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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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(zuletzt betrug es nach officiellen Angaben nur 23,100 Mann); denn natür¬
lich wurde für jeden rengsZö ein Recrut weniger eingestellt. Auf diese
Nachtheile machten mehrere gewichtige Stimmen, besonders General Trochu
aufmerksam, und so stellte denn das Gesetz von 1868 die alten Bestimmungen
von 1832 wieder her. Man erkärt sich jetzt erst nach der Loosung über die
Bereitwilligkeit zu dienen, und die Besorgung des Stellvertreters ist jedem
Einzelnen, selbstverständlich unter Controle des Staates, überlassen. Die
rengÄgömeuts sind nicht verboten, dürfen aber die Dauer von 5 Jahren
nicht überschreiten, also namentlich nicht, wie früher, wiederholt werden; kein
Stellvertreter darf älter als 35 Jahre sein. Da außerdem die Soldzulage
für das rengaZemeiit abgeschafft worden ist, so hat dasselbe viel von seinen
früheren Reizen verloren, und Marschall Niet hat, um einem starken Verluste
an alten, gedienten Mannschaften vorzubeugen und namentlich Material für
die Besetzung der Unteroffizierstellen zu behalten, sich bereits im October 1868
zur Annahme des preußischen Systems der Civilversorgung entschließen müssen,
zu welcher heute in F-ankreich eine 10jährige Dienstzeit berechtigt. Trotzdem
vermindert sich die Zahl der auf Avancement weiter Dienenden fortwährend.

Die gesetzliche Dienstzeit beträgt in Frankreich 5 Jahre (welche aber in
der Praxis, wie unten gezeigt werden wird, erheblich zusammenschrumpfen)
bei der Fahne, 4 in der Reserve; im norddeutschen Bunde 3, resp. 4 Jahre.
Das ganze hessische Militär (nicht nur die Nordhessen) bildet einen integri-
renden Theil des norddeutschen Heeres; ebenso hat Baden die preußischen
Heereinrichtungen durchweg angenommen, Würtemberg und Bayern haben
zwar allgemeine Wehrpflicht, ersteres aber eine nur 2jährige Präsenz, letz¬
teres eine nur 3jährige Reservezeit.


2. Ergänzung des Heeres im Kriege.

Das französische Heer hat noch ein Element, welches von dem preußischen
seit 1808 gänzlich ausgestoßen ist: geworbene Ausländer (etwa 17000 Mann).
Nicht nur Europäer aller Nationen, sondern auch Kabylen, Araber und Ne¬
ger. Die Verwendung dieser Barbaren im Kampfe mit civilisirten Nationen
erklärt sich, wie H. v. Treitschke treffend bemerkt, nur durch die mangelhafte
Ausbildung unseres Völkerrechtes.

Was man in Frankreich Freiwillige nennt, läßt sich mit unsern ein¬
jährig Freiwilligen (einem dort gänzlich unbekannten Institut) gar nicht,
eher mit den dreijährig Freiwilligen vergleichen. Jeder Franzose darf vom
17. Lebensjahre an auf mindestens 2, höchstens 9 Jahre in die Armee mit
freier Wahl des Truppentheils eintreten. Von dieser Erlaubniß machten 1869
6130 junge Leute Gebrauch.

Den größten Theil des Ersatzes bildet das jährlich vom gesetzgebenden


(zuletzt betrug es nach officiellen Angaben nur 23,100 Mann); denn natür¬
lich wurde für jeden rengsZö ein Recrut weniger eingestellt. Auf diese
Nachtheile machten mehrere gewichtige Stimmen, besonders General Trochu
aufmerksam, und so stellte denn das Gesetz von 1868 die alten Bestimmungen
von 1832 wieder her. Man erkärt sich jetzt erst nach der Loosung über die
Bereitwilligkeit zu dienen, und die Besorgung des Stellvertreters ist jedem
Einzelnen, selbstverständlich unter Controle des Staates, überlassen. Die
rengÄgömeuts sind nicht verboten, dürfen aber die Dauer von 5 Jahren
nicht überschreiten, also namentlich nicht, wie früher, wiederholt werden; kein
Stellvertreter darf älter als 35 Jahre sein. Da außerdem die Soldzulage
für das rengaZemeiit abgeschafft worden ist, so hat dasselbe viel von seinen
früheren Reizen verloren, und Marschall Niet hat, um einem starken Verluste
an alten, gedienten Mannschaften vorzubeugen und namentlich Material für
die Besetzung der Unteroffizierstellen zu behalten, sich bereits im October 1868
zur Annahme des preußischen Systems der Civilversorgung entschließen müssen,
zu welcher heute in F-ankreich eine 10jährige Dienstzeit berechtigt. Trotzdem
vermindert sich die Zahl der auf Avancement weiter Dienenden fortwährend.

Die gesetzliche Dienstzeit beträgt in Frankreich 5 Jahre (welche aber in
der Praxis, wie unten gezeigt werden wird, erheblich zusammenschrumpfen)
bei der Fahne, 4 in der Reserve; im norddeutschen Bunde 3, resp. 4 Jahre.
Das ganze hessische Militär (nicht nur die Nordhessen) bildet einen integri-
renden Theil des norddeutschen Heeres; ebenso hat Baden die preußischen
Heereinrichtungen durchweg angenommen, Würtemberg und Bayern haben
zwar allgemeine Wehrpflicht, ersteres aber eine nur 2jährige Präsenz, letz¬
teres eine nur 3jährige Reservezeit.


2. Ergänzung des Heeres im Kriege.

Das französische Heer hat noch ein Element, welches von dem preußischen
seit 1808 gänzlich ausgestoßen ist: geworbene Ausländer (etwa 17000 Mann).
Nicht nur Europäer aller Nationen, sondern auch Kabylen, Araber und Ne¬
ger. Die Verwendung dieser Barbaren im Kampfe mit civilisirten Nationen
erklärt sich, wie H. v. Treitschke treffend bemerkt, nur durch die mangelhafte
Ausbildung unseres Völkerrechtes.

Was man in Frankreich Freiwillige nennt, läßt sich mit unsern ein¬
jährig Freiwilligen (einem dort gänzlich unbekannten Institut) gar nicht,
eher mit den dreijährig Freiwilligen vergleichen. Jeder Franzose darf vom
17. Lebensjahre an auf mindestens 2, höchstens 9 Jahre in die Armee mit
freier Wahl des Truppentheils eintreten. Von dieser Erlaubniß machten 1869
6130 junge Leute Gebrauch.

Den größten Theil des Ersatzes bildet das jährlich vom gesetzgebenden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/338>, abgerufen am 06.05.2024.