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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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politischer Monatsbericht.

X

Die letzten Wochen haben auf Preußens Beziehungen zu den übrigen
europäischen Großmächten und namentlich zu Nußland ein Licht geworfen,
dessen Klarheit wir, wenigstens zum großen Theil, preußenfeindlichen Dunkel-
männern zu danken haben. Der Besuch des Kronprinzen in Wien, das Zu-
sammentreffen des Fürsten Gortschakow mit Herrn v. Beust und die Sendung
des General Fleury nach Petersburg hatten die Möglichkeit einer veränderten
diplomatischen Lage indicirt und sofort trafen von der Moskwa bis zur Donau
und Seine alle Feinde unserer nationalen Sache in dem Bestreben zu¬
sammen, Preußens Stellung zu den übrigen Mächten als eine isolirte und
unheilschwangere zu bezeichnen. Wiener und Pariser Blätter brachten ge¬
heimnißvolle Andeutungen darüber, daß etwas im Werk sei, daß Frank-
reich und Rußland an dem türkisch egyptischen Conflict und dem dalmatini¬
schen Aufstande Gelegenheit genommen hätten, ihre Interessen in Einklang
zu setzen und die Spitze derselben gegen die Berliner Regierung zu richten.
Alte und neue Freunde in Dresden, Leipzig, Cassel u. s. w. trugen dafür
Sorge, daß diese erfreulichen Neuigkeiten an die rechten Adressen kamen und
von Moskau aus wurde ihnen nach Kräften fecundirt. Den Wünschen der
nationalen russischen Demokratie, welche eben einen Hauptsturm gegen die
gemäßigten General-Gouverneure der ehemals polnischen Länder vorbereitete,
konnte Nichts gelegener sein, als eine gleichzeitige Wendung in der aus¬
wärtigen Politik. Preußens imposanter Machtentfaltung hemmend in den
Weg zutreten, die Eisenbahnprojecte zu hintertreiben, welche unsere Ostsee-
Provinzen mit den russischen Grenzländern in ausgiebigere Handelsbeziehung
setzen sollten und im Bunde mit Frankreich den Khedive gegen die loyalen
Forderungen der Pfordte unterstützen -- die Verwirklichung dieser Pläne
hätte ein treffliches Complement zu jener inneren Politik abgegeben, welche
in der Zerstörung der westeuropäischen Culturelemente eine Siegesbürgschaft
für die gewünschte "rein-nationale" Entwickelung sieht. -- Der all' zu leb¬
hafte Eifer der Männer, welche sich zu diesem Werk die Hände reichten, hat
das bereits gelegte Fundament desselben wieder zerstört und die russische Re¬
gierung veranlaßt, durch die That zu beweisen, daß man sich in ihr ver¬
rechnet habe. Mit der Verleihung des höchsten russischen Militärordeus an
den König von Preußen, war in der auswärtigen Politik Rußlands ein
ebenso deutliches Wort gesagt, wie in der inneren.


Grenzboten IV. 1869. . 61
politischer Monatsbericht.

