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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Kaufmann, der solvent bleiben will und dem andrerseits die auswärtigen Ri¬
messen ausbleiben, seine Mittel möglichst zusammenzuhalten; hat doch Bremen
nur ca. 800,000 Thlr. gezeichnet.

Von dem Jubel, den die ersten großen deutschen Siege hier hervorriefen,
ist es schwer eine genügende Beschreibung zu geben; schaarenweise stürzte die
vor der Börse versammelte Menge trotz des Verbots in die unteren Räume,
wenn der Telegraphenbote anlangte. Vorlesen, Vorlesen! erscholl der laute
Ruf und man ruhte nicht eher, bis einer der Herren oben an die Balustrade
trat und die Siegesbotschaft verkündete. Ich war Zeuge dieses Schauspiels,
als die Nachricht von der Schlacht bei Wörth eintraf und werde nie die
Hurrahsalven vergessen, welche der Vorlesung des Telegramms folgten; alle
öffentlichen Gebäude flaggten und Abends erglänzte das schöne Alsterbecken
in freiwilliger Illumination.

Die Tage stolzer Begeisterung, in denen wir jetzt stehen, mögen vorüber¬
gehen, aber sie behalten ihre dauernde Bedeutung für jeden Einzelnen wie
für das ganze Vaterland und so auch für Hamburg. 1814 war es die Ver¬
zweiflung, die uns das Schwert in die Hand drückte, um einem Zustand
ein Ende zu machen, in dem es nicht mehr werth schien, zu leben, heute fühlt
unsere Stadt, daß sie den festen nationalen Boden gewonnen hat, der ihr
früher fehlte, und daß die schweren, aber hoffentlich kurzen Opfer, die uns
dieser Krieg auferlegt, mit reichen Zinsen aufgewogen werden durch die Macht
und Blüthe, der Deutschland nach dem Siege entgegen geht.




Die Stimmung in Mecklenburg.

Als der königliche Erlaß veröffentlicht wurde, welcher den General
Vogel von Falkenstein als General-Gouverneur der Bezirke des ersten, zwei¬
ten, neunten und zehnten Armeecorps einsetzte, konnte man in preußischen
Blättern den Commentar dazu lesen, daß diese Bezirke die Provinzen Preußen,
Pommern, Schleswig-Holstein und Hannover umfaßten. Daß auch noch
verschiedene kleinere Staaten und unter diesen die beiden Großherzogthümer
Mecklenburg dazu gehörten, übersah man bei der noch immer aus Seiten
der preußischen Bevölkerung nicht ganz überwundenen Schwierigkeit, es sich
jederzeit gegenwärtig zu erhalten, daß Preußen seit der Gründung des
Norddeutschen Bundes in eine enge staatliche Gemeinschaft mit den übrigen


Kaufmann, der solvent bleiben will und dem andrerseits die auswärtigen Ri¬
messen ausbleiben, seine Mittel möglichst zusammenzuhalten; hat doch Bremen
nur ca. 800,000 Thlr. gezeichnet.

Von dem Jubel, den die ersten großen deutschen Siege hier hervorriefen,
ist es schwer eine genügende Beschreibung zu geben; schaarenweise stürzte die
vor der Börse versammelte Menge trotz des Verbots in die unteren Räume,
wenn der Telegraphenbote anlangte. Vorlesen, Vorlesen! erscholl der laute
Ruf und man ruhte nicht eher, bis einer der Herren oben an die Balustrade
trat und die Siegesbotschaft verkündete. Ich war Zeuge dieses Schauspiels,
als die Nachricht von der Schlacht bei Wörth eintraf und werde nie die
Hurrahsalven vergessen, welche der Vorlesung des Telegramms folgten; alle
öffentlichen Gebäude flaggten und Abends erglänzte das schöne Alsterbecken
in freiwilliger Illumination.

