Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

B. die deutsche sei. Es ist daher eine große, aber höchst erfreuliche Kühn¬
heit dieses Buches, daß es diesem Aberglauben, wenn gleich mit vorsichtigster
Mäßigung entgegenzutreten wagt. Bei seinen Landsleuten wird sich Jonckbloet
dadurch freilich nur in den jetzt daselbst fatalsten Verdacht setzen, ein Germa-
nophiles zu sein. --


H. Rückert.


Der Vorsitz im preußischen Staatsministerium.

Am Abend des 23. December brachte der Staatsanzeiger die vom 21.
datirte Cabinetsordre, welche den Fürsten Bismarck vom Vorsitz im preußischen
Staatsministerium enthebt. Die Cabinetsordre nimmt Bezug auf einen die
Enthebung beantragenden Bericht des Fürsten, der formell am 20. December,
einen Tag vor der zustimmenden Cabinetsordre eingereicht ist.

Außer der Gewähr des von dem Fürsten Bismarck gestellten Gesundes
ist die Bestimmung der Cabinetsordre bemerkenswerth, daß dem Fürsten der
Vortrag bei dem König bleibt: in den Angelegenheiten des Reichs und in
den Angelegenheiten der auswärtigen Politik Preußens. Aufgegeben ist also
die sonderbare Wendung einiger officiösen Schriftsteller, wonach die Reichs¬
angelegenheiten, welche nicht wenige der wichtigsten inneren Angelegenheiten
des preußischen Staates umfassen, zur Sache eines Ministers des Auswärtigen
gemacht werden sollten, der als solcher mit dem eigentlichen Ausland Nichts
zu thun hat, dessen Beziehungen vielmehr dem Reichskanzler obliegen. Statt
dieser Wendung bestimmt die Cabinetsordre als zwei getrennte Functionen:
die Wahrnehmung der auswärtigen Angelegenheiten des preußischen Staates,
welche in Wahrheit gewisse Beziehungen dieses Staates zu den anderen Reichs¬
mitgliedern betreffen, und selbständig von dieser Aufgabe: den Vortrag über
die Angelegenheiten des Reiches, soweit sie den König von Preußen berühren,
während dem Kaiser der Kanzler Vortrag zu halten hat. Auch dies klingt
noch complicirt, aber es entspricht der bestehenden Sachlage. Die preußischen
Bevollmächtigten zum Bundesrath instruirt nicht ein preußischer Minister des
Auswärtigen und auch nicht ein preußischer Minister für die Beziehungen
Preußens zum deutschen Reich, sondern der nach der Reichsverfassung vom
Kaiser zu ernennende Reichskanzler, welchem der Vorsitz im Bundesrathe und
die Leitung der Geschäfte zusteht.


B. die deutsche sei. Es ist daher eine große, aber höchst erfreuliche Kühn¬
heit dieses Buches, daß es diesem Aberglauben, wenn gleich mit vorsichtigster
Mäßigung entgegenzutreten wagt. Bei seinen Landsleuten wird sich Jonckbloet
dadurch freilich nur in den jetzt daselbst fatalsten Verdacht setzen, ein Germa-
nophiles zu sein. —


H. Rückert.


Der Vorsitz im preußischen Staatsministerium.

Am Abend des 23. December brachte der Staatsanzeiger die vom 21.
datirte Cabinetsordre, welche den Fürsten Bismarck vom Vorsitz im preußischen
Staatsministerium enthebt. Die Cabinetsordre nimmt Bezug auf einen die
Enthebung beantragenden Bericht des Fürsten, der formell am 20. December,
einen Tag vor der zustimmenden Cabinetsordre eingereicht ist.

