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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Wesentlich von diesen selben Voraussetzungen gehen die beiden Thron¬
reden aus, mit denen Zollparlament und Reichstag am 22. Juni geschlossen
worden sind. Wenn die Handelsverträge mit Japan und mit der Schweiz,
da Vereinszollgesctze und das Gesetz über die Zuckerbesteuerung auch wichtig
genug sind, um die Zusammenberufung des Zollparlaments als keine vergeb¬
liche erscheinen zu lassen, so steht doch fest, daß das Scheitern der Tarifrevi'fion
für die Regierungen schwer genug wog. um die Befriedigung über jene Er¬
rungenschaften in den Hintergrund zu drängen. Noch ungünstiger stellte
sich das Verhältniß von Erwartungen und Resultaten für die im Norddeut¬
schen Bunde vertretenen Regierungen und ganz besonders für das Präsidium.
Die neue Gewerbeordnung, der Militärvertrag mit Baden, das Gesetz über
Beschlagnahme von Löhnen, das Oberhandelsgericht u. s. w. sind Errungen¬
schaften, welche für das Volk von eminenter Wichtigkeit sind und sein wer¬
den: sür den Bundesrath lag das Hauptinteresse der Session in dem Zu¬
standekommen jener "Maßregeln zur Verminderung der Matrikularbeilräge",
welche sämmtlich zu Boden gefallen sind. Nichtsdestoweniger hat der Ton,
der aus den beiden Thronreden herausklingt, andere Voraussetzungen, als
Entmuthigung und Verdruß über gescheiterte Pläne und Hoffnungen, und
wenn am Schluß der zweiten Rede ausdrücklich hervorgehoben wird, daß das
Bundespräsidium die Haltung des Reichstags als eine entgegenkommende
ansieht, so ist damit festeste Bürgschaft gegen das Rabengekrächz geboten,
welches den seit nunmehr drei Jahren vergeblich erwarteten "großen Con¬
flict" als bereits vorhanden proclamirt hatte.

Die Einzelverhandlungen beider parlamentarischer Körper haben sich,
gerade wo es die entscheidenden Fragen galt, um eine solche Fülle techni¬
scher Details gedreht, daß an dieser Stelle von einem Generalurtheil
ebenso wenig die Rede sein kann, wie von einem die allgemeinen Ge¬
sichtspunkte berührenden Ueberblick. Hervorgehoben muß nur werden, daß
das Scheitern der Präsidialwünsche für die Tarisreform auf wesentlich
anderen Ursachen beruht, wie die Abwerfung der dem Reichstage vor¬
gelegten Steuervorlagen. Die Erklärung des Präsidiums, sie macht die
Petroleumsteuer zur Oonäitio sins pus. von der Tarifreform, schnitt die
weiteren Verhandlungen über diese Frage in einem Zeitpunkt ab, in welchem
von der Mehrzahl der Parlamentsglieder an der Möglichkeit einer Verständi¬
gung festgehalten wurde. Die Verhandlungen mit dem nächsten Landtage
werden zeigen, ob man wohl daran gethan, mit einer so raschen Entschließung
vorzugehen und dem 21. Juni den Schluß des Zollparlaments auf den Fuß
folgen zu lassen.




Mit Ädr. SV beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal,
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, im Juni 1869.Die Verlagshandlung.




Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Cckardt.
Verlag von F. L. Herbig. -- Druck von Hüthel H Segler in Leipzig.

Wesentlich von diesen selben Voraussetzungen gehen die beiden Thron¬
reden aus, mit denen Zollparlament und Reichstag am 22. Juni geschlossen
worden sind. Wenn die Handelsverträge mit Japan und mit der Schweiz,
da Vereinszollgesctze und das Gesetz über die Zuckerbesteuerung auch wichtig
genug sind, um die Zusammenberufung des Zollparlaments als keine vergeb¬
liche erscheinen zu lassen, so steht doch fest, daß das Scheitern der Tarifrevi'fion
für die Regierungen schwer genug wog. um die Befriedigung über jene Er¬
rungenschaften in den Hintergrund zu drängen. Noch ungünstiger stellte
sich das Verhältniß von Erwartungen und Resultaten für die im Norddeut¬
schen Bunde vertretenen Regierungen und ganz besonders für das Präsidium.
Die neue Gewerbeordnung, der Militärvertrag mit Baden, das Gesetz über
Beschlagnahme von Löhnen, das Oberhandelsgericht u. s. w. sind Errungen¬
schaften, welche für das Volk von eminenter Wichtigkeit sind und sein wer¬
den: sür den Bundesrath lag das Hauptinteresse der Session in dem Zu¬
standekommen jener „Maßregeln zur Verminderung der Matrikularbeilräge",
welche sämmtlich zu Boden gefallen sind. Nichtsdestoweniger hat der Ton,
der aus den beiden Thronreden herausklingt, andere Voraussetzungen, als
Entmuthigung und Verdruß über gescheiterte Pläne und Hoffnungen, und
wenn am Schluß der zweiten Rede ausdrücklich hervorgehoben wird, daß das
Bundespräsidium die Haltung des Reichstags als eine entgegenkommende
ansieht, so ist damit festeste Bürgschaft gegen das Rabengekrächz geboten,
welches den seit nunmehr drei Jahren vergeblich erwarteten „großen Con¬
flict" als bereits vorhanden proclamirt hatte.