X

Die letzten Wochen haben auf Preußens Beziehungen zu den übrigen
europäischen Großmächten und namentlich zu Nußland ein Licht geworfen,
dessen Klarheit wir, wenigstens zum großen Theil, preußenfeindlichen Dunkel-
männern zu danken haben. Der Besuch des Kronprinzen in Wien, das Zu-
sammentreffen des Fürsten Gortschakow mit Herrn v. Beust und die Sendung
des General Fleury nach Petersburg hatten die Möglichkeit einer veränderten
diplomatischen Lage indicirt und sofort trafen von der Moskwa bis zur Donau
und Seine alle Feinde unserer nationalen Sache in dem Bestreben zu¬
sammen, Preußens Stellung zu den übrigen Mächten als eine isolirte und
unheilschwangere zu bezeichnen. Wiener und Pariser Blätter brachten ge¬
heimnißvolle Andeutungen darüber, daß etwas im Werk sei, daß Frank-
reich und Rußland an dem türkisch egyptischen Conflict und dem dalmatini¬
schen Aufstande Gelegenheit genommen hätten, ihre Interessen in Einklang
zu setzen und die Spitze derselben gegen die Berliner Regierung zu richten.
Alte und neue Freunde in Dresden, Leipzig, Cassel u. s. w. trugen dafür
Sorge, daß diese erfreulichen Neuigkeiten an die rechten Adressen kamen und
von Moskau aus wurde ihnen nach Kräften fecundirt. Den Wünschen der
nationalen russischen Demokratie, welche eben einen Hauptsturm gegen die
gemäßigten General-Gouverneure der ehemals polnischen Länder vorbereitete,
konnte Nichts gelegener sein, als eine gleichzeitige Wendung in der aus¬
wärtigen Politik. Preußens imposanter Machtentfaltung hemmend in den
Weg zutreten, die Eisenbahnprojecte zu hintertreiben, welche unsere Ostsee-
Provinzen mit den russischen Grenzländern in ausgiebigere Handelsbeziehung
setzen sollten und im Bunde mit Frankreich den Khedive gegen die loyalen
Forderungen der Pfordte unterstützen — die Verwirklichung dieser Pläne
hätte ein treffliches Complement zu jener inneren Politik abgegeben, welche
in der Zerstörung der westeuropäischen Culturelemente eine Siegesbürgschaft
für die gewünschte „rein-nationale" Entwickelung sieht. — Der all' zu leb¬
hafte Eifer der Männer, welche sich zu diesem Werk die Hände reichten, hat
das bereits gelegte Fundament desselben wieder zerstört und die russische Re¬
gierung veranlaßt, durch die That zu beweisen, daß man sich in ihr ver¬
rechnet habe. Mit der Verleihung des höchsten russischen Militärordeus an
den König von Preußen, war in der auswärtigen Politik Rußlands ein
ebenso deutliches Wort gesagt, wie in der inneren.


Grenzboten IV. 1869. . 61
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[0489] politischer Monatsbericht. X Die letzten Wochen haben auf Preußens Beziehungen zu den übrigen europäischen Großmächten und namentlich zu Nußland ein Licht geworfen, dessen Klarheit wir, wenigstens zum großen Theil, preußenfeindlichen Dunkel- männern zu danken haben. Der Besuch des Kronprinzen in Wien, das Zu- sammentreffen des Fürsten Gortschakow mit Herrn v. Beust und die Sendung des General Fleury nach Petersburg hatten die Möglichkeit einer veränderten diplomatischen Lage indicirt und sofort trafen von der Moskwa bis zur Donau und Seine alle Feinde unserer nationalen Sache in dem Bestreben zu¬ sammen, Preußens Stellung zu den übrigen Mächten als eine isolirte und unheilschwangere zu bezeichnen. Wiener und Pariser Blätter brachten ge¬ heimnißvolle Andeutungen darüber, daß etwas im Werk sei, daß Frank- reich und Rußland an dem türkisch egyptischen Conflict und dem dalmatini¬ schen Aufstande Gelegenheit genommen hätten, ihre Interessen in Einklang zu setzen und die Spitze derselben gegen die Berliner Regierung zu richten. Alte und neue Freunde in Dresden, Leipzig, Cassel u. s. w. trugen dafür Sorge, daß diese erfreulichen Neuigkeiten an die rechten Adressen kamen und von Moskau aus wurde ihnen nach Kräften fecundirt. Den Wünschen der nationalen russischen Demokratie, welche eben einen Hauptsturm gegen die gemäßigten General-Gouverneure der ehemals polnischen Länder vorbereitete, konnte Nichts gelegener sein, als eine gleichzeitige Wendung in der aus¬ wärtigen Politik. Preußens imposanter Machtentfaltung hemmend in den Weg zutreten, die Eisenbahnprojecte zu hintertreiben, welche unsere Ostsee- Provinzen mit den russischen Grenzländern in ausgiebigere Handelsbeziehung setzen sollten und im Bunde mit Frankreich den Khedive gegen die loyalen Forderungen der Pfordte unterstützen — die Verwirklichung dieser Pläne hätte ein treffliches Complement zu jener inneren Politik abgegeben, welche in der Zerstörung der westeuropäischen Culturelemente eine Siegesbürgschaft für die gewünschte „rein-nationale" Entwickelung sieht. — Der all' zu leb¬ hafte Eifer der Männer, welche sich zu diesem Werk die Hände reichten, hat das bereits gelegte Fundament desselben wieder zerstört und die russische Re¬ gierung veranlaßt, durch die That zu beweisen, daß man sich in ihr ver¬ rechnet habe. Mit der Verleihung des höchsten russischen Militärordeus an den König von Preußen, war in der auswärtigen Politik Rußlands ein ebenso deutliches Wort gesagt, wie in der inneren. Grenzboten IV. 1869. . 61

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/489>, abgerufen am 28.04.2024.