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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band.

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hatte. Da kam ein geschlossener Wagen unsrer Höhe zu, dem Regen und
Wind entgegen. An dem Fenster zeigte sich Delbrücks Antlitz beim Vorüber¬
fahren. Sein Name flog durch unsre Reihen. "Delbrück, Hurrah!" rief ein
Freiwilliger auf seinem Strohlager, mit der einen gesunden Hand den Helm
schwingend. "Delbrück, Hurrah!" hallte es wieder wohl aus fünfzig Kehlen.
-- Der Sturm hat damals wohl diesen Gruß dem Ohre des Ministers ent¬
führt. Vielleicht vermitteln ihn diese Zeilen. Er schien uns damals sehr be¬
zeichnend. Die jungen Krieger, die hier auf ihrem Schmerzenslager Delbrück
begrüßten, hatten zuletzt Hurrah gerufen auf dem Schlachtfeld von Sedan,
als nach der Gefangennahme des Kaisers die ehrwürdige Weise des "Nun
danket alle Gott!" von Berg zu Thal über die meilenweite Wahlstatt ge¬
braust war. Nun galt ihr nächstes deutsches Hurrah dem Boten der deut¬
schen Einheit. --

Delbrück ist einer der wenigen Staatsmänner, der sich auch in Berlin
allgemeiner Popularität erfreut, außer etwa bei jenem Kaliber von Politikern,
die auch den Minister von Stein einen Reactionär schelten. Bei einer so
kritischen und oppositionslustigen Bevölkerung, wie derjenigen Berlins --
die Bevölkerung aller Residenzen, mit Ausnahme Dresdens, ist ja oppositionell
gesinnt --, verdient diese Thatsache Erwähnung. Als vor einigen Jahren
Delbrück wieder einmal die Erhebung in den Adelstand angenommen haben
sollte, schrieb ein bekanntes Witzblatt der Hauptstadt: "Deutschland hat einen
seiner besten Bürger verloren."

Möge die Zeit noch recht fern sein, wo dieses Wort in seinem eigent¬
lichen Sinne wahr wird!




Aer Sieg der Mcificbahn über den Suez-Kant.

Es trifft sich wunderbar, daß in derselben Zeit, in welcher das roma¬
nische Element in Europa von dem germanischen besiegt wird, auch auf dein
Gebiete des Verkehrswesens die von Germanen erbaute Pacificbahn über den
französischen Suezcanal im Wettbewerb den Sieg davon trägt.

Wie das Jahr 1866 in der Geschichte des Weltverkehrs eine hervor¬
ragende Stellung einnimmt durch die damals glücklich erfolgte Lesung des
englisch-amerikanischen Telegraphenkabels, so nicht minder auch 1869. Am
10. Mai wurde unfern der Mormonenstadt die letzte aus Cedernholz be¬
stehende Schwelle der Pacificbahn mit der letzten Schiene belegt und mit gol¬
denen Nägeln befestigt. Seitdem verknüpft das eiserne Band den Osten und
Westen der Union, die nun e i n Land wurde. Ueber 44 Breitegrade erstreckt


hatte. Da kam ein geschlossener Wagen unsrer Höhe zu, dem Regen und
Wind entgegen. An dem Fenster zeigte sich Delbrücks Antlitz beim Vorüber¬
fahren. Sein Name flog durch unsre Reihen. „Delbrück, Hurrah!" rief ein
Freiwilliger auf seinem Strohlager, mit der einen gesunden Hand den Helm
schwingend. „Delbrück, Hurrah!" hallte es wieder wohl aus fünfzig Kehlen.
— Der Sturm hat damals wohl diesen Gruß dem Ohre des Ministers ent¬
führt. Vielleicht vermitteln ihn diese Zeilen. Er schien uns damals sehr be¬
zeichnend. Die jungen Krieger, die hier auf ihrem Schmerzenslager Delbrück
begrüßten, hatten zuletzt Hurrah gerufen auf dem Schlachtfeld von Sedan,
als nach der Gefangennahme des Kaisers die ehrwürdige Weise des „Nun
danket alle Gott!" von Berg zu Thal über die meilenweite Wahlstatt ge¬
braust war. Nun galt ihr nächstes deutsches Hurrah dem Boten der deut¬
schen Einheit. —

Delbrück ist einer der wenigen Staatsmänner, der sich auch in Berlin
allgemeiner Popularität erfreut, außer etwa bei jenem Kaliber von Politikern,
die auch den Minister von Stein einen Reactionär schelten. Bei einer so
kritischen und oppositionslustigen Bevölkerung, wie derjenigen Berlins —
die Bevölkerung aller Residenzen, mit Ausnahme Dresdens, ist ja oppositionell
gesinnt —, verdient diese Thatsache Erwähnung. Als vor einigen Jahren
Delbrück wieder einmal die Erhebung in den Adelstand angenommen haben
sollte, schrieb ein bekanntes Witzblatt der Hauptstadt: „Deutschland hat einen
seiner besten Bürger verloren."

Möge die Zeit noch recht fern sein, wo dieses Wort in seinem eigent¬
lichen Sinne wahr wird!




Aer Sieg der Mcificbahn über den Suez-Kant.

Es trifft sich wunderbar, daß in derselben Zeit, in welcher das roma¬
nische Element in Europa von dem germanischen besiegt wird, auch auf dein
Gebiete des Verkehrswesens die von Germanen erbaute Pacificbahn über den
französischen Suezcanal im Wettbewerb den Sieg davon trägt.

Wie das Jahr 1866 in der Geschichte des Weltverkehrs eine hervor¬
ragende Stellung einnimmt durch die damals glücklich erfolgte Lesung des
englisch-amerikanischen Telegraphenkabels, so nicht minder auch 1869. Am
10. Mai wurde unfern der Mormonenstadt die letzte aus Cedernholz be¬
stehende Schwelle der Pacificbahn mit der letzten Schiene belegt und mit gol¬
denen Nägeln befestigt. Seitdem verknüpft das eiserne Band den Osten und
Westen der Union, die nun e i n Land wurde. Ueber 44 Breitegrade erstreckt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_126853/192>, abgerufen am 08.05.2024.