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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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eines Gutes weiß am besten, was demselben frommt, ob es besser von einem
Sohne ungetheilt fortbewirthschaftet werden kann, oder von zweien getheilt,
und wie hoch er belastet werden darf, ohne daß ein schwunghafter Betrieb
unmöglich wird u. s. w.

Der Werth des Grundeigenthums ist notorisch während der letzten Ge¬
neration sehr gestiegen, gleichwohl sind die Klagen der Grundeigenthümer
jetzt allgemein. Das beruht nun allerdings auf gar mannigfachen Gründen,
aber einer der wesentlichsten liegt in unserm Erbrecht, das Steigen der Boden¬
renke kann unmöglich Schritt halten mit der wachsenden Zahl derer, die
davon als Rentner leben wollen. In den adligen Familien übernimmt meist
der älteste Sohn das Gut, aber für die anderen Geschwister werden Hypo¬
theken bis zu einem Betrag eingetragen, welcher jede gewinnreiche Bewirth-
schaftung unmöglich macht. Diesem ungesunden Zustande würde sehr bald
abgeholfen werden, wenn man Freiheit letztwilliger Verfügung für Im¬
mobilien gäbe und andrerseits das Recht aufhöbe, durch Majorate, Fidei-
eommisse und Substitutionen noch künftige Geschlechter zu fesseln. "Allein
die freie Verfügung über das Grundeigenthum", sagt Lette, "wozu ebensowohl
die Verkleinerung wie die Vergrößerung desselben gehört, hebt das Princip
der Ausgleichung und Versöhnung zwischen großem und kleinem Grundbesitz,
zwischen Arm und Reich auf." Wir setzen hinzu: allein diese Freiheit wird
uns dazu helfen, die politischen Gentlemen, die unabhängigen Gutsbesitzer
herauszubilden, deren wir so nothwendig bedürfen, wenn die Selbstverwaltung
bei uns eine Wahrheit werden soll.




Wer Entwurf eines norddeutschen Strafgesetzbuches.

Wie weit innerhalb wie außerhalb Deutschlands die Urtheile über den
norddeutschen Bund und den Werth seiner Institutionen auseinander gehen
mögen, so viel werden ihm auch seine erbitterten Gegner zugestehen müssen,
daß er in der kurzen Zeit seines Bestehens für die Förderung der Rechts¬
einheit Deutschlands Außerordentliches geleistet hat. Die Raschheit und
Energie, mit welcher der Bund von der ihm zustehenden gesetzgebenden Ge¬
walt Gebrauch macht, hat bereits Besorgnisse wach gerufen, die in den Land¬
tagsversammlungen der beiden größten Bundesstaaten zu lauten Demonstra¬
tionen geführt haben. Während man sich in Dresden noch damit begnügt,
durch ein "bis hierher und nicht weiter" den Bund warnend an die Grenzen


eines Gutes weiß am besten, was demselben frommt, ob es besser von einem
Sohne ungetheilt fortbewirthschaftet werden kann, oder von zweien getheilt,
und wie hoch er belastet werden darf, ohne daß ein schwunghafter Betrieb
unmöglich wird u. s. w.

Der Werth des Grundeigenthums ist notorisch während der letzten Ge¬
neration sehr gestiegen, gleichwohl sind die Klagen der Grundeigenthümer
jetzt allgemein. Das beruht nun allerdings auf gar mannigfachen Gründen,
aber einer der wesentlichsten liegt in unserm Erbrecht, das Steigen der Boden¬
renke kann unmöglich Schritt halten mit der wachsenden Zahl derer, die
davon als Rentner leben wollen. In den adligen Familien übernimmt meist
der älteste Sohn das Gut, aber für die anderen Geschwister werden Hypo¬
theken bis zu einem Betrag eingetragen, welcher jede gewinnreiche Bewirth-
schaftung unmöglich macht. Diesem ungesunden Zustande würde sehr bald
abgeholfen werden, wenn man Freiheit letztwilliger Verfügung für Im¬
mobilien gäbe und andrerseits das Recht aufhöbe, durch Majorate, Fidei-
eommisse und Substitutionen noch künftige Geschlechter zu fesseln. „Allein
die freie Verfügung über das Grundeigenthum", sagt Lette, „wozu ebensowohl
die Verkleinerung wie die Vergrößerung desselben gehört, hebt das Princip
der Ausgleichung und Versöhnung zwischen großem und kleinem Grundbesitz,
zwischen Arm und Reich auf." Wir setzen hinzu: allein diese Freiheit wird
uns dazu helfen, die politischen Gentlemen, die unabhängigen Gutsbesitzer
herauszubilden, deren wir so nothwendig bedürfen, wenn die Selbstverwaltung
bei uns eine Wahrheit werden soll.




Wer Entwurf eines norddeutschen Strafgesetzbuches.

Wie weit innerhalb wie außerhalb Deutschlands die Urtheile über den
norddeutschen Bund und den Werth seiner Institutionen auseinander gehen
mögen, so viel werden ihm auch seine erbitterten Gegner zugestehen müssen,
daß er in der kurzen Zeit seines Bestehens für die Förderung der Rechts¬
einheit Deutschlands Außerordentliches geleistet hat. Die Raschheit und
Energie, mit welcher der Bund von der ihm zustehenden gesetzgebenden Ge¬
walt Gebrauch macht, hat bereits Besorgnisse wach gerufen, die in den Land¬
tagsversammlungen der beiden größten Bundesstaaten zu lauten Demonstra¬
tionen geführt haben. Während man sich in Dresden noch damit begnügt,
durch ein „bis hierher und nicht weiter" den Bund warnend an die Grenzen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/184>, abgerufen am 28.04.2024.