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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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das könnte den Kauf beschleunigen, denn es flößt mir Vertrauen ein.^ Ueber-
dieß hat der Mann eines von den Gesichtern, denen ich zu trauen pflege,
man mag die Physiognomik schelten, so viel man will. Damit will ich sagen,
daß ich so ziemlich gesinnt sei, fortan dem eigenen Lichte zu folgen. Denn
zuletzt muß man doch in der Welt an Rechtschaffenheit glauben, und alles
Fragen um Meinung und Rath kann uns davon nicht erlösen, weil wir doch
wenigstens an die Rechtschaffenheit dessen glauben müssen, den wir um Rath
fragen. -- Wie steht's mit Ihrer Lust zum Landleben? Wie stehts mit der
Schweizer-Regierung? Denn das hängt zusammen, und inniger als Sie mir
gesagt haben. Immer hoffe ich noch, Sie einmal irgendwo im Staate wieder
an der Spitze zu sehen, und nirgends, dünkt mich, wären Sie mehr an
Ihrer Stelle, als da. -- Was mich betrifft, wie die Bauern schreiben, so bin
ich, ernsthaft gesprochen, recht vergnügt, denn ich habe die alte Lust zur
Arbeit wiederbekommen. Wenn Sie mir einmal mit Geßnern die Freude
Ihres Besuches schenken werden, so geben Sie wohl acht auf ein Haus an
der Straße, an dem folgender Vers steht: "Ich komme, ich weiß nicht von
wo? Ich bin, ich weiß nicht, was? Ich fahre, ich weiß nicht, wohin? Mich
wundert, daß ich so fröhlich bin." -- Der Vers gefällt mir ungemein und
ich kann ihn nicht ohne Freude denken, wenn ich spatzieren gehe. Und das
thue ich oft und weit, denn die Natur ist*) hier, wie Sie wissen, mit Geist
gearbeitet und das ist ein erfreuliches Schauspiel für einen armen Kauz aus
Brandenburg, wo, wie Sie auch wissen, der Künstler**) bei der Arbeit ein¬
geschlummert zu sein scheint. Jetzt zwar sieht auch hier unter den Schnee¬
flocken die Natur wie eine 80jährige Frau aus, aber man sieht es***) ihr
doch an, daß sie in ihrer Jugend schön gewesen sein mag. -- Ihre Gesell¬
schaft vermisse ich hier sehr, denn außer den Güterverkäufern kenne ich nur
Wenige, etwa den Hauptmann Mülinen und seinen Hofmeister, angenehme
Männer. Die Leute glauben hier durchgängig, daß ich verliebt sei. Bis
jetzt aber bin ich es noch in keiner (sie) Jungfrau, als etwa höchstens in
die, deren Stirne mir den Abendstrahl der Sonne zurückwirft, wenn ich am
Ufer des Thuner Sees stehe. -- Nun genug des Geschwätzes. Hier folgen
die Bitten.

I. Ich bitte dem Ueberbringer dieses, Fuhrmann B.-j-), den Koffer aus
Basel, wenn er im Kaufhause angelangt sein sollte, zu übergeben.

II. Ihn in meine ehemalige Wohnung zu schicken, wo er noch einen
Koffer, einen Rock, und einige Wäsche in Empfang nehmen soll.






") Nicht: hat, wie in der Selbstschau gedruckt ist.
") Nicht: die Künstlerin.
"
"Es fehlt in der Selbstschau.
5) Unleserlich.

das könnte den Kauf beschleunigen, denn es flößt mir Vertrauen ein.^ Ueber-
dieß hat der Mann eines von den Gesichtern, denen ich zu trauen pflege,
man mag die Physiognomik schelten, so viel man will. Damit will ich sagen,
daß ich so ziemlich gesinnt sei, fortan dem eigenen Lichte zu folgen. Denn
zuletzt muß man doch in der Welt an Rechtschaffenheit glauben, und alles
Fragen um Meinung und Rath kann uns davon nicht erlösen, weil wir doch
wenigstens an die Rechtschaffenheit dessen glauben müssen, den wir um Rath
fragen. — Wie steht's mit Ihrer Lust zum Landleben? Wie stehts mit der
Schweizer-Regierung? Denn das hängt zusammen, und inniger als Sie mir
gesagt haben. Immer hoffe ich noch, Sie einmal irgendwo im Staate wieder
an der Spitze zu sehen, und nirgends, dünkt mich, wären Sie mehr an
Ihrer Stelle, als da. — Was mich betrifft, wie die Bauern schreiben, so bin
ich, ernsthaft gesprochen, recht vergnügt, denn ich habe die alte Lust zur
Arbeit wiederbekommen. Wenn Sie mir einmal mit Geßnern die Freude
Ihres Besuches schenken werden, so geben Sie wohl acht auf ein Haus an
der Straße, an dem folgender Vers steht: „Ich komme, ich weiß nicht von
wo? Ich bin, ich weiß nicht, was? Ich fahre, ich weiß nicht, wohin? Mich
wundert, daß ich so fröhlich bin." — Der Vers gefällt mir ungemein und
ich kann ihn nicht ohne Freude denken, wenn ich spatzieren gehe. Und das
thue ich oft und weit, denn die Natur ist*) hier, wie Sie wissen, mit Geist
gearbeitet und das ist ein erfreuliches Schauspiel für einen armen Kauz aus
Brandenburg, wo, wie Sie auch wissen, der Künstler**) bei der Arbeit ein¬
geschlummert zu sein scheint. Jetzt zwar sieht auch hier unter den Schnee¬
flocken die Natur wie eine 80jährige Frau aus, aber man sieht es***) ihr
doch an, daß sie in ihrer Jugend schön gewesen sein mag. — Ihre Gesell¬
schaft vermisse ich hier sehr, denn außer den Güterverkäufern kenne ich nur
Wenige, etwa den Hauptmann Mülinen und seinen Hofmeister, angenehme
Männer. Die Leute glauben hier durchgängig, daß ich verliebt sei. Bis
jetzt aber bin ich es noch in keiner (sie) Jungfrau, als etwa höchstens in
die, deren Stirne mir den Abendstrahl der Sonne zurückwirft, wenn ich am
Ufer des Thuner Sees stehe. — Nun genug des Geschwätzes. Hier folgen
die Bitten.

I. Ich bitte dem Ueberbringer dieses, Fuhrmann B.-j-), den Koffer aus
Basel, wenn er im Kaufhause angelangt sein sollte, zu übergeben.

II. Ihn in meine ehemalige Wohnung zu schicken, wo er noch einen
Koffer, einen Rock, und einige Wäsche in Empfang nehmen soll.






") Nicht: hat, wie in der Selbstschau gedruckt ist.
") Nicht: die Künstlerin.
"
„Es fehlt in der Selbstschau.
5) Unleserlich.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/250>, abgerufen am 09.05.2024.