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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. II. Band.

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dem Namen nach und transportirt alles auf Ponies; es giebt keinen Post-
dienst für das Innere; eine Ackerbauschule und Gewerbeschule, die dringend
noth thuen, wurden trotz aller darauf bezüglichen Anträge bis jetzt nicht er¬
richtet. Fragen nun die Dänen, wie derlei Institute ohne größere Be¬
steuerung des armen Landes hergestellt werden sollen, so antworten die
Isländer mit alten Forderungen und sagen, daß die 40,000 Thaler, die
gegenwärtig gezahlt werden, nur geringe Abschlagssummen gegenüber alten
Schulden der Dänen an Island seien. In den Zeiten der Reformation zo¬
gen nämlich die dänischen Könige die Kirchengüter ein, verschleuderten einen
Theil derselben und verwandten den Erlös zu speziell dänischen Zwecken.
Ferner klagen die Isländer darüber, Dänemark habe den größten Theil der
Summen, welche 1783 für Island in ganz Europa gesammelt wurden, als
der Skaptar Jökull seine furchtbaren Verwüstungen angerichtet hatte, im
eigenen Nutzen verwendet! Beleidigend ist es für die Isländer, daß die Be¬
amten des Landes nur Dänen sind, die ihren Verwandten die Geschäfte
in die Hände spielen, daß keine Rechtsschule im Lande existirt und die Is¬
ländischen Studenten gezwungen sind nach Kopenhagen zu gehen, wo wohl
dänisches, aber kein isländisches Recht gelehrt wird.

Wie schwer nun auch diese Klagen wiegen mögen, die hautsächlichste Ur¬
sache der isländischen Bewegung ist der Wunsch, eine Regierung zu besitzen,
welche die nationale Existenz Islands anerkennt. Island für die Is¬
länder lautet der Wahlspruch. Die Isländer wollen nicht wie eine unter¬
jochte Provinz regiert werden und was auch in Kopenhagen gethan werden
möge, ihnen erscheint es schlecht und ungenügend. Ihre positiven Wünsche
sind nun etwa folgende. Das Bureau für isländische Angelegenheiten, wel¬
ches jetzt mit dem dänischen Justizministerium verknüpft ist, soll nach Island
verlegt werden und dort ein verantwortlicher Minister residiren. Die Dänen
entgegnen nun, ein verantwortlicher Minister müsse an der Seite des Königs
sein und man könne es seiner dänischen Majestät doch nicht zumuthen, nach
Reikjavik überzusiedeln; außerdem werde auf diese Weise die Einheit der
dänischen Monarchie zerstört und aus Island ein unabhängiger Staat
geschaffen. Die Isländer antworten dem gegenüber, daß es leicht sei,
einen verantwortlichen Minister in Kopenhagen zu unterhalten, während
die eigentliche Regierung in Reikjavik sei und sie verweisen auf das Personal¬
union-Verhältniß, welches zwischen Norwegen und Schweden besteht. Auch
hätten sie ein volles historisches Recht, die Personalunion zu verlangen, in
einem solchen Verhältnisse hätten sie früher zu Norwegen gestanden und
Dänemark sei nur der Rechtsnachfolger dieses Landes. Es darf nicht ver¬
schwiegen werden, daß auch ein Theil der nationalen Partei Islands in sei¬
nen Ansprüchen nicht so weit geht und darauf hinweist, daß ein kaum 70,000


dem Namen nach und transportirt alles auf Ponies; es giebt keinen Post-
dienst für das Innere; eine Ackerbauschule und Gewerbeschule, die dringend
noth thuen, wurden trotz aller darauf bezüglichen Anträge bis jetzt nicht er¬
richtet. Fragen nun die Dänen, wie derlei Institute ohne größere Be¬
steuerung des armen Landes hergestellt werden sollen, so antworten die
Isländer mit alten Forderungen und sagen, daß die 40,000 Thaler, die
gegenwärtig gezahlt werden, nur geringe Abschlagssummen gegenüber alten
Schulden der Dänen an Island seien. In den Zeiten der Reformation zo¬
gen nämlich die dänischen Könige die Kirchengüter ein, verschleuderten einen
Theil derselben und verwandten den Erlös zu speziell dänischen Zwecken.
Ferner klagen die Isländer darüber, Dänemark habe den größten Theil der
Summen, welche 1783 für Island in ganz Europa gesammelt wurden, als
der Skaptar Jökull seine furchtbaren Verwüstungen angerichtet hatte, im
eigenen Nutzen verwendet! Beleidigend ist es für die Isländer, daß die Be¬
amten des Landes nur Dänen sind, die ihren Verwandten die Geschäfte
in die Hände spielen, daß keine Rechtsschule im Lande existirt und die Is¬
ländischen Studenten gezwungen sind nach Kopenhagen zu gehen, wo wohl
dänisches, aber kein isländisches Recht gelehrt wird.

Wie schwer nun auch diese Klagen wiegen mögen, die hautsächlichste Ur¬
sache der isländischen Bewegung ist der Wunsch, eine Regierung zu besitzen,
welche die nationale Existenz Islands anerkennt. Island für die Is¬
länder lautet der Wahlspruch. Die Isländer wollen nicht wie eine unter¬
jochte Provinz regiert werden und was auch in Kopenhagen gethan werden
möge, ihnen erscheint es schlecht und ungenügend. Ihre positiven Wünsche
sind nun etwa folgende. Das Bureau für isländische Angelegenheiten, wel¬
ches jetzt mit dem dänischen Justizministerium verknüpft ist, soll nach Island
verlegt werden und dort ein verantwortlicher Minister residiren. Die Dänen
entgegnen nun, ein verantwortlicher Minister müsse an der Seite des Königs
sein und man könne es seiner dänischen Majestät doch nicht zumuthen, nach
Reikjavik überzusiedeln; außerdem werde auf diese Weise die Einheit der
dänischen Monarchie zerstört und aus Island ein unabhängiger Staat
geschaffen. Die Isländer antworten dem gegenüber, daß es leicht sei,
einen verantwortlichen Minister in Kopenhagen zu unterhalten, während
die eigentliche Regierung in Reikjavik sei und sie verweisen auf das Personal¬
union-Verhältniß, welches zwischen Norwegen und Schweden besteht. Auch
hätten sie ein volles historisches Recht, die Personalunion zu verlangen, in
einem solchen Verhältnisse hätten sie früher zu Norwegen gestanden und
Dänemark sei nur der Rechtsnachfolger dieses Landes. Es darf nicht ver¬
schwiegen werden, daß auch ein Theil der nationalen Partei Islands in sei¬
nen Ansprüchen nicht so weit geht und darauf hinweist, daß ein kaum 70,000


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_130059/32>, abgerufen am 19.05.2024.