Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Stettin) -- und ihnen außer den angegebenen Strafsachen auch diejenigen Civil¬
rechtsfälle zuweist, bei denen nautische Sachkunde unentbehrlich ist, und wenn
man ihre Mitglieder sonst in Anspruch nimmt, so oft eben diese Sachkunde
den regierenden oder gesetzgebenden Gewalten fehlt. Etwa übrigbleibende
Mußestunden werden uns dann mit der Zeit vielleicht zu einem Stück nau¬
tischer Literatur verhelfen, mit der wir hinter den großen seefahrenden Völ¬
kern nicht allein, sondern selbst hinter den kleinen, wie Holland oder Däne¬
mark, bisher erheblich zurückgeblieben sind.




Die Hörigkeit der Frau.

Ms suhjsction c"l vomon dz^ -lohn Lenard Ritt. I^onäon 1869. Die Hörigkeit
der Finn von I. Se. Mill, aus dem Englische" übersetzt von Jenny Hirsch.
Berlin 186S.

Diese Blätter haben mit warmem Interesse die Bestrebungen unserer
Tage verfolgt, das Loos der Frauen zu verbessern, Unbilligkeiten der, Gesetze
und der Sitte zu beseitigen, unter denen sie noch leiden, und ihnen neue Berufs¬
wege zu eröffnen. Es muß daher die Aufmerksamkeit derselben erregen, wenn
einer der ersten Nationalöconomen und Philosophen der Gegenwart das Wort
in dieser Sache nimmt. Freilich können wir dabei von vornherein das Bedenken
nicht unterdrücken, daß Mill schon in seinem epochemachenden Werke über
politische Oeconomie sich in manchen Punkten socialistischen Auffassungen zu¬
neigte, daß er mit seiner kurzen parlamentarischen Thätigkeit, trotz der scharfen
logischen Beredsamkeit, mit der er mehrmals Disraeli's doppelzüngige Tactik
siegreich angriff, thatsächlich Fiasco gemacht hat und daß er namentlich zuletzt
in der irischen Landfrage mit einem wilden agrarischen Project hervortrat, dem
es wesentlich zuzuschreiben ist, daß er in den vorjährigen Wahlen seinen Sitz
für Westminster verlor. Diese Bedenken gegen Mill's staatsmännische Be¬
gabung aber können durch sein neuestes Werk nur gesteigert werden und
wir glauben, daß dasselbe der Sache, die es vertritt, mehr Schaden als Nutzen
bringen wird.

Er schildert uns den Zustand der Frauen in unserer civilisirten Gesell¬
schaft als den vollständiger Sclaverei, er saßt ihre Unterordnung unter die
Männer als planvolle Unterdrückung auf, die von Adams und Evas Zeiten
bis auf diese Tage dauert; es ist ein Despotismus, der sich nicht wie die
Leibeigenschaft oder Sclaverei auf einzelne Länder beschränkt, sondern der die


Stettin) — und ihnen außer den angegebenen Strafsachen auch diejenigen Civil¬
rechtsfälle zuweist, bei denen nautische Sachkunde unentbehrlich ist, und wenn
man ihre Mitglieder sonst in Anspruch nimmt, so oft eben diese Sachkunde
den regierenden oder gesetzgebenden Gewalten fehlt. Etwa übrigbleibende
Mußestunden werden uns dann mit der Zeit vielleicht zu einem Stück nau¬
tischer Literatur verhelfen, mit der wir hinter den großen seefahrenden Völ¬
kern nicht allein, sondern selbst hinter den kleinen, wie Holland oder Däne¬
mark, bisher erheblich zurückgeblieben sind.




Die Hörigkeit der Frau.

Ms suhjsction c»l vomon dz^ -lohn Lenard Ritt. I^onäon 1869. Die Hörigkeit
der Finn von I. Se. Mill, aus dem Englische» übersetzt von Jenny Hirsch.
Berlin 186S.

