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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. II. Band.

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lungen abgeschickt sind, so langen dieselben erst in der gefährlichen Regenzeit
an. Man wird wol die Aschantis von Cap Coast Castle zurückjagen können,
aber ihr Reich wird darum ungebrochen dastehen und stets eine Drohung
für England sein.


Richard Andree.


Ms dem Aeichslande.

Nicht leicht wird es einem deutschen Beobachter gelingen, ein getreues
Bild von dem Eindrucke zu gewinnen, welchen die neuliche Reichstagsdebatte
über die reichsländische Verwaltung auf die verschiedenen Kreise der elsaß-loth-
ringischen Bevölkerung gemacht hat. Natürlich eoncentrtrte sich das ganze
Interesse auf die Aeußerungen des Reichskanzlers. Und in der That waren
dieselben durchaus geeignet, den Elsaß-Lothringern "den Wendepunkt klar zu
machen." Seit der bekannten Rede, in welcher sich Fürst Bismarck vor zwei
Jahren mit außerordentlicher Wärme zum Anwalt der Annektirten aufge¬
worfen, meinte man ein Recht darauf zu haben, von Deutschland als erkant
gÄt6 behandelt zu werden; bei jeder etwas einschneidenden Verwaltungsmaß-
regel fragte man sich verwundert, ob denn dieselbe mit den Intentionen des
Reichskanzlers übereinstimme, und nicht selten wandte man sich mit Vor¬
stellungen an diesem Sinne über den Kopf des Oberpräsidenten hinweg direkt
nach Berlin. Jetzt hat Fürst Bismarck mit unzweideutigen Nachdruck erklärt,
daß die oberste Sorge der deutschen Regierung in dem neuerworbenen Gebiete
die Sicherung de°s Reiches sein müsse; zu diesem Zwecke allein sei die Erobe¬
rung erfolgt, in jeder anderen Beziehung würde er von ihr als von einem
unpolitischen Beginnen abgerathen haben. Daraus ergiebt sich als noth¬
wendige Consequenz, daß die alten Gewohnheiten und Sympathien der Elsaß-
Lothringer nur soweit geschont, ihre Wünsche nur soweit erfüllt werden können,
als sie jenem vornehmsten Zwecke nicht widersprechen. Die große Energie,
mit welcher Fürst Bismarck diesen Gedanken aussprach und mehrmals wieder¬
holte, konnte eine gewisse ernüchternde Wirkung auf die Elsaß-Lothringer
nicht verfehlen, schwerlich jedoch zum Schaden der allgemeinen Lage. Denn
nicht allein wissen nunmehr die offenen Feinde des deutschen Reichs, die ultra¬
montanen und die französischen Agitatoren bestimmt, was sie im Reichslande
zu erwarten haben, sondern auch die weit größere Zahl der versteckten "Pa¬
trioten", welche unter dem Deckmantel des Sichanbequemens an die gegebenen
Verhältnisse, der Rückkehr der wälschen Herrschaft die Wege ebnen zu können


lungen abgeschickt sind, so langen dieselben erst in der gefährlichen Regenzeit
an. Man wird wol die Aschantis von Cap Coast Castle zurückjagen können,
aber ihr Reich wird darum ungebrochen dastehen und stets eine Drohung
für England sein.


Richard Andree.


Ms dem Aeichslande.

