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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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fländigkeit emporgeschwungen haben, dies bis jetzt wenigstens nur sehr aus¬
nahmsweise gethan haben, während sie die Thätigkeit der Vereine zur För¬
derung der Erwerbsthätigkeit des weiblichen Geschlechtes mit Freuden be¬
grüßten. Der Ruf nach weiblichem Stimmrecht geht fast überall (mit Aus¬
nahme Mill's) nur von Schriftstellerinnen aus und zwar solchen, deren
Leistungen noch nicht als Proben der von unserem Verfasser behaupteten Gleich¬
heit, geschweige der Ueberlegenheit des Weibes auf diesem Gebiete erscheinen.

Wir können unser Urtheil über Mill's Buch dahin zusammenfassen, daß
trotz allen Aufwandes von Geist und Scharfsinn es seinen eigentlichen Zweck
verfehlen muß und nur insofern fördern kann, als seine Widerlegung dazu
führt, die Frage in das richtige Licht zu stellen. Mill ignorirt die radicale
Verschiedenheit des physischen und deshalb auch des geistigen Organismus
von Mann und Weib, er erwartet eine Besserung von einer socialen Gesetz¬
gebung, welche auf eine Revolution hinauslaufen würde. Wir wollen nur
die unnatürlichen Schranken beseitigt sehen, welche Recht und Sitte der Ent¬
faltung der weiblichen Thätigkeit entgegenstellen; wir erwarten davon keine
plötzliche Befreiung, weil wir die behauptete Selaverei nicht zugeben, wohl
aber eine allmälige Abhilfe für die wirklichen Uebel und den langsamen, aber
sicheren Fortschritt, welcher Stein auf Stein fügt und damit hilft, das Ge¬
bäude einer besseren Zukunft seiner Vollendung entgegen zu führen.




Pascal und die VermittlMMtheologie.

Pascal, sein Leben und seine Kämpfe von Dr. I. G. Drevdorff, Pastor der
reform. Kirche zu Leipzig. Leipzig. Duncker und Humblot. 1870.

Zunächst als Zeugniß einer frischen vielverheißenden Kraft begrüßen
wir dieses Erstlingswerk des Verfassers,*) das nicht zu günstigerer Stunde
an die Oeffentlichkeit treten konnte. Eine Monographie über jene interessante
und vielbehandelte Episode der Kirchengeschichte, die sich an die Namen
Pascal, Port-Royal und Jansenismus knüpft, stellt es sich zugleich mit
herausforderndem Muthe mitten in die Kämpfe der Gegenwart. Im fröh¬
lichen Bewußtsein der guten Sache, sicher durch das gelehrte Rüstzeug wie
durch die Kunst der Waffenführung scheut es nicht zu gleicher Zeit mit



-> Früher erschien nur eine kleine Schrift: "Das System des Grafen Pico von Mircmdula"
Die Red. Marburg bei Elwert 18S8.

fländigkeit emporgeschwungen haben, dies bis jetzt wenigstens nur sehr aus¬
nahmsweise gethan haben, während sie die Thätigkeit der Vereine zur För¬
derung der Erwerbsthätigkeit des weiblichen Geschlechtes mit Freuden be¬
grüßten. Der Ruf nach weiblichem Stimmrecht geht fast überall (mit Aus¬
nahme Mill's) nur von Schriftstellerinnen aus und zwar solchen, deren
Leistungen noch nicht als Proben der von unserem Verfasser behaupteten Gleich¬
heit, geschweige der Ueberlegenheit des Weibes auf diesem Gebiete erscheinen.

Wir können unser Urtheil über Mill's Buch dahin zusammenfassen, daß
trotz allen Aufwandes von Geist und Scharfsinn es seinen eigentlichen Zweck
verfehlen muß und nur insofern fördern kann, als seine Widerlegung dazu
führt, die Frage in das richtige Licht zu stellen. Mill ignorirt die radicale
Verschiedenheit des physischen und deshalb auch des geistigen Organismus
von Mann und Weib, er erwartet eine Besserung von einer socialen Gesetz¬
gebung, welche auf eine Revolution hinauslaufen würde. Wir wollen nur
die unnatürlichen Schranken beseitigt sehen, welche Recht und Sitte der Ent¬
faltung der weiblichen Thätigkeit entgegenstellen; wir erwarten davon keine
plötzliche Befreiung, weil wir die behauptete Selaverei nicht zugeben, wohl
aber eine allmälige Abhilfe für die wirklichen Uebel und den langsamen, aber
sicheren Fortschritt, welcher Stein auf Stein fügt und damit hilft, das Ge¬
bäude einer besseren Zukunft seiner Vollendung entgegen zu führen.




