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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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kehrs-Anstalt eingerichtet und verwaltet, deren Leitung dem Kaiser zusteht;
ebenso wird die Post-Gesetzgebung von dem Reiche ausgeübt. Nur für Bayern
und Württemberg sind Ausnahme-Bestimmungen getroffen, deren Beseitigung
wohl nur eine Frage der Zeit ist. Deutschland hat endlich, was Jahrhun¬
derte nicht zu Stande gebracht haben, ein gemeinsames Postrecht. Nicht
die feilschende Hand eines auf Vermehrung der Familiengüter bedachten Pri¬
vatmanns, des weiland Postfürsten von Taxis, nicht die Beschränktheit ängst¬
licher, partieularistisch gesinnter Duodez-Minister ordnet jetzt die Angelegen¬
heiten jenes großen Wohlfahrtsinstituts der Nation, sondern die mit dem
Mandate von Kaiser und Reich betraute Reichspostverwaltung. Möge
sie mit dem Reiche dauern bis in die fernsten Zeiten!


T.


Dom deutschen Aeichstag"

Die Rede des Reichskanzlers vom 2. Mai, mit welcher er die Gesetzvor¬
lage über die Stellung von Elsaß-Lothringen zum Reich einleitete, hat bei
ihrem mannigfaltigen und bedeutenden Inhalt einen ebenso vielfachen und
tiefen Nachhall geweckt. Die Ueberraschung war groß, als der Kanzler mit
voller Unumwundenheit erklärte, daß eine definitive Ordnung der Verhält¬
nisse von Elsaß-Lothringen jetzt weder beabsichtigt werde, noch auch nur wün¬
schenswert!) sei. Durch diese Offenheit ist aber der Erfolg gewonnen worden,
daß die Vorlage, wie sie aus dem Bundesrath gekommen, wesentlich
unverändert' durch die Achtundzwanziger-Commission und durch den
Reichstag geht. Wenn feststeht, daß die definitive Ordnung für jetzt aus¬
gesetzt bleiben soll, so kann die Vorlage keiner ersprießlichen Veränderung
unterworfen werden. Andererseits aber wird der Reichstag in seiner Mehrheit
da, wo der Kanzler und der Bundesrat!) ihre Unzureichendheit bekennen, schon
jetzt etwas Endgültiges zu schaffen, eine abschließende Entscheidung seinerseits
finden zu können ebenfalls nicht den Anspruch erheben. Wäre die Vorlage
als Definitionen bezeichnet worden, so hätte die Angelegenheit ganz anders
gestanden. Durch die entschiedene Betonung des Provisoriums wird der
Widerspruch in der That niedergeschlagen. Es giebt Provisorien, die dies
nur der Form nach sind. Hier aber handelt es sich um einen experimentalen
Zustand in jeder Beziehung, und da ist es am Besten, sich die Hände so frei
als möglich zu halten. Alle Uebelstände, die ein Provisorium haben kann,
müssen in den Kauf genommen werden, wenn Niemand im Stande ist zu
sagen, worin das Definitionen besteht, dessen Zweckmäßigkeit allen oder den
meisten Theilen schon jetzt einleuchtet.

Wenn das, was für Elsaß und Lothringen jetzt eingerichtet wird, aner¬
kanntermaßen ein Uebergangszustand ist, so fehlt es natürlich nicht an Fragern
nach dem, was hinter dem Uebergang liegt. Das sind solche, die sich nicht
ausreden lassen wollen, daß der Uebergangszustand durch einen fertigen Plan
eingegeben worden, dessen Verwirklichung nur Noch nicht an der Zeit sei,
keineswegs aber durch Mangel an gutem' Rath. Man kann dieser Ansicht um
so weniger beipflichten, als auf jene Frage sehr verschiedene Antworten gegeben


kehrs-Anstalt eingerichtet und verwaltet, deren Leitung dem Kaiser zusteht;
ebenso wird die Post-Gesetzgebung von dem Reiche ausgeübt. Nur für Bayern
und Württemberg sind Ausnahme-Bestimmungen getroffen, deren Beseitigung
wohl nur eine Frage der Zeit ist. Deutschland hat endlich, was Jahrhun¬
derte nicht zu Stande gebracht haben, ein gemeinsames Postrecht. Nicht
die feilschende Hand eines auf Vermehrung der Familiengüter bedachten Pri¬
vatmanns, des weiland Postfürsten von Taxis, nicht die Beschränktheit ängst¬
licher, partieularistisch gesinnter Duodez-Minister ordnet jetzt die Angelegen¬
heiten jenes großen Wohlfahrtsinstituts der Nation, sondern die mit dem
Mandate von Kaiser und Reich betraute Reichspostverwaltung. Möge
sie mit dem Reiche dauern bis in die fernsten Zeiten!


T.


