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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. II. Band.

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thun hätte; einem Ministerium wie das jetzige, das große Anläufe nimmt,
aber, wenn es ernsten Widerstand findet, für den einen Schritt vorwärts
zwei rückwärts thut, wird es immer an Vertrauensseligen und Schwachen
nicht fehlen, welche jenes rühmen, dieses entschuldigen, die Regierung schlie߬
lich doch sür eine im Großen und Ganzen freisinnige erklären, der Man das
Leben ja nicht sauer machen dürfe, damit nicht nach ihr eine weniger gute
komme.

An dieser Halbheit haben schon oft Regierung und Volksvertretung in
Sachsen gekränkelt, diese Halbheit hat das Ministerium Friesen-Nostiz para-
lysirt, sie wird, fürchte ich, auch einer energischen Action des Volksgeistes im
Wege stehen. Höchstens wird eine Zeit lang in engeren Kreisen, beim "Depp¬
chen" Bier viel räsonnirt. vielleicht auch ein Bischen demonstrirt werden,
aber daß es zum kräftigen Handeln komme, ist mir vor der Hand noch sehr
zweifelhaft. Die Wahlen werden das ausweisen. Wenn auf den Schlag,
den nicht die liberale Partei allein, sondern das ganze Bürgerthum im Lande
erhalten hat, nicht wenigstens die erstere dadurch antwortet, daß sie ein-
müthig und energisch, ihrer beliebten Lauheit und Flausen entsagend, zur
Wahlurne eilt und tüchtige, charakterfeste Männer, keine Halben und keine
Aengstlichen in die II. Kammer sendet, um ernste Sühne zu fordern für
die dem Volke in seinen Vertretern angethane schwere Unbill. Wenn das
nicht geschieht, dann hat die Regierung recht gethan, so zu handeln, wie
sie gehandelt! Denn es ist ein ewig wahrer Spruch:


"Jedes Volk wird so regiert, wie es verdient."


Me deutschen Lochschulen im Kriege gegen IranKreich.

Als nach den Befreiungskriegen die Professoren und Studenten unsrer
Hochschulen, die als Freiwillige den großen Krieg gegen den Erbfeind ange¬
schlagen hatten, in ihre Hörsäle und auf ihre Katheder zurückkehrten, da begannen
jene Jahre, die in ihrer glücklichsten Blüte durch die Burschenschaft, in ihrem
häßlichsten und leider durchaus überwuchernden Unkraut dagegen durch die
Demagogenverfolgungen bezeichnet werden. Die Vaterlandsliebe, die Tausende
von Studenten von jener Revüe der Freiwilligen vor König Friedrich Wilhelm III.
in Breslau bis zweimal vor Paris geführt hatte, war innerhalb weniger Jahre
zum Verbrechen, zum integrtrenden Thatbestande hochverräterischer Gesinnung
geworden, und die Jünglinge und Männer mit dem eisernen Kreuz auf der
Brust, wanderten in die Kerker oder in die Verbannung.


thun hätte; einem Ministerium wie das jetzige, das große Anläufe nimmt,
aber, wenn es ernsten Widerstand findet, für den einen Schritt vorwärts
zwei rückwärts thut, wird es immer an Vertrauensseligen und Schwachen
nicht fehlen, welche jenes rühmen, dieses entschuldigen, die Regierung schlie߬
lich doch sür eine im Großen und Ganzen freisinnige erklären, der Man das
Leben ja nicht sauer machen dürfe, damit nicht nach ihr eine weniger gute
komme.

An dieser Halbheit haben schon oft Regierung und Volksvertretung in
Sachsen gekränkelt, diese Halbheit hat das Ministerium Friesen-Nostiz para-
lysirt, sie wird, fürchte ich, auch einer energischen Action des Volksgeistes im
Wege stehen. Höchstens wird eine Zeit lang in engeren Kreisen, beim „Depp¬
chen" Bier viel räsonnirt. vielleicht auch ein Bischen demonstrirt werden,
aber daß es zum kräftigen Handeln komme, ist mir vor der Hand noch sehr
zweifelhaft. Die Wahlen werden das ausweisen. Wenn auf den Schlag,
den nicht die liberale Partei allein, sondern das ganze Bürgerthum im Lande
erhalten hat, nicht wenigstens die erstere dadurch antwortet, daß sie ein-
müthig und energisch, ihrer beliebten Lauheit und Flausen entsagend, zur
Wahlurne eilt und tüchtige, charakterfeste Männer, keine Halben und keine
Aengstlichen in die II. Kammer sendet, um ernste Sühne zu fordern für
die dem Volke in seinen Vertretern angethane schwere Unbill. Wenn das
nicht geschieht, dann hat die Regierung recht gethan, so zu handeln, wie
sie gehandelt! Denn es ist ein ewig wahrer Spruch:


„Jedes Volk wird so regiert, wie es verdient."


Me deutschen Lochschulen im Kriege gegen IranKreich.

Als nach den Befreiungskriegen die Professoren und Studenten unsrer
Hochschulen, die als Freiwillige den großen Krieg gegen den Erbfeind ange¬
schlagen hatten, in ihre Hörsäle und auf ihre Katheder zurückkehrten, da begannen
jene Jahre, die in ihrer glücklichsten Blüte durch die Burschenschaft, in ihrem
häßlichsten und leider durchaus überwuchernden Unkraut dagegen durch die
Demagogenverfolgungen bezeichnet werden. Die Vaterlandsliebe, die Tausende
von Studenten von jener Revüe der Freiwilligen vor König Friedrich Wilhelm III.
in Breslau bis zweimal vor Paris geführt hatte, war innerhalb weniger Jahre
zum Verbrechen, zum integrtrenden Thatbestande hochverräterischer Gesinnung
geworden, und die Jünglinge und Männer mit dem eisernen Kreuz auf der
Brust, wanderten in die Kerker oder in die Verbannung.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_129525/125>, abgerufen am 08.05.2024.