Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. II. Band.hoffen, werden fortan nicht mehr darüber im Zweifel sein, daß die deutsche Damit soll natürlich keineswegs gesagt sein, daß auf den Umstand des Grenzbotm II. 1873. 49
hoffen, werden fortan nicht mehr darüber im Zweifel sein, daß die deutsche Damit soll natürlich keineswegs gesagt sein, daß auf den Umstand des Grenzbotm II. 1873. 49
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hoffen, werden fortan nicht mehr darüber im Zweifel sein, daß die deutsche
Regierung zehnmal eher die Gunst der öffentlichen Meinung in die Schanze
schlagen wird, als daß sie sich von ihnen zum Nachtheil der Sicherheit des
Reichs düpiren läßt. Freilich, die Franzosen und ihre Freunde werden aufs
Neue lamentiren über „barbarische Anwendung des nackten Eroberungsrechts";
der Elsaß-Lothringer wird aber gegen den Bismarck'schen Standpunkt umso-
weniger etwas einwenden können, als derselbe auf ganz derselben Anschauung
beruht, welche man hierzulande selbst von der Annexion hat. Die Bewohner
des Reichslandes haben nichts wissen wollen von ihrer alten und naturge¬
mäßen Zugehörigkeit zu Deutschland, und ebenso hat Fürst Bismarck sich
nicht gestützt auf historische oder nationale Rechtstitel: lediglich auf Grund
des Kriegsrechts wollen sie von Frankreich abgetrennt sein. Es ist gut, daß
diese Auffassung einmal wieder klar ausgesprochen ist. Die Theorie von den
„wiedergewonnenen Brüdern", die man aus der Knechtschaft erlöst habe und
nun der besten Segnungen des deutschen Staatslebens theilhaftig machen
wolle, hat viel Confusion angerichtet, sintemalen gar Mancher sich gewöhnte,
auf Grund der deutschen Qualität seines Leibes allerlei Prätensionen zu
erheben, während ihm für durchaus selbstverständlich galt, daß sein Herz bis
ans Ende der Tage französisch bliebe.
Damit soll natürlich keineswegs gesagt sein, daß auf den Umstand des
Ueberwiegens der deutschen Nationalität in Elsaß-Lothringen kein Gewicht zu
legen sei, im Gegentheil, nachdem das Land einmal von Frankreich abgetrennt
ist, fällt für die weitere Gestaltung der Dinge dies Moment naturgemäß in
erster Linie in die Wagschaale; nur sollte es wenig besprochen, desto mehr
aber praktisch verwerthet werden. Das Letztere geschieht und offenbar mit
gutem Erfolge. Ein Blick in die dem Reichskanzler von der Regierung vor¬
gelegte Jahresübersicht kann dies bestätigen; denn mag in derselben immerhin
der Schatten zu Gunsten des Lichts etwas zu kurz gekommen sein, so bleibt
doch unzweifelhaft, daß von den Resultaten der Verwaltung im zweiten
Jahre nach der Eroberung nicht entfernt ein ähnliches Bild würde entworfen
werden können, wenn man es mit einer überwiegend nationalsranzösischen
Bevölkerung zu thun hätte. Die Elsässer sind eben keine Venetianer im
österreichischen, keine Jrländer im englischen Sinne; so gern sie es vielleicht
fein möchten, es fehlt ihnen sozusagen die physische Vorbedingung dazu. Das
Vertrauen auf diese Thatsache war es, welches uns leitete, wenn wir seit
längerer Zeit die Verleihung einer ausgedehnten Selbstverwaltung an die
Elsaß-Lothringer befürworteten. Es will uns bedünken, als könnte die all¬
gemeine Befriedigung, welche die Erklärung des Fürsten Bismarck betreffs des
endgültigen AufHörens der Diktatur vom 1. Januar 1874 im Reichslande
hervorgerufen, dies Vertrauen nur noch bestärken; denn eine prinzipiell rem-
Grenzbotm II. 1873. 49
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