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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. II. Band.

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man nicht bloß mit zwei Worten vorübergehen darf. Wir schließen aber im