Dom deutschen Aeichstag»

Die Rede des Reichskanzlers vom 2. Mai, mit welcher er die Gesetzvor¬
lage über die Stellung von Elsaß-Lothringen zum Reich einleitete, hat bei
ihrem mannigfaltigen und bedeutenden Inhalt einen ebenso vielfachen und
tiefen Nachhall geweckt. Die Ueberraschung war groß, als der Kanzler mit
voller Unumwundenheit erklärte, daß eine definitive Ordnung der Verhält¬
nisse von Elsaß-Lothringen jetzt weder beabsichtigt werde, noch auch nur wün¬
schenswert!) sei. Durch diese Offenheit ist aber der Erfolg gewonnen worden,
daß die Vorlage, wie sie aus dem Bundesrath gekommen, wesentlich
unverändert' durch die Achtundzwanziger-Commission und durch den
Reichstag geht. Wenn feststeht, daß die definitive Ordnung für jetzt aus¬
gesetzt bleiben soll, so kann die Vorlage keiner ersprießlichen Veränderung
unterworfen werden. Andererseits aber wird der Reichstag in seiner Mehrheit
da, wo der Kanzler und der Bundesrat!) ihre Unzureichendheit bekennen, schon
jetzt etwas Endgültiges zu schaffen, eine abschließende Entscheidung seinerseits
finden zu können ebenfalls nicht den Anspruch erheben. Wäre die Vorlage
als Definitionen bezeichnet worden, so hätte die Angelegenheit ganz anders
gestanden. Durch die entschiedene Betonung des Provisoriums wird der
Widerspruch in der That niedergeschlagen. Es giebt Provisorien, die dies
nur der Form nach sind. Hier aber handelt es sich um einen experimentalen
Zustand in jeder Beziehung, und da ist es am Besten, sich die Hände so frei
als möglich zu halten. Alle Uebelstände, die ein Provisorium haben kann,
müssen in den Kauf genommen werden, wenn Niemand im Stande ist zu
sagen, worin das Definitionen besteht, dessen Zweckmäßigkeit allen oder den
meisten Theilen schon jetzt einleuchtet.

Wenn das, was für Elsaß und Lothringen jetzt eingerichtet wird, aner¬
kanntermaßen ein Uebergangszustand ist, so fehlt es natürlich nicht an Fragern
nach dem, was hinter dem Uebergang liegt. Das sind solche, die sich nicht
ausreden lassen wollen, daß der Uebergangszustand durch einen fertigen Plan
eingegeben worden, dessen Verwirklichung nur Noch nicht an der Zeit sei,
keineswegs aber durch Mangel an gutem' Rath. Man kann dieser Ansicht um
so weniger beipflichten, als auf jene Frage sehr verschiedene Antworten gegeben


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[0283] kehrs-Anstalt eingerichtet und verwaltet, deren Leitung dem Kaiser zusteht; ebenso wird die Post-Gesetzgebung von dem Reiche ausgeübt. Nur für Bayern und Württemberg sind Ausnahme-Bestimmungen getroffen, deren Beseitigung wohl nur eine Frage der Zeit ist. Deutschland hat endlich, was Jahrhun¬ derte nicht zu Stande gebracht haben, ein gemeinsames Postrecht. Nicht die feilschende Hand eines auf Vermehrung der Familiengüter bedachten Pri¬ vatmanns, des weiland Postfürsten von Taxis, nicht die Beschränktheit ängst¬ licher, partieularistisch gesinnter Duodez-Minister ordnet jetzt die Angelegen¬ heiten jenes großen Wohlfahrtsinstituts der Nation, sondern die mit dem Mandate von Kaiser und Reich betraute Reichspostverwaltung. Möge sie mit dem Reiche dauern bis in die fernsten Zeiten! T. Dom deutschen Aeichstag» Die Rede des Reichskanzlers vom 2. Mai, mit welcher er die Gesetzvor¬ lage über die Stellung von Elsaß-Lothringen zum Reich einleitete, hat bei ihrem mannigfaltigen und bedeutenden Inhalt einen ebenso vielfachen und tiefen Nachhall geweckt. Die Ueberraschung war groß, als der Kanzler mit voller Unumwundenheit erklärte, daß eine definitive Ordnung der Verhält¬ nisse von Elsaß-Lothringen jetzt weder beabsichtigt werde, noch auch nur wün¬ schenswert!) sei. Durch diese Offenheit ist aber der Erfolg gewonnen worden, daß die Vorlage, wie sie aus dem Bundesrath gekommen, wesentlich unverändert' durch die Achtundzwanziger-Commission und durch den Reichstag geht. Wenn feststeht, daß die definitive Ordnung für jetzt aus¬ gesetzt bleiben soll, so kann die Vorlage keiner ersprießlichen Veränderung unterworfen werden. Andererseits aber wird der Reichstag in seiner Mehrheit da, wo der Kanzler und der Bundesrat!) ihre Unzureichendheit bekennen, schon jetzt etwas Endgültiges zu schaffen, eine abschließende Entscheidung seinerseits finden zu können ebenfalls nicht den Anspruch erheben. Wäre die Vorlage als Definitionen bezeichnet worden, so hätte die Angelegenheit ganz anders gestanden. Durch die entschiedene Betonung des Provisoriums wird der Widerspruch in der That niedergeschlagen. Es giebt Provisorien, die dies nur der Form nach sind. Hier aber handelt es sich um einen experimentalen Zustand in jeder Beziehung, und da ist es am Besten, sich die Hände so frei als möglich zu halten. Alle Uebelstände, die ein Provisorium haben kann, müssen in den Kauf genommen werden, wenn Niemand im Stande ist zu sagen, worin das Definitionen besteht, dessen Zweckmäßigkeit allen oder den meisten Theilen schon jetzt einleuchtet. Wenn das, was für Elsaß und Lothringen jetzt eingerichtet wird, aner¬ kanntermaßen ein Uebergangszustand ist, so fehlt es natürlich nicht an Fragern nach dem, was hinter dem Uebergang liegt. Das sind solche, die sich nicht ausreden lassen wollen, daß der Uebergangszustand durch einen fertigen Plan eingegeben worden, dessen Verwirklichung nur Noch nicht an der Zeit sei, keineswegs aber durch Mangel an gutem' Rath. Man kann dieser Ansicht um so weniger beipflichten, als auf jene Frage sehr verschiedene Antworten gegeben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/283>, abgerufen am 30.04.2024.