Diese Blätter haben mit warmem Interesse die Bestrebungen unserer
Tage verfolgt, das Loos der Frauen zu verbessern, Unbilligkeiten der, Gesetze
und der Sitte zu beseitigen, unter denen sie noch leiden, und ihnen neue Berufs¬
wege zu eröffnen. Es muß daher die Aufmerksamkeit derselben erregen, wenn
einer der ersten Nationalöconomen und Philosophen der Gegenwart das Wort
in dieser Sache nimmt. Freilich können wir dabei von vornherein das Bedenken
nicht unterdrücken, daß Mill schon in seinem epochemachenden Werke über
politische Oeconomie sich in manchen Punkten socialistischen Auffassungen zu¬
neigte, daß er mit seiner kurzen parlamentarischen Thätigkeit, trotz der scharfen
logischen Beredsamkeit, mit der er mehrmals Disraeli's doppelzüngige Tactik
siegreich angriff, thatsächlich Fiasco gemacht hat und daß er namentlich zuletzt
in der irischen Landfrage mit einem wilden agrarischen Project hervortrat, dem
es wesentlich zuzuschreiben ist, daß er in den vorjährigen Wahlen seinen Sitz
für Westminster verlor. Diese Bedenken gegen Mill's staatsmännische Be¬
gabung aber können durch sein neuestes Werk nur gesteigert werden und
wir glauben, daß dasselbe der Sache, die es vertritt, mehr Schaden als Nutzen
bringen wird.