Die Tage stolzer Begeisterung, in denen wir jetzt stehen, mögen vorüber¬
gehen, aber sie behalten ihre dauernde Bedeutung für jeden Einzelnen wie
für das ganze Vaterland und so auch für Hamburg. 1814 war es die Ver¬
zweiflung, die uns das Schwert in die Hand drückte, um einem Zustand
ein Ende zu machen, in dem es nicht mehr werth schien, zu leben, heute fühlt
unsere Stadt, daß sie den festen nationalen Boden gewonnen hat, der ihr
früher fehlte, und daß die schweren, aber hoffentlich kurzen Opfer, die uns
dieser Krieg auferlegt, mit reichen Zinsen aufgewogen werden durch die Macht
und Blüthe, der Deutschland nach dem Siege entgegen geht.




Die Stimmung in Mecklenburg.

Als der königliche Erlaß veröffentlicht wurde, welcher den General
Vogel von Falkenstein als General-Gouverneur der Bezirke des ersten, zwei¬
ten, neunten und zehnten Armeecorps einsetzte, konnte man in preußischen
Blättern den Commentar dazu lesen, daß diese Bezirke die Provinzen Preußen,
Pommern, Schleswig-Holstein und Hannover umfaßten. Daß auch noch
verschiedene kleinere Staaten und unter diesen die beiden Großherzogthümer
Mecklenburg dazu gehörten, übersah man bei der noch immer aus Seiten
der preußischen Bevölkerung nicht ganz überwundenen Schwierigkeit, es sich
jederzeit gegenwärtig zu erhalten, daß Preußen seit der Gründung des
Norddeutschen Bundes in eine enge staatliche Gemeinschaft mit den übrigen


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[0312] Kaufmann, der solvent bleiben will und dem andrerseits die auswärtigen Ri¬ messen ausbleiben, seine Mittel möglichst zusammenzuhalten; hat doch Bremen nur ca. 800,000 Thlr. gezeichnet. Von dem Jubel, den die ersten großen deutschen Siege hier hervorriefen, ist es schwer eine genügende Beschreibung zu geben; schaarenweise stürzte die vor der Börse versammelte Menge trotz des Verbots in die unteren Räume, wenn der Telegraphenbote anlangte. Vorlesen, Vorlesen! erscholl der laute Ruf und man ruhte nicht eher, bis einer der Herren oben an die Balustrade trat und die Siegesbotschaft verkündete. Ich war Zeuge dieses Schauspiels, als die Nachricht von der Schlacht bei Wörth eintraf und werde nie die Hurrahsalven vergessen, welche der Vorlesung des Telegramms folgten; alle öffentlichen Gebäude flaggten und Abends erglänzte das schöne Alsterbecken in freiwilliger Illumination. Die Tage stolzer Begeisterung, in denen wir jetzt stehen, mögen vorüber¬ gehen, aber sie behalten ihre dauernde Bedeutung für jeden Einzelnen wie für das ganze Vaterland und so auch für Hamburg. 1814 war es die Ver¬ zweiflung, die uns das Schwert in die Hand drückte, um einem Zustand ein Ende zu machen, in dem es nicht mehr werth schien, zu leben, heute fühlt unsere Stadt, daß sie den festen nationalen Boden gewonnen hat, der ihr früher fehlte, und daß die schweren, aber hoffentlich kurzen Opfer, die uns dieser Krieg auferlegt, mit reichen Zinsen aufgewogen werden durch die Macht und Blüthe, der Deutschland nach dem Siege entgegen geht. Die Stimmung in Mecklenburg. Als der königliche Erlaß veröffentlicht wurde, welcher den General Vogel von Falkenstein als General-Gouverneur der Bezirke des ersten, zwei¬ ten, neunten und zehnten Armeecorps einsetzte, konnte man in preußischen Blättern den Commentar dazu lesen, daß diese Bezirke die Provinzen Preußen, Pommern, Schleswig-Holstein und Hannover umfaßten. Daß auch noch verschiedene kleinere Staaten und unter diesen die beiden Großherzogthümer Mecklenburg dazu gehörten, übersah man bei der noch immer aus Seiten der preußischen Bevölkerung nicht ganz überwundenen Schwierigkeit, es sich jederzeit gegenwärtig zu erhalten, daß Preußen seit der Gründung des Norddeutschen Bundes in eine enge staatliche Gemeinschaft mit den übrigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/312>, abgerufen am 06.05.2024.