Nicht leicht wird es einem deutschen Beobachter gelingen, ein getreues
Bild von dem Eindrucke zu gewinnen, welchen die neuliche Reichstagsdebatte
über die reichsländische Verwaltung auf die verschiedenen Kreise der elsaß-loth-
ringischen Bevölkerung gemacht hat. Natürlich eoncentrtrte sich das ganze
Interesse auf die Aeußerungen des Reichskanzlers. Und in der That waren
dieselben durchaus geeignet, den Elsaß-Lothringern „den Wendepunkt klar zu
machen." Seit der bekannten Rede, in welcher sich Fürst Bismarck vor zwei
Jahren mit außerordentlicher Wärme zum Anwalt der Annektirten aufge¬
worfen, meinte man ein Recht darauf zu haben, von Deutschland als erkant
gÄt6 behandelt zu werden; bei jeder etwas einschneidenden Verwaltungsmaß-
regel fragte man sich verwundert, ob denn dieselbe mit den Intentionen des
Reichskanzlers übereinstimme, und nicht selten wandte man sich mit Vor¬
stellungen an diesem Sinne über den Kopf des Oberpräsidenten hinweg direkt
nach Berlin. Jetzt hat Fürst Bismarck mit unzweideutigen Nachdruck erklärt,
daß die oberste Sorge der deutschen Regierung in dem neuerworbenen Gebiete
die Sicherung de°s Reiches sein müsse; zu diesem Zwecke allein sei die Erobe¬
rung erfolgt, in jeder anderen Beziehung würde er von ihr als von einem
unpolitischen Beginnen abgerathen haben. Daraus ergiebt sich als noth¬
wendige Consequenz, daß die alten Gewohnheiten und Sympathien der Elsaß-
Lothringer nur soweit geschont, ihre Wünsche nur soweit erfüllt werden können,
als sie jenem vornehmsten Zwecke nicht widersprechen. Die große Energie,
mit welcher Fürst Bismarck diesen Gedanken aussprach und mehrmals wieder¬
holte, konnte eine gewisse ernüchternde Wirkung auf die Elsaß-Lothringer
nicht verfehlen, schwerlich jedoch zum Schaden der allgemeinen Lage. Denn
nicht allein wissen nunmehr die offenen Feinde des deutschen Reichs, die ultra¬
montanen und die französischen Agitatoren bestimmt, was sie im Reichslande
zu erwarten haben, sondern auch die weit größere Zahl der versteckten „Pa¬
trioten", welche unter dem Deckmantel des Sichanbequemens an die gegebenen
Verhältnisse, der Rückkehr der wälschen Herrschaft die Wege ebnen zu können


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[0392] lungen abgeschickt sind, so langen dieselben erst in der gefährlichen Regenzeit an. Man wird wol die Aschantis von Cap Coast Castle zurückjagen können, aber ihr Reich wird darum ungebrochen dastehen und stets eine Drohung für England sein. Richard Andree. Ms dem Aeichslande. Nicht leicht wird es einem deutschen Beobachter gelingen, ein getreues Bild von dem Eindrucke zu gewinnen, welchen die neuliche Reichstagsdebatte über die reichsländische Verwaltung auf die verschiedenen Kreise der elsaß-loth- ringischen Bevölkerung gemacht hat. Natürlich eoncentrtrte sich das ganze Interesse auf die Aeußerungen des Reichskanzlers. Und in der That waren dieselben durchaus geeignet, den Elsaß-Lothringern „den Wendepunkt klar zu machen." Seit der bekannten Rede, in welcher sich Fürst Bismarck vor zwei Jahren mit außerordentlicher Wärme zum Anwalt der Annektirten aufge¬ worfen, meinte man ein Recht darauf zu haben, von Deutschland als erkant gÄt6 behandelt zu werden; bei jeder etwas einschneidenden Verwaltungsmaß- regel fragte man sich verwundert, ob denn dieselbe mit den Intentionen des Reichskanzlers übereinstimme, und nicht selten wandte man sich mit Vor¬ stellungen an diesem Sinne über den Kopf des Oberpräsidenten hinweg direkt nach Berlin. Jetzt hat Fürst Bismarck mit unzweideutigen Nachdruck erklärt, daß die oberste Sorge der deutschen Regierung in dem neuerworbenen Gebiete die Sicherung de°s Reiches sein müsse; zu diesem Zwecke allein sei die Erobe¬ rung erfolgt, in jeder anderen Beziehung würde er von ihr als von einem unpolitischen Beginnen abgerathen haben. Daraus ergiebt sich als noth¬ wendige Consequenz, daß die alten Gewohnheiten und Sympathien der Elsaß- Lothringer nur soweit geschont, ihre Wünsche nur soweit erfüllt werden können, als sie jenem vornehmsten Zwecke nicht widersprechen. Die große Energie, mit welcher Fürst Bismarck diesen Gedanken aussprach und mehrmals wieder¬ holte, konnte eine gewisse ernüchternde Wirkung auf die Elsaß-Lothringer nicht verfehlen, schwerlich jedoch zum Schaden der allgemeinen Lage. Denn nicht allein wissen nunmehr die offenen Feinde des deutschen Reichs, die ultra¬ montanen und die französischen Agitatoren bestimmt, was sie im Reichslande zu erwarten haben, sondern auch die weit größere Zahl der versteckten „Pa¬ trioten", welche unter dem Deckmantel des Sichanbequemens an die gegebenen Verhältnisse, der Rückkehr der wälschen Herrschaft die Wege ebnen zu können

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_129525/392>, abgerufen am 08.05.2024.