Bedenken, daß man den Grafen Bis-


Grcnzboten II. 1869. 32
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[0257] An sich hat diese Aufgabe etwas Verlockendes. Bismarck ist jetzt wohl, trotz seiner wenig populären Vergangenheit, die bekannteste Persönlichkeit auf dem Erdenrund. Kaiser Napoleon scheint bereits den Höhenpunkt seines Populären Ruhmes überschritten zu haben. Garibaldt, der ihm vielleicht diese allgemeine Theilnahme streitig machen konnte, vegetirt einsam auf seiner Felseninsel. Graf Bismarck hat in Schätzung der Welt eine wunderbare, beinah blitzartige Wandelung erfahren. Aus dem verhaßten Junker, dem reaetionairen Minister wurde mit einemmal eine so leuchtende Eescheinung daß Aller Augen geblendet waren. Die Thatkraft ist es, welche Augen und Herz der Menschen am leichtesten gefangen nimmt. Das kecke Wagniß des Krieges, die zündenden Wetterschläge in Böhmen, der rasche Siegesmarsch bis vor die Thore Wiens, und nach dem Frieden der kühne Griff über die alten Grenzen hin, wo, statt der bisherigen ltthographirten Pariser, einmal eine wirkliche Revision der Karte von Europa stattfand, und bei dieser Ge¬ legenheit einige Throne und Thrönchen zu Falle kamen — in alle dem sah die Menge, das Volk, das staunende Ausland den Griff eines gewaltigen Willens, und mit einemmal war Graf Bismarck der populärste Mann dies¬ seits und jenseits des Oceans. Seine früheren Sünden waren momentan vergessen; als Mann der That und des Rathes vereinigte er gewissermaßen nach der allgemeinen Schätzung Cavour und Garibaldi in einer Person. Nach dem Siegesrausch kam nun freilich wieder die harte Arbeit des Tages, es galt, das Gewonnene sicher zu stellen, es galt auch, den Boden unermüdet umzubrechen zu neuer Ernte. Nun ist die Thätigkeit eines Staatsmannes in gewöhnlichen ruhigen Zeiten. dem hastigen Drängen der Menge gegenüber, wenigstens soweit sie auf der Oberfläche der Dinge sichtbar wird, in der Regel eine retardirende. Er arbeitet im Verborgenen, er bereitet vielleicht Neues vor; aber das, was uns vor Augen liegt, ist leicht ein Zurückhalten der schneller nach dem Ziele hin treibenden Parteien. Da tritt bald eine Enttäuschung bei dem schau¬ lustigen Publicum ein, Kein es. besonders nach großen unerhörten Dingen niemals schnell genug geht. Diese Art von Wirksamkeit ist also immer in Gefahr weniger populär sein. Die stille, geräuschlose Arbeit des Politikers entzieht sich der Werthschätzung der Menge, deren Gunst der raschen That zufällt. — So weit sich der Ruhm nach der Zahl der Bewunderer mißt, wird der Feldherr stets den Minister schlagen, das hat Cavour bitter er¬ fahren gegenüber dem Helden von Marsala; und immer wird Blücher popu- lärer bleiben als Stein. Das Leben des Letzteren als Volksbuch zu bearbeiten ist eine weit schwierigere Aufgabe, als ein „Bild des Marschall Vorwärts für das deutsche Volk" zu zeichnen. Wir haben also unsere großen Bedenken, daß man den Grafen Bis- Grcnzboten II. 1869. 32

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/257>, abgerufen am 23.05.2024.