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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Widmung und das Motto des Lothair sind ein neues Element des Wider¬
spruchs in diesem wunderbaren Charakter. Während Disraeli bisher die
Grundanschauung festhielt, die Torypartei müsse auf die Führung einer con"
servativen Demokratie hinarbeiten und demgemäß auch offen seine Sympa¬
thien für Napoleon III, bekannte, widmet er dies Buch dem Herzog von
Aumale, dessen Name allein ein constitutionelles Programm ist, mit dem
Terenticmischen Motto: "Msss omnia, Kaee salus sse aÄolescentuIis!"
Und Niemand wird wahrscheinlich sarkastischer der Bemühungen der Kritiker
spotten, diese Widersprüche zu versöhnen, als er selbst, denn wer Disraeli
näher kennt, kann schwerlich zu einer anderen Auffassung gelangen, als daß
er überhaupt keine Ueberzeugung hat und in allen Sätteln zu reiten weiß,
wenn es seinem Erfolge dienen kann.




"Korrespondenz aus Holland.

Das Grundgesetz des Königreichs der Niederlande bestimmt!, daß --
unter vielem anderen -- auch das Gesetz einer neuen Gerichtsorganisation in der
ersten Session der Kammern, die auf die Publication dieses Grundgesetzes
folgt, also im Laufe des Jahres 1849 oder spätestens in der darauf folgen-
den Sitzung zur Berarhschlagung kommen solle. Nach den vergeblichen Ver¬
suchen verschiedener Justizmtnister gelang es endlich im Jahre 1861 einem
derselben, die Köpfe all der Gesetzkundigen unserer Kammern trotz vielen
Widerstrebens unter einen Hut zu bringen, insofern sie sich mit einem durch
die Majorität angenommenen Gesetz zufrieden stellten. Die Publication
desselben wurde aber hinausgeschoben und immer wieder länger vertagt,
bis man endlich vor einigen Tagen von Seiten der zweiten Kammer mit
bedeutender Majorität gut gefunden hat, es wieder einzuziehen. Das po¬
litische Interesse dieser Sache ist nun zwar nicht sehr groß, aber es ist ein
sehr treffender Beitrag zur Schilderung der Zerfahrenheit, die bei uns in
mancher Beziehung herrscht.

Betrachten wir weiter einmal die letztve^flossenen Wochen der gesetzgebe,
rischen Thätigkeit unserer zweiten Kammer, so entrollt sich unsern Blicken
ein buntes Mosaikbild, dessen Farben durchweg nicht zu einander passen. Die
bedeutendsten Gesetze, die man votirt hat, waren: das agrarische Gesetz für
Ostindien, die Abschaffung der Todesstrafe in den Niederlanden, das Gesetz
zur Regulirung der Zuckerkultur auf Java, und dann folgt die Penelope-


Grenzboten lit. 1370. 14

Widmung und das Motto des Lothair sind ein neues Element des Wider¬
spruchs in diesem wunderbaren Charakter. Während Disraeli bisher die
Grundanschauung festhielt, die Torypartei müsse auf die Führung einer con«
servativen Demokratie hinarbeiten und demgemäß auch offen seine Sympa¬
thien für Napoleon III, bekannte, widmet er dies Buch dem Herzog von
Aumale, dessen Name allein ein constitutionelles Programm ist, mit dem
Terenticmischen Motto: „Msss omnia, Kaee salus sse aÄolescentuIis!"
Und Niemand wird wahrscheinlich sarkastischer der Bemühungen der Kritiker
spotten, diese Widersprüche zu versöhnen, als er selbst, denn wer Disraeli
näher kennt, kann schwerlich zu einer anderen Auffassung gelangen, als daß
er überhaupt keine Ueberzeugung hat und in allen Sätteln zu reiten weiß,
wenn es seinem Erfolge dienen kann.




«Korrespondenz aus Holland.