Die Einzelverhandlungen beider parlamentarischer Körper haben sich,
gerade wo es die entscheidenden Fragen galt, um eine solche Fülle techni¬
scher Details gedreht, daß an dieser Stelle von einem Generalurtheil
ebenso wenig die Rede sein kann, wie von einem die allgemeinen Ge¬
sichtspunkte berührenden Ueberblick. Hervorgehoben muß nur werden, daß
das Scheitern der Präsidialwünsche für die Tarisreform auf wesentlich
anderen Ursachen beruht, wie die Abwerfung der dem Reichstage vor¬
gelegten Steuervorlagen. Die Erklärung des Präsidiums, sie macht die
Petroleumsteuer zur Oonäitio sins pus. von der Tarifreform, schnitt die
weiteren Verhandlungen über diese Frage in einem Zeitpunkt ab, in welchem
von der Mehrzahl der Parlamentsglieder an der Möglichkeit einer Verständi¬
gung festgehalten wurde. Die Verhandlungen mit dem nächsten Landtage
werden zeigen, ob man wohl daran gethan, mit einer so raschen Entschließung
vorzugehen und dem 21. Juni den Schluß des Zollparlaments auf den Fuß
folgen zu lassen.




Mit Ädr. SV beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal,
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, im Juni 1869.Die Verlagshandlung.




Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Cckardt.
Verlag von F. L. Herbig. — Druck von Hüthel H Segler in Leipzig.
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[0528] Wesentlich von diesen selben Voraussetzungen gehen die beiden Thron¬ reden aus, mit denen Zollparlament und Reichstag am 22. Juni geschlossen worden sind. Wenn die Handelsverträge mit Japan und mit der Schweiz, da Vereinszollgesctze und das Gesetz über die Zuckerbesteuerung auch wichtig genug sind, um die Zusammenberufung des Zollparlaments als keine vergeb¬ liche erscheinen zu lassen, so steht doch fest, daß das Scheitern der Tarifrevi'fion für die Regierungen schwer genug wog. um die Befriedigung über jene Er¬ rungenschaften in den Hintergrund zu drängen. Noch ungünstiger stellte sich das Verhältniß von Erwartungen und Resultaten für die im Norddeut¬ schen Bunde vertretenen Regierungen und ganz besonders für das Präsidium. Die neue Gewerbeordnung, der Militärvertrag mit Baden, das Gesetz über Beschlagnahme von Löhnen, das Oberhandelsgericht u. s. w. sind Errungen¬ schaften, welche für das Volk von eminenter Wichtigkeit sind und sein wer¬ den: sür den Bundesrath lag das Hauptinteresse der Session in dem Zu¬ standekommen jener „Maßregeln zur Verminderung der Matrikularbeilräge", welche sämmtlich zu Boden gefallen sind. Nichtsdestoweniger hat der Ton, der aus den beiden Thronreden herausklingt, andere Voraussetzungen, als Entmuthigung und Verdruß über gescheiterte Pläne und Hoffnungen, und wenn am Schluß der zweiten Rede ausdrücklich hervorgehoben wird, daß das Bundespräsidium die Haltung des Reichstags als eine entgegenkommende ansieht, so ist damit festeste Bürgschaft gegen das Rabengekrächz geboten, welches den seit nunmehr drei Jahren vergeblich erwarteten „großen Con¬ flict" als bereits vorhanden proclamirt hatte. Die Einzelverhandlungen beider parlamentarischer Körper haben sich, gerade wo es die entscheidenden Fragen galt, um eine solche Fülle techni¬ scher Details gedreht, daß an dieser Stelle von einem Generalurtheil ebenso wenig die Rede sein kann, wie von einem die allgemeinen Ge¬ sichtspunkte berührenden Ueberblick. Hervorgehoben muß nur werden, daß das Scheitern der Präsidialwünsche für die Tarisreform auf wesentlich anderen Ursachen beruht, wie die Abwerfung der dem Reichstage vor¬ gelegten Steuervorlagen. Die Erklärung des Präsidiums, sie macht die Petroleumsteuer zur Oonäitio sins pus. von der Tarifreform, schnitt die weiteren Verhandlungen über diese Frage in einem Zeitpunkt ab, in welchem von der Mehrzahl der Parlamentsglieder an der Möglichkeit einer Verständi¬ gung festgehalten wurde. Die Verhandlungen mit dem nächsten Landtage werden zeigen, ob man wohl daran gethan, mit einer so raschen Entschließung vorzugehen und dem 21. Juni den Schluß des Zollparlaments auf den Fuß folgen zu lassen. Mit Ädr. SV beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal, welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬ ziehen ist. Leipzig, im Juni 1869.Die Verlagshandlung. Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Cckardt. Verlag von F. L. Herbig. — Druck von Hüthel H Segler in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/528>, abgerufen am 04.05.2024.