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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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Beifall nicht vorenthalten, sie weiß, daß die Freundschaft mit Deutschland auch
ein rücksichtsloses Vorgehen gegen Oestreich zur Unmöglichkeit macht.

Der Liberalismus könnte die Wiederkehr der heiligen. Allianz fürchten.
Es war Metternich, der dieser Allianz zuerst die verderbliche Tendenz gab.
Es giebt heute keinen Metternich in Oestreich, als einen, der unschädlich ist.
Später galt Kaiser Nikolaus für die Seele der heiligen Allianz. Heute denkt
weder die russische noch die deutsche Regierung daran, die natürliche Ent¬
wickelung der Völker und vor Allem die des eigenen Volkes zu hemmen.
Die alten Gegner: Liberalismus und traditionelle Regierungskunst haben be¬
reits viel von einander gelernt, und was die Hauptsache ist, sie haben nun¬
mehr dieselben Feinde: den Ultramontanismus und die Internationale. Der
Liberalismus wird sein Werk, dessen Mittel die gesetzliche Reform und die
friedliche Ueberzeugung ist, durch die russisch-deutsche Freundschaft heute an
keinem Punkte gestört sehen.




Kleine Besprechungen.

Frau Rath. Briefwechsel von Katharina Elisabeth Goethe. Nach den
Originalen mitgetheilt von Robert Keil. Leipzig, F. A. Brockhaus. 1871.

Briefe von Goethe's Mutter und an dieselbe find an mancherlei Stellen
gedruckt; man hat bei diesen fragmentarischen Publicationen ihres Brief¬
wechsels stets das Bedürfniß gehabt, von der trefflichen Frau Rath mehr zu
erfahren. Der Herausgeber ist, soweit in seinen Kräften stand, diesem
Wunsche gerecht geworden. Irren wir nicht, so ist derselbe durch zufällige
glückliche Umstände in den Besitz einer Anzahl Original-Correspondenzen neben
dem, was in dieser Richtung abschriftlich aus Riemer's Nachlaß herstammt,
gekommen, und wir freuen uns, daß das, was wir in den Händen Goethe¬
scher Erben glaubten, aus diesem Wege seinen Weg in die Oeffentlichkeit ge¬
funden hat, weil wir mit vielen unserer literarischen Freunde die Ueber¬
zeugung theilen, daß Goethe's Erben auch diese Briefe vor der Veröffent¬
lichung sorgfältig bewahrt hätten.

In dem Keil'schen Buche werden 34 neue Briefe von und neue an
die Frau Nath gegeben, die in anziehender Weise das uns vorschwebende
Bild der Goethe'schen Mutter vervollständigen und manches Interessante zur
Charakteristik ihrer Umgebung und der Zeit darbieten. Mit vollem Recht hat
der Herausgeber den Originaltext der Briefe genau wiedergegeben, die Ein¬
leitung und die Bemerkungen auch für weitere Kreise berechnet. Ueberdies


Beifall nicht vorenthalten, sie weiß, daß die Freundschaft mit Deutschland auch
ein rücksichtsloses Vorgehen gegen Oestreich zur Unmöglichkeit macht.

Der Liberalismus könnte die Wiederkehr der heiligen. Allianz fürchten.
Es war Metternich, der dieser Allianz zuerst die verderbliche Tendenz gab.
Es giebt heute keinen Metternich in Oestreich, als einen, der unschädlich ist.
Später galt Kaiser Nikolaus für die Seele der heiligen Allianz. Heute denkt
weder die russische noch die deutsche Regierung daran, die natürliche Ent¬
wickelung der Völker und vor Allem die des eigenen Volkes zu hemmen.
Die alten Gegner: Liberalismus und traditionelle Regierungskunst haben be¬
reits viel von einander gelernt, und was die Hauptsache ist, sie haben nun¬
mehr dieselben Feinde: den Ultramontanismus und die Internationale. Der
Liberalismus wird sein Werk, dessen Mittel die gesetzliche Reform und die
friedliche Ueberzeugung ist, durch die russisch-deutsche Freundschaft heute an
keinem Punkte gestört sehen.




Kleine Besprechungen.

Frau Rath. Briefwechsel von Katharina Elisabeth Goethe. Nach den
Originalen mitgetheilt von Robert Keil. Leipzig, F. A. Brockhaus. 1871.

Briefe von Goethe's Mutter und an dieselbe find an mancherlei Stellen
gedruckt; man hat bei diesen fragmentarischen Publicationen ihres Brief¬
wechsels stets das Bedürfniß gehabt, von der trefflichen Frau Rath mehr zu
erfahren. Der Herausgeber ist, soweit in seinen Kräften stand, diesem
Wunsche gerecht geworden. Irren wir nicht, so ist derselbe durch zufällige
glückliche Umstände in den Besitz einer Anzahl Original-Correspondenzen neben
dem, was in dieser Richtung abschriftlich aus Riemer's Nachlaß herstammt,
gekommen, und wir freuen uns, daß das, was wir in den Händen Goethe¬
scher Erben glaubten, aus diesem Wege seinen Weg in die Oeffentlichkeit ge¬
funden hat, weil wir mit vielen unserer literarischen Freunde die Ueber¬
zeugung theilen, daß Goethe's Erben auch diese Briefe vor der Veröffent¬
lichung sorgfältig bewahrt hätten.

In dem Keil'schen Buche werden 34 neue Briefe von und neue an
die Frau Nath gegeben, die in anziehender Weise das uns vorschwebende
Bild der Goethe'schen Mutter vervollständigen und manches Interessante zur
Charakteristik ihrer Umgebung und der Zeit darbieten. Mit vollem Recht hat
der Herausgeber den Originaltext der Briefe genau wiedergegeben, die Ein¬
leitung und die Bemerkungen auch für weitere Kreise berechnet. Ueberdies


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/490>, abgerufen am 08.05.2024.