Das Grundgesetz des Königreichs der Niederlande bestimmt!, daß —
unter vielem anderen — auch das Gesetz einer neuen Gerichtsorganisation in der
ersten Session der Kammern, die auf die Publication dieses Grundgesetzes
folgt, also im Laufe des Jahres 1849 oder spätestens in der darauf folgen-
den Sitzung zur Berarhschlagung kommen solle. Nach den vergeblichen Ver¬
suchen verschiedener Justizmtnister gelang es endlich im Jahre 1861 einem
derselben, die Köpfe all der Gesetzkundigen unserer Kammern trotz vielen
Widerstrebens unter einen Hut zu bringen, insofern sie sich mit einem durch
die Majorität angenommenen Gesetz zufrieden stellten. Die Publication
desselben wurde aber hinausgeschoben und immer wieder länger vertagt,
bis man endlich vor einigen Tagen von Seiten der zweiten Kammer mit
bedeutender Majorität gut gefunden hat, es wieder einzuziehen. Das po¬
litische Interesse dieser Sache ist nun zwar nicht sehr groß, aber es ist ein
sehr treffender Beitrag zur Schilderung der Zerfahrenheit, die bei uns in
mancher Beziehung herrscht.

Betrachten wir weiter einmal die letztve^flossenen Wochen der gesetzgebe,
rischen Thätigkeit unserer zweiten Kammer, so entrollt sich unsern Blicken
ein buntes Mosaikbild, dessen Farben durchweg nicht zu einander passen. Die
bedeutendsten Gesetze, die man votirt hat, waren: das agrarische Gesetz für
Ostindien, die Abschaffung der Todesstrafe in den Niederlanden, das Gesetz
zur Regulirung der Zuckerkultur auf Java, und dann folgt die Penelope-


Grenzboten lit. 1370. 14
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[0113] Widmung und das Motto des Lothair sind ein neues Element des Wider¬ spruchs in diesem wunderbaren Charakter. Während Disraeli bisher die Grundanschauung festhielt, die Torypartei müsse auf die Führung einer con« servativen Demokratie hinarbeiten und demgemäß auch offen seine Sympa¬ thien für Napoleon III, bekannte, widmet er dies Buch dem Herzog von Aumale, dessen Name allein ein constitutionelles Programm ist, mit dem Terenticmischen Motto: „Msss omnia, Kaee salus sse aÄolescentuIis!" Und Niemand wird wahrscheinlich sarkastischer der Bemühungen der Kritiker spotten, diese Widersprüche zu versöhnen, als er selbst, denn wer Disraeli näher kennt, kann schwerlich zu einer anderen Auffassung gelangen, als daß er überhaupt keine Ueberzeugung hat und in allen Sätteln zu reiten weiß, wenn es seinem Erfolge dienen kann. «Korrespondenz aus Holland. Das Grundgesetz des Königreichs der Niederlande bestimmt!, daß — unter vielem anderen — auch das Gesetz einer neuen Gerichtsorganisation in der ersten Session der Kammern, die auf die Publication dieses Grundgesetzes folgt, also im Laufe des Jahres 1849 oder spätestens in der darauf folgen- den Sitzung zur Berarhschlagung kommen solle. Nach den vergeblichen Ver¬ suchen verschiedener Justizmtnister gelang es endlich im Jahre 1861 einem derselben, die Köpfe all der Gesetzkundigen unserer Kammern trotz vielen Widerstrebens unter einen Hut zu bringen, insofern sie sich mit einem durch die Majorität angenommenen Gesetz zufrieden stellten. Die Publication desselben wurde aber hinausgeschoben und immer wieder länger vertagt, bis man endlich vor einigen Tagen von Seiten der zweiten Kammer mit bedeutender Majorität gut gefunden hat, es wieder einzuziehen. Das po¬ litische Interesse dieser Sache ist nun zwar nicht sehr groß, aber es ist ein sehr treffender Beitrag zur Schilderung der Zerfahrenheit, die bei uns in mancher Beziehung herrscht. Betrachten wir weiter einmal die letztve^flossenen Wochen der gesetzgebe, rischen Thätigkeit unserer zweiten Kammer, so entrollt sich unsern Blicken ein buntes Mosaikbild, dessen Farben durchweg nicht zu einander passen. Die bedeutendsten Gesetze, die man votirt hat, waren: das agrarische Gesetz für Ostindien, die Abschaffung der Todesstrafe in den Niederlanden, das Gesetz zur Regulirung der Zuckerkultur auf Java, und dann folgt die Penelope- Grenzboten lit. 1370. 14

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/113>, abgerufen am 06.05.2024.