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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. II. Band.

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Einwohner zählendes Land nicht die Macht zur vollen Selbständigkeit besitzt.
Andere Isländer wieder wünschen -- wenn auch nicht öffentlich -- eine Ver¬
einigung mit dem stammverwandten Norwegen, von wo aus die isländische
Bewegung moralisch unterstützt wird.

Am 28. Juli 1872 hat Island im Althing seine Wünsche offiziell for-
mulirt und dieselben durch eine Deputation dem Könige von Dänemark vor¬
legen lassen, dessen Entscheidung noch aussteht. Dänemark und Island sollen
danach nur durch Personalunion verknüpft sein, in Reikjavik soll ein dä¬
nischer Mcekönig mit drei Ministern residiren, die dem Althing verantwortlich
sind, welcher auch das Recht der Besteuerung erhält. Wie viel von diesen
Wünschen in Ausführung kommt, steht dahin. Ohne große Zugeständnisse
wird aber die nationalliberale Partei Islands von ihrer Opposition nicht abgehen
und mir müssen uns erinnern, daß der Isländer in Dänemark nicht sein
Mutterland sieht, daß er in Bezug auf Sprache, Literatur, nationale Sitten
und Charakter wie Geschichte von diesem verschieden ist.




WeltausstessungsberW.
Allgemeine Uebersicht.

Obgleich am Anfang Juli die "Kisten-Ausstellung", welche der Kladdera¬
datsch (Ur. 23) so vortrefflich geschildert hat. noch nicht völlig verschwunden
war, obgleich mehrere Aussteller mit dem Ausstellen ihrer Gegenstände noch
immer nicht fertig sind, Einzelheiten, ja ganze Schränke noch immer neu hinzu¬
kommen, im Park auch noch immer neue Pavillons errichtet werden, so dürfte
die Ausstellung doch im Wesentlichen fertig sein und ihren Glanzpunkt er¬
reicht haben.

Daß diese Weltausstellung großartig, über alle Maßen großartig ist. un¬
endlich viel Schönes und Interessantes bietet, und daher in hohem Grade
sehenswerth ist, kann Niemand läugnen. Daß sie aber gelungen ist, bestreite
ich. Wenn diese Ausstellung, welche das ganze Gebiet des menschlichen Kön¬
nens und Wissens umfaßt, uns gründlich und nachhaltig belehren soll, so muß
sie in streng systematisch durchgeführter Aufstellung uns ein wissenschaftlich
und ästhetisch geordnetes, treues Bild des gesammten Culturzustandes der
verschiedenen Völker geben, nicht aber, wie das in Wien der Fall ist, ein
regelloses Conglomerat von allerlei mehr oder weniger gelungenen Sonder-
Ausstellungen sein, welches jede Uebersicht, alle Begleichung unmöglich macht.
In der Anordnung oder vielmehr Unordnung, wie die Ausstellung jetzt be¬
steht, enthält sie viel zu viel Einzelheiten und zu viel Dinge, welche ganz


Grenzboten IV. 1873. 4

Einwohner zählendes Land nicht die Macht zur vollen Selbständigkeit besitzt.
Andere Isländer wieder wünschen — wenn auch nicht öffentlich — eine Ver¬
einigung mit dem stammverwandten Norwegen, von wo aus die isländische
Bewegung moralisch unterstützt wird.

Am 28. Juli 1872 hat Island im Althing seine Wünsche offiziell for-
mulirt und dieselben durch eine Deputation dem Könige von Dänemark vor¬
legen lassen, dessen Entscheidung noch aussteht. Dänemark und Island sollen
danach nur durch Personalunion verknüpft sein, in Reikjavik soll ein dä¬
nischer Mcekönig mit drei Ministern residiren, die dem Althing verantwortlich
sind, welcher auch das Recht der Besteuerung erhält. Wie viel von diesen
Wünschen in Ausführung kommt, steht dahin. Ohne große Zugeständnisse
wird aber die nationalliberale Partei Islands von ihrer Opposition nicht abgehen
und mir müssen uns erinnern, daß der Isländer in Dänemark nicht sein
Mutterland sieht, daß er in Bezug auf Sprache, Literatur, nationale Sitten
und Charakter wie Geschichte von diesem verschieden ist.




WeltausstessungsberW.
Allgemeine Uebersicht.