Außer der Gewähr des von dem Fürsten Bismarck gestellten Gesundes
ist die Bestimmung der Cabinetsordre bemerkenswerth, daß dem Fürsten der
Vortrag bei dem König bleibt: in den Angelegenheiten des Reichs und in
den Angelegenheiten der auswärtigen Politik Preußens. Aufgegeben ist also
die sonderbare Wendung einiger officiösen Schriftsteller, wonach die Reichs¬
angelegenheiten, welche nicht wenige der wichtigsten inneren Angelegenheiten
des preußischen Staates umfassen, zur Sache eines Ministers des Auswärtigen
gemacht werden sollten, der als solcher mit dem eigentlichen Ausland Nichts
zu thun hat, dessen Beziehungen vielmehr dem Reichskanzler obliegen. Statt
dieser Wendung bestimmt die Cabinetsordre als zwei getrennte Functionen:
die Wahrnehmung der auswärtigen Angelegenheiten des preußischen Staates,
welche in Wahrheit gewisse Beziehungen dieses Staates zu den anderen Reichs¬
mitgliedern betreffen, und selbständig von dieser Aufgabe: den Vortrag über
die Angelegenheiten des Reiches, soweit sie den König von Preußen berühren,
während dem Kaiser der Kanzler Vortrag zu halten hat. Auch dies klingt
noch complicirt, aber es entspricht der bestehenden Sachlage. Die preußischen
Bevollmächtigten zum Bundesrath instruirt nicht ein preußischer Minister des
Auswärtigen und auch nicht ein preußischer Minister für die Beziehungen
Preußens zum deutschen Reich, sondern der nach der Reichsverfassung vom
Kaiser zu ernennende Reichskanzler, welchem der Vorsitz im Bundesrathe und
die Leitung der Geschäfte zusteht.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0046" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/129038"/>
          <p xml:id="ID_124"> B. die deutsche sei. Es ist daher eine große, aber höchst erfreuliche Kühn¬<lb/>
heit dieses Buches, daß es diesem Aberglauben, wenn gleich mit vorsichtigster<lb/>
Mäßigung entgegenzutreten wagt. Bei seinen Landsleuten wird sich Jonckbloet<lb/>
dadurch freilich nur in den jetzt daselbst fatalsten Verdacht setzen, ein Germa-<lb/>
nophiles zu sein. &#x2014;</p><lb/>
          <note type="byline"> H. Rückert.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der Vorsitz im preußischen Staatsministerium.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_125"> Am Abend des 23. December brachte der Staatsanzeiger die vom 21.<lb/>
datirte Cabinetsordre, welche den Fürsten Bismarck vom Vorsitz im preußischen<lb/>
Staatsministerium enthebt. Die Cabinetsordre nimmt Bezug auf einen die<lb/>
Enthebung beantragenden Bericht des Fürsten, der formell am 20. December,<lb/>
einen Tag vor der zustimmenden Cabinetsordre eingereicht ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_126"> Außer der Gewähr des von dem Fürsten Bismarck gestellten Gesundes<lb/>
ist die Bestimmung der Cabinetsordre bemerkenswerth, daß dem Fürsten der<lb/>
Vortrag bei dem König bleibt: in den Angelegenheiten des Reichs und in<lb/>
den Angelegenheiten der auswärtigen Politik Preußens. Aufgegeben ist also<lb/>
die sonderbare Wendung einiger officiösen Schriftsteller, wonach die Reichs¬<lb/>
angelegenheiten, welche nicht wenige der wichtigsten inneren Angelegenheiten<lb/>
des preußischen Staates umfassen, zur Sache eines Ministers des Auswärtigen<lb/>
gemacht werden sollten, der als solcher mit dem eigentlichen Ausland Nichts<lb/>
zu thun hat, dessen Beziehungen vielmehr dem Reichskanzler obliegen. Statt<lb/>
dieser Wendung bestimmt die Cabinetsordre als zwei getrennte Functionen:<lb/>
die Wahrnehmung der auswärtigen Angelegenheiten des preußischen Staates,<lb/>
welche in Wahrheit gewisse Beziehungen dieses Staates zu den anderen Reichs¬<lb/>
mitgliedern betreffen, und selbständig von dieser Aufgabe: den Vortrag über<lb/>
die Angelegenheiten des Reiches, soweit sie den König von Preußen berühren,<lb/>
während dem Kaiser der Kanzler Vortrag zu halten hat. Auch dies klingt<lb/>
noch complicirt, aber es entspricht der bestehenden Sachlage. Die preußischen<lb/>
Bevollmächtigten zum Bundesrath instruirt nicht ein preußischer Minister des<lb/>
Auswärtigen und auch nicht ein preußischer Minister für die Beziehungen<lb/>
Preußens zum deutschen Reich, sondern der nach der Reichsverfassung vom<lb/>
Kaiser zu ernennende Reichskanzler, welchem der Vorsitz im Bundesrathe und<lb/>
die Leitung der Geschäfte zusteht.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0046] B. die deutsche sei. Es ist daher eine große, aber höchst erfreuliche Kühn¬ heit dieses Buches, daß es diesem Aberglauben, wenn gleich mit vorsichtigster Mäßigung entgegenzutreten wagt. Bei seinen Landsleuten wird sich Jonckbloet dadurch freilich nur in den jetzt daselbst fatalsten Verdacht setzen, ein Germa- nophiles zu sein. — H. Rückert. Der Vorsitz im preußischen Staatsministerium. Am Abend des 23. December brachte der Staatsanzeiger die vom 21. datirte Cabinetsordre, welche den Fürsten Bismarck vom Vorsitz im preußischen Staatsministerium enthebt. Die Cabinetsordre nimmt Bezug auf einen die Enthebung beantragenden Bericht des Fürsten, der formell am 20. December, einen Tag vor der zustimmenden Cabinetsordre eingereicht ist. Außer der Gewähr des von dem Fürsten Bismarck gestellten Gesundes ist die Bestimmung der Cabinetsordre bemerkenswerth, daß dem Fürsten der Vortrag bei dem König bleibt: in den Angelegenheiten des Reichs und in den Angelegenheiten der auswärtigen Politik Preußens. Aufgegeben ist also die sonderbare Wendung einiger officiösen Schriftsteller, wonach die Reichs¬ angelegenheiten, welche nicht wenige der wichtigsten inneren Angelegenheiten des preußischen Staates umfassen, zur Sache eines Ministers des Auswärtigen gemacht werden sollten, der als solcher mit dem eigentlichen Ausland Nichts zu thun hat, dessen Beziehungen vielmehr dem Reichskanzler obliegen. Statt dieser Wendung bestimmt die Cabinetsordre als zwei getrennte Functionen: die Wahrnehmung der auswärtigen Angelegenheiten des preußischen Staates, welche in Wahrheit gewisse Beziehungen dieses Staates zu den anderen Reichs¬ mitgliedern betreffen, und selbständig von dieser Aufgabe: den Vortrag über die Angelegenheiten des Reiches, soweit sie den König von Preußen berühren, während dem Kaiser der Kanzler Vortrag zu halten hat. Auch dies klingt noch complicirt, aber es entspricht der bestehenden Sachlage. Die preußischen Bevollmächtigten zum Bundesrath instruirt nicht ein preußischer Minister des Auswärtigen und auch nicht ein preußischer Minister für die Beziehungen Preußens zum deutschen Reich, sondern der nach der Reichsverfassung vom Kaiser zu ernennende Reichskanzler, welchem der Vorsitz im Bundesrathe und die Leitung der Geschäfte zusteht.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/46
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/46>, abgerufen am 05.05.2024.