Pascal und die VermittlMMtheologie.

Pascal, sein Leben und seine Kämpfe von Dr. I. G. Drevdorff, Pastor der
reform. Kirche zu Leipzig. Leipzig. Duncker und Humblot. 1870.

Zunächst als Zeugniß einer frischen vielverheißenden Kraft begrüßen
wir dieses Erstlingswerk des Verfassers,*) das nicht zu günstigerer Stunde
an die Oeffentlichkeit treten konnte. Eine Monographie über jene interessante
und vielbehandelte Episode der Kirchengeschichte, die sich an die Namen
Pascal, Port-Royal und Jansenismus knüpft, stellt es sich zugleich mit
herausforderndem Muthe mitten in die Kämpfe der Gegenwart. Im fröh¬
lichen Bewußtsein der guten Sache, sicher durch das gelehrte Rüstzeug wie
durch die Kunst der Waffenführung scheut es nicht zu gleicher Zeit mit



-> Früher erschien nur eine kleine Schrift: „Das System des Grafen Pico von Mircmdula"
Die Red. Marburg bei Elwert 18S8.
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[0519] fländigkeit emporgeschwungen haben, dies bis jetzt wenigstens nur sehr aus¬ nahmsweise gethan haben, während sie die Thätigkeit der Vereine zur För¬ derung der Erwerbsthätigkeit des weiblichen Geschlechtes mit Freuden be¬ grüßten. Der Ruf nach weiblichem Stimmrecht geht fast überall (mit Aus¬ nahme Mill's) nur von Schriftstellerinnen aus und zwar solchen, deren Leistungen noch nicht als Proben der von unserem Verfasser behaupteten Gleich¬ heit, geschweige der Ueberlegenheit des Weibes auf diesem Gebiete erscheinen. Wir können unser Urtheil über Mill's Buch dahin zusammenfassen, daß trotz allen Aufwandes von Geist und Scharfsinn es seinen eigentlichen Zweck verfehlen muß und nur insofern fördern kann, als seine Widerlegung dazu führt, die Frage in das richtige Licht zu stellen. Mill ignorirt die radicale Verschiedenheit des physischen und deshalb auch des geistigen Organismus von Mann und Weib, er erwartet eine Besserung von einer socialen Gesetz¬ gebung, welche auf eine Revolution hinauslaufen würde. Wir wollen nur die unnatürlichen Schranken beseitigt sehen, welche Recht und Sitte der Ent¬ faltung der weiblichen Thätigkeit entgegenstellen; wir erwarten davon keine plötzliche Befreiung, weil wir die behauptete Selaverei nicht zugeben, wohl aber eine allmälige Abhilfe für die wirklichen Uebel und den langsamen, aber sicheren Fortschritt, welcher Stein auf Stein fügt und damit hilft, das Ge¬ bäude einer besseren Zukunft seiner Vollendung entgegen zu führen. Pascal und die VermittlMMtheologie. Pascal, sein Leben und seine Kämpfe von Dr. I. G. Drevdorff, Pastor der reform. Kirche zu Leipzig. Leipzig. Duncker und Humblot. 1870. Zunächst als Zeugniß einer frischen vielverheißenden Kraft begrüßen wir dieses Erstlingswerk des Verfassers,*) das nicht zu günstigerer Stunde an die Oeffentlichkeit treten konnte. Eine Monographie über jene interessante und vielbehandelte Episode der Kirchengeschichte, die sich an die Namen Pascal, Port-Royal und Jansenismus knüpft, stellt es sich zugleich mit herausforderndem Muthe mitten in die Kämpfe der Gegenwart. Im fröh¬ lichen Bewußtsein der guten Sache, sicher durch das gelehrte Rüstzeug wie durch die Kunst der Waffenführung scheut es nicht zu gleicher Zeit mit -> Früher erschien nur eine kleine Schrift: „Das System des Grafen Pico von Mircmdula" Die Red. Marburg bei Elwert 18S8.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/519>, abgerufen am 28.04.2024.