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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Das ist seit 1866 anders geworden, der Bund dessen Mitglied Hamburg
ist, war im Kriege, unsre Söhne standen in der nationalen Armee, in der
Bundeshauptstadt, wo unser Vertreter im Bundesrath saß, wurde bestimmt,
was zu thun sei. Da war keine lange Berathschlagung mehr, ob es an der
Zeit sei, die Seezeichen an der Elbmündung aufzunehmen, wann dem
französischen Gesandten die Pässe zuzustellen seien u. s. w.: die Ordres kamen
aus Berlin und wurden rasch und umsichtig ausgeführt. Hunderte von
Schanzarbeitern wurden nach Curhaven gesandt, 28 Schiffe requirirt, um
eventuell den Franzosen durch Versenkung die Elbe zu sperren, eine Schiffbrücke
über die beiden Arme des Flusses Mrd in wenigen Tagen gebaut, alle Fischer¬
netze wurden nach Kiel gesandt, um den Eingang des dortigen Hafens zu
sperren. Die Mobilmachung wurde ruhig und pünktlich vollzogen, von allen
Seiten stürmten die jungen Wehrpflichtigen aus der Fremde herbei, die von
Hamburg gestellten Mobilmachungspferde wurden bei der Abnahme so vortreff¬
lich befunden, daß man sie sämmtlich für Offiziere bestimmte.

Aber größres als die bundesgesetzlichen Leistungen that die freiwillige
Opferfreudigkeit der Bürger. Als der Senat in einem würdig gehaltenen
Antrage die Bürgerschaft um Bewilligung von ^ Million für solche Zwecke
ersuchte, die nicht bundesgesetzlich vorgesehen seien, votirte die Versammlung
eine volle Million. Die frühere Bildergallerie bei der Börse ward der Schau¬
platz der Thätigkeit der vereinigten Comite's für die Verwundeten, wo zahl¬
reiche Frauen und Jungfrauen täglich in angestrengter Thätigkeit Verbands¬
apparate, Hemden u. f. w. anfertigen, nachdem Prof. Esmarch aus Kiel die
nöthige Anleitung gegeben; ein Schreiben der Königin Auguste an das Comite'
erkennt die besondere Güte der Hamburgischen Sendungen dankend an. Mehr
als 100,000 Thlr. waren für diesen Zweck in wenig Tagen gezeichnet, und
bereits ist ein Separatzug von 16 Wagen mit Erfrischungen nach dem Kriegs¬
schauplatze abgegangen.

Zur Fürsorge für die Hinterbliebenen Familien der Wehrmänner war
sofort eine Commission vom Senate eingesetzt, welche die nach dem für das
Bundesgebiet eingeführten preußischen Gesetze vom Staate zu gewährende
Unterstützung auf das doppelte zu erhöhen beschloß, an dieselbe lehnte sich ein
freiwilliges Comiti für denselben Zweck an, welches jene Familien aus
seinen reichen Fonds so wirksam unterstützt, daß die meisten sich jetzt wohl
besser stehen mögen, als zu der Zeit, wo sie noch ihre Ernährer bei sich hatten.

Auch die Betheiligung an der Bundesanleihe war durchaus befriedigend.
Hamburg steht, wie ihm gebührt, in zweiter Linie unmittelbar nach Berlin,
nur dem mit commerztellen Verhältnissen Unbekannten kann die Summe von
circa 6 Mill. Thlr., die hier gezeichnet wurde, ungenügend scheinen; Ham¬
burg ist kein großer Bankplatz und die gegenwärtige Situation zwingt den


Das ist seit 1866 anders geworden, der Bund dessen Mitglied Hamburg
ist, war im Kriege, unsre Söhne standen in der nationalen Armee, in der
Bundeshauptstadt, wo unser Vertreter im Bundesrath saß, wurde bestimmt,
was zu thun sei. Da war keine lange Berathschlagung mehr, ob es an der
Zeit sei, die Seezeichen an der Elbmündung aufzunehmen, wann dem
französischen Gesandten die Pässe zuzustellen seien u. s. w.: die Ordres kamen
aus Berlin und wurden rasch und umsichtig ausgeführt. Hunderte von
Schanzarbeitern wurden nach Curhaven gesandt, 28 Schiffe requirirt, um
eventuell den Franzosen durch Versenkung die Elbe zu sperren, eine Schiffbrücke
über die beiden Arme des Flusses Mrd in wenigen Tagen gebaut, alle Fischer¬
netze wurden nach Kiel gesandt, um den Eingang des dortigen Hafens zu
sperren. Die Mobilmachung wurde ruhig und pünktlich vollzogen, von allen
Seiten stürmten die jungen Wehrpflichtigen aus der Fremde herbei, die von
Hamburg gestellten Mobilmachungspferde wurden bei der Abnahme so vortreff¬
lich befunden, daß man sie sämmtlich für Offiziere bestimmte.

Aber größres als die bundesgesetzlichen Leistungen that die freiwillige
Opferfreudigkeit der Bürger. Als der Senat in einem würdig gehaltenen
Antrage die Bürgerschaft um Bewilligung von ^ Million für solche Zwecke
ersuchte, die nicht bundesgesetzlich vorgesehen seien, votirte die Versammlung
eine volle Million. Die frühere Bildergallerie bei der Börse ward der Schau¬
platz der Thätigkeit der vereinigten Comite's für die Verwundeten, wo zahl¬
reiche Frauen und Jungfrauen täglich in angestrengter Thätigkeit Verbands¬
apparate, Hemden u. f. w. anfertigen, nachdem Prof. Esmarch aus Kiel die
nöthige Anleitung gegeben; ein Schreiben der Königin Auguste an das Comite'
erkennt die besondere Güte der Hamburgischen Sendungen dankend an. Mehr
als 100,000 Thlr. waren für diesen Zweck in wenig Tagen gezeichnet, und
bereits ist ein Separatzug von 16 Wagen mit Erfrischungen nach dem Kriegs¬
schauplatze abgegangen.

Zur Fürsorge für die Hinterbliebenen Familien der Wehrmänner war
sofort eine Commission vom Senate eingesetzt, welche die nach dem für das
Bundesgebiet eingeführten preußischen Gesetze vom Staate zu gewährende
Unterstützung auf das doppelte zu erhöhen beschloß, an dieselbe lehnte sich ein
freiwilliges Comiti für denselben Zweck an, welches jene Familien aus
seinen reichen Fonds so wirksam unterstützt, daß die meisten sich jetzt wohl
besser stehen mögen, als zu der Zeit, wo sie noch ihre Ernährer bei sich hatten.

Auch die Betheiligung an der Bundesanleihe war durchaus befriedigend.
Hamburg steht, wie ihm gebührt, in zweiter Linie unmittelbar nach Berlin,
nur dem mit commerztellen Verhältnissen Unbekannten kann die Summe von
circa 6 Mill. Thlr., die hier gezeichnet wurde, ungenügend scheinen; Ham¬
burg ist kein großer Bankplatz und die gegenwärtige Situation zwingt den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/311>, abgerufen am 27.05.2024.