Obgleich am Anfang Juli die „Kisten-Ausstellung", welche der Kladdera¬
datsch (Ur. 23) so vortrefflich geschildert hat. noch nicht völlig verschwunden
war, obgleich mehrere Aussteller mit dem Ausstellen ihrer Gegenstände noch
immer nicht fertig sind, Einzelheiten, ja ganze Schränke noch immer neu hinzu¬
kommen, im Park auch noch immer neue Pavillons errichtet werden, so dürfte
die Ausstellung doch im Wesentlichen fertig sein und ihren Glanzpunkt er¬
reicht haben.

Daß diese Weltausstellung großartig, über alle Maßen großartig ist. un¬
endlich viel Schönes und Interessantes bietet, und daher in hohem Grade
sehenswerth ist, kann Niemand läugnen. Daß sie aber gelungen ist, bestreite
ich. Wenn diese Ausstellung, welche das ganze Gebiet des menschlichen Kön¬
nens und Wissens umfaßt, uns gründlich und nachhaltig belehren soll, so muß
sie in streng systematisch durchgeführter Aufstellung uns ein wissenschaftlich
und ästhetisch geordnetes, treues Bild des gesammten Culturzustandes der
verschiedenen Völker geben, nicht aber, wie das in Wien der Fall ist, ein
regelloses Conglomerat von allerlei mehr oder weniger gelungenen Sonder-
Ausstellungen sein, welches jede Uebersicht, alle Begleichung unmöglich macht.
In der Anordnung oder vielmehr Unordnung, wie die Ausstellung jetzt be¬
steht, enthält sie viel zu viel Einzelheiten und zu viel Dinge, welche ganz


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[0033] Einwohner zählendes Land nicht die Macht zur vollen Selbständigkeit besitzt. Andere Isländer wieder wünschen — wenn auch nicht öffentlich — eine Ver¬ einigung mit dem stammverwandten Norwegen, von wo aus die isländische Bewegung moralisch unterstützt wird. Am 28. Juli 1872 hat Island im Althing seine Wünsche offiziell for- mulirt und dieselben durch eine Deputation dem Könige von Dänemark vor¬ legen lassen, dessen Entscheidung noch aussteht. Dänemark und Island sollen danach nur durch Personalunion verknüpft sein, in Reikjavik soll ein dä¬ nischer Mcekönig mit drei Ministern residiren, die dem Althing verantwortlich sind, welcher auch das Recht der Besteuerung erhält. Wie viel von diesen Wünschen in Ausführung kommt, steht dahin. Ohne große Zugeständnisse wird aber die nationalliberale Partei Islands von ihrer Opposition nicht abgehen und mir müssen uns erinnern, daß der Isländer in Dänemark nicht sein Mutterland sieht, daß er in Bezug auf Sprache, Literatur, nationale Sitten und Charakter wie Geschichte von diesem verschieden ist. WeltausstessungsberW. Allgemeine Uebersicht. Obgleich am Anfang Juli die „Kisten-Ausstellung", welche der Kladdera¬ datsch (Ur. 23) so vortrefflich geschildert hat. noch nicht völlig verschwunden war, obgleich mehrere Aussteller mit dem Ausstellen ihrer Gegenstände noch immer nicht fertig sind, Einzelheiten, ja ganze Schränke noch immer neu hinzu¬ kommen, im Park auch noch immer neue Pavillons errichtet werden, so dürfte die Ausstellung doch im Wesentlichen fertig sein und ihren Glanzpunkt er¬ reicht haben. Daß diese Weltausstellung großartig, über alle Maßen großartig ist. un¬ endlich viel Schönes und Interessantes bietet, und daher in hohem Grade sehenswerth ist, kann Niemand läugnen. Daß sie aber gelungen ist, bestreite ich. Wenn diese Ausstellung, welche das ganze Gebiet des menschlichen Kön¬ nens und Wissens umfaßt, uns gründlich und nachhaltig belehren soll, so muß sie in streng systematisch durchgeführter Aufstellung uns ein wissenschaftlich und ästhetisch geordnetes, treues Bild des gesammten Culturzustandes der verschiedenen Völker geben, nicht aber, wie das in Wien der Fall ist, ein regelloses Conglomerat von allerlei mehr oder weniger gelungenen Sonder- Ausstellungen sein, welches jede Uebersicht, alle Begleichung unmöglich macht. In der Anordnung oder vielmehr Unordnung, wie die Ausstellung jetzt be¬ steht, enthält sie viel zu viel Einzelheiten und zu viel Dinge, welche ganz Grenzboten IV. 1873. 4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_130059/33>, abgerufen am 02.05.2024.