Er schildert uns den Zustand der Frauen in unserer civilisirten Gesell¬
schaft als den vollständiger Sclaverei, er saßt ihre Unterordnung unter die
Männer als planvolle Unterdrückung auf, die von Adams und Evas Zeiten
bis auf diese Tage dauert; es ist ein Despotismus, der sich nicht wie die
Leibeigenschaft oder Sclaverei auf einzelne Länder beschränkt, sondern der die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0512" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/122267"/>
          <p xml:id="ID_1446" prev="#ID_1445"> Stettin) &#x2014; und ihnen außer den angegebenen Strafsachen auch diejenigen Civil¬<lb/>
rechtsfälle zuweist, bei denen nautische Sachkunde unentbehrlich ist, und wenn<lb/>
man ihre Mitglieder sonst in Anspruch nimmt, so oft eben diese Sachkunde<lb/>
den regierenden oder gesetzgebenden Gewalten fehlt. Etwa übrigbleibende<lb/>
Mußestunden werden uns dann mit der Zeit vielleicht zu einem Stück nau¬<lb/>
tischer Literatur verhelfen, mit der wir hinter den großen seefahrenden Völ¬<lb/>
kern nicht allein, sondern selbst hinter den kleinen, wie Holland oder Däne¬<lb/>
mark, bisher erheblich zurückgeblieben sind.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Hörigkeit der Frau.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1447"> Ms suhjsction c»l vomon dz^ -lohn Lenard Ritt. I^onäon 1869. Die Hörigkeit<lb/>
der Finn von I. Se. Mill, aus dem Englische» übersetzt von Jenny Hirsch.<lb/>
Berlin 186S.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1448"> Diese Blätter haben mit warmem Interesse die Bestrebungen unserer<lb/>
Tage verfolgt, das Loos der Frauen zu verbessern, Unbilligkeiten der, Gesetze<lb/>
und der Sitte zu beseitigen, unter denen sie noch leiden, und ihnen neue Berufs¬<lb/>
wege zu eröffnen. Es muß daher die Aufmerksamkeit derselben erregen, wenn<lb/>
einer der ersten Nationalöconomen und Philosophen der Gegenwart das Wort<lb/>
in dieser Sache nimmt. Freilich können wir dabei von vornherein das Bedenken<lb/>
nicht unterdrücken, daß Mill schon in seinem epochemachenden Werke über<lb/>
politische Oeconomie sich in manchen Punkten socialistischen Auffassungen zu¬<lb/>
neigte, daß er mit seiner kurzen parlamentarischen Thätigkeit, trotz der scharfen<lb/>
logischen Beredsamkeit, mit der er mehrmals Disraeli's doppelzüngige Tactik<lb/>
siegreich angriff, thatsächlich Fiasco gemacht hat und daß er namentlich zuletzt<lb/>
in der irischen Landfrage mit einem wilden agrarischen Project hervortrat, dem<lb/>
es wesentlich zuzuschreiben ist, daß er in den vorjährigen Wahlen seinen Sitz<lb/>
für Westminster verlor. Diese Bedenken gegen Mill's staatsmännische Be¬<lb/>
gabung aber können durch sein neuestes Werk nur gesteigert werden und<lb/>
wir glauben, daß dasselbe der Sache, die es vertritt, mehr Schaden als Nutzen<lb/>
bringen wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1449" next="#ID_1450"> Er schildert uns den Zustand der Frauen in unserer civilisirten Gesell¬<lb/>
schaft als den vollständiger Sclaverei, er saßt ihre Unterordnung unter die<lb/>
Männer als planvolle Unterdrückung auf, die von Adams und Evas Zeiten<lb/>
bis auf diese Tage dauert; es ist ein Despotismus, der sich nicht wie die<lb/>
Leibeigenschaft oder Sclaverei auf einzelne Länder beschränkt, sondern der die</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0512] Stettin) — und ihnen außer den angegebenen Strafsachen auch diejenigen Civil¬ rechtsfälle zuweist, bei denen nautische Sachkunde unentbehrlich ist, und wenn man ihre Mitglieder sonst in Anspruch nimmt, so oft eben diese Sachkunde den regierenden oder gesetzgebenden Gewalten fehlt. Etwa übrigbleibende Mußestunden werden uns dann mit der Zeit vielleicht zu einem Stück nau¬ tischer Literatur verhelfen, mit der wir hinter den großen seefahrenden Völ¬ kern nicht allein, sondern selbst hinter den kleinen, wie Holland oder Däne¬ mark, bisher erheblich zurückgeblieben sind. Die Hörigkeit der Frau. Ms suhjsction c»l vomon dz^ -lohn Lenard Ritt. I^onäon 1869. Die Hörigkeit der Finn von I. Se. Mill, aus dem Englische» übersetzt von Jenny Hirsch. Berlin 186S. Diese Blätter haben mit warmem Interesse die Bestrebungen unserer Tage verfolgt, das Loos der Frauen zu verbessern, Unbilligkeiten der, Gesetze und der Sitte zu beseitigen, unter denen sie noch leiden, und ihnen neue Berufs¬ wege zu eröffnen. Es muß daher die Aufmerksamkeit derselben erregen, wenn einer der ersten Nationalöconomen und Philosophen der Gegenwart das Wort in dieser Sache nimmt. Freilich können wir dabei von vornherein das Bedenken nicht unterdrücken, daß Mill schon in seinem epochemachenden Werke über politische Oeconomie sich in manchen Punkten socialistischen Auffassungen zu¬ neigte, daß er mit seiner kurzen parlamentarischen Thätigkeit, trotz der scharfen logischen Beredsamkeit, mit der er mehrmals Disraeli's doppelzüngige Tactik siegreich angriff, thatsächlich Fiasco gemacht hat und daß er namentlich zuletzt in der irischen Landfrage mit einem wilden agrarischen Project hervortrat, dem es wesentlich zuzuschreiben ist, daß er in den vorjährigen Wahlen seinen Sitz für Westminster verlor. Diese Bedenken gegen Mill's staatsmännische Be¬ gabung aber können durch sein neuestes Werk nur gesteigert werden und wir glauben, daß dasselbe der Sache, die es vertritt, mehr Schaden als Nutzen bringen wird. Er schildert uns den Zustand der Frauen in unserer civilisirten Gesell¬ schaft als den vollständiger Sclaverei, er saßt ihre Unterordnung unter die Männer als planvolle Unterdrückung auf, die von Adams und Evas Zeiten bis auf diese Tage dauert; es ist ein Despotismus, der sich nicht wie die Leibeigenschaft oder Sclaverei auf einzelne Länder beschränkt, sondern der die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/512
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/512>, abgerufen am 28.04.2024.