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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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III. Ihn zu Geßnern zu schicken, wo er die bestellten Bücher über¬
nehmen soll.

IV. Dem Knaben, der mir aufwartete, zu sagen, daß er sich bei dem
Huthmacher, der Geßnern gegenüber wohnt, meinen alten von mir dort ab¬
gelegten Huth hohlen soll.

V. Mich unaufhörlich herzlich zu lieben, wie in der ersten Stunde unse-
res Wiedersehens. Heinrich Kleist."


II.

Aus einem Briefe Heinrich Geßners an Heinrich Zschokke, datirt: Auf
dem Schlößli bey Bern den 20. October 1802.

In den Unruhen, welche vor dem Wiedererscheinen der französischen
Truppen, dem dann die Napoleonische Vermittelungsurkunde folgte, zu Bern
ausgebrochen waren, war H. Geßners Buchdruckerei zu Bern versiegelt
worden und wurde ihm vom General von Wattenwyl der Befehl ertheilt, die
Stadt zu verlassen. Er leistete Widerstand und konnte schließlich bleiben,
anders aber ergieng es Ludwig Wieland.............
"An Bruder Louis aber übten die Herren ihre ganze Insolenz -- eines
Morgens wurde er zum Polizey-Director Wild gerufen, der ihm anzeigte,
auf allerhöchsten Befehl in Zeit 12 Stunden die Stadt zu räumen,
er erbat sich eine nähere Erklärung dieser einmaligen Verfügung, worauf
ihm Wild an den Chef der Militär-Polizey, Hrn. steck von Lenzburg, wies.
Nach öfterem Versuch, diesen mündlich zu sprechen, frug er ihn schriftlich und
erbat sich einen Paß auf Zürich, indem er nicht glaube, daß ihr Banissement
über die Grenze des Cantons sich erstrecke. Dieß war die einzige Pointe
des Billets. -- Gleich nachherkam Befehl, welcher wörtlich lautete: Ludwi.g
Wieland von Weimar soll innert zwey Stunden äußert der
Stadt seyn, sonst wird er durch Harschiere hinausgeführt,
unterzeichnet steck von Lenzburg. Diesem Befehle ward ein Paß
auf Basel beygelegt. Wie ein veus ex maenina -- fand sich Kleist und
seine Schwester, die eben über Neuchatel nach Jena*) reisen wollten, und
nun ihre Abreise mit Louis sogleich beschlossen -- ich erbat mir nun einen
Paß vom Unterstatthalter auf Neuchatel, sandte denselben ins General-
Quartier zum Unterzeichner, mit dem Bedeuten, daß Louis eine Gelegenheit
gefunden hätte in der berannten Zeit über Neuchatel zu verreisen, der
Leckersbub soll über Basel und in einer Stunde weg seyn und
zerrisen den zweyten Paß. Kleist entschloß sich, über Basel zu reisen



') In Zschokke's Selbstschau, wo ebenfalls von dieser Reise Kleist's die Rede ist, steht un¬
richtig Genua.

III. Ihn zu Geßnern zu schicken, wo er die bestellten Bücher über¬
nehmen soll.

IV. Dem Knaben, der mir aufwartete, zu sagen, daß er sich bei dem
Huthmacher, der Geßnern gegenüber wohnt, meinen alten von mir dort ab¬
gelegten Huth hohlen soll.

V. Mich unaufhörlich herzlich zu lieben, wie in der ersten Stunde unse-
res Wiedersehens. Heinrich Kleist."


II.

Aus einem Briefe Heinrich Geßners an Heinrich Zschokke, datirt: Auf
dem Schlößli bey Bern den 20. October 1802.

In den Unruhen, welche vor dem Wiedererscheinen der französischen
Truppen, dem dann die Napoleonische Vermittelungsurkunde folgte, zu Bern
ausgebrochen waren, war H. Geßners Buchdruckerei zu Bern versiegelt
worden und wurde ihm vom General von Wattenwyl der Befehl ertheilt, die
Stadt zu verlassen. Er leistete Widerstand und konnte schließlich bleiben,
anders aber ergieng es Ludwig Wieland.............
„An Bruder Louis aber übten die Herren ihre ganze Insolenz — eines
Morgens wurde er zum Polizey-Director Wild gerufen, der ihm anzeigte,
auf allerhöchsten Befehl in Zeit 12 Stunden die Stadt zu räumen,
er erbat sich eine nähere Erklärung dieser einmaligen Verfügung, worauf
ihm Wild an den Chef der Militär-Polizey, Hrn. steck von Lenzburg, wies.
Nach öfterem Versuch, diesen mündlich zu sprechen, frug er ihn schriftlich und
erbat sich einen Paß auf Zürich, indem er nicht glaube, daß ihr Banissement
über die Grenze des Cantons sich erstrecke. Dieß war die einzige Pointe
des Billets. — Gleich nachherkam Befehl, welcher wörtlich lautete: Ludwi.g
Wieland von Weimar soll innert zwey Stunden äußert der
Stadt seyn, sonst wird er durch Harschiere hinausgeführt,
unterzeichnet steck von Lenzburg. Diesem Befehle ward ein Paß
auf Basel beygelegt. Wie ein veus ex maenina — fand sich Kleist und
seine Schwester, die eben über Neuchatel nach Jena*) reisen wollten, und
nun ihre Abreise mit Louis sogleich beschlossen — ich erbat mir nun einen
Paß vom Unterstatthalter auf Neuchatel, sandte denselben ins General-
Quartier zum Unterzeichner, mit dem Bedeuten, daß Louis eine Gelegenheit
gefunden hätte in der berannten Zeit über Neuchatel zu verreisen, der
Leckersbub soll über Basel und in einer Stunde weg seyn und
zerrisen den zweyten Paß. Kleist entschloß sich, über Basel zu reisen



') In Zschokke's Selbstschau, wo ebenfalls von dieser Reise Kleist's die Rede ist, steht un¬
richtig Genua.
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[0251] III. Ihn zu Geßnern zu schicken, wo er die bestellten Bücher über¬ nehmen soll. IV. Dem Knaben, der mir aufwartete, zu sagen, daß er sich bei dem Huthmacher, der Geßnern gegenüber wohnt, meinen alten von mir dort ab¬ gelegten Huth hohlen soll. V. Mich unaufhörlich herzlich zu lieben, wie in der ersten Stunde unse- res Wiedersehens. Heinrich Kleist." II. Aus einem Briefe Heinrich Geßners an Heinrich Zschokke, datirt: Auf dem Schlößli bey Bern den 20. October 1802. In den Unruhen, welche vor dem Wiedererscheinen der französischen Truppen, dem dann die Napoleonische Vermittelungsurkunde folgte, zu Bern ausgebrochen waren, war H. Geßners Buchdruckerei zu Bern versiegelt worden und wurde ihm vom General von Wattenwyl der Befehl ertheilt, die Stadt zu verlassen. Er leistete Widerstand und konnte schließlich bleiben, anders aber ergieng es Ludwig Wieland............. „An Bruder Louis aber übten die Herren ihre ganze Insolenz — eines Morgens wurde er zum Polizey-Director Wild gerufen, der ihm anzeigte, auf allerhöchsten Befehl in Zeit 12 Stunden die Stadt zu räumen, er erbat sich eine nähere Erklärung dieser einmaligen Verfügung, worauf ihm Wild an den Chef der Militär-Polizey, Hrn. steck von Lenzburg, wies. Nach öfterem Versuch, diesen mündlich zu sprechen, frug er ihn schriftlich und erbat sich einen Paß auf Zürich, indem er nicht glaube, daß ihr Banissement über die Grenze des Cantons sich erstrecke. Dieß war die einzige Pointe des Billets. — Gleich nachherkam Befehl, welcher wörtlich lautete: Ludwi.g Wieland von Weimar soll innert zwey Stunden äußert der Stadt seyn, sonst wird er durch Harschiere hinausgeführt, unterzeichnet steck von Lenzburg. Diesem Befehle ward ein Paß auf Basel beygelegt. Wie ein veus ex maenina — fand sich Kleist und seine Schwester, die eben über Neuchatel nach Jena*) reisen wollten, und nun ihre Abreise mit Louis sogleich beschlossen — ich erbat mir nun einen Paß vom Unterstatthalter auf Neuchatel, sandte denselben ins General- Quartier zum Unterzeichner, mit dem Bedeuten, daß Louis eine Gelegenheit gefunden hätte in der berannten Zeit über Neuchatel zu verreisen, der Leckersbub soll über Basel und in einer Stunde weg seyn und zerrisen den zweyten Paß. Kleist entschloß sich, über Basel zu reisen ') In Zschokke's Selbstschau, wo ebenfalls von dieser Reise Kleist's die Rede ist, steht un¬ richtig Genua.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/251>, abgerufen am 28.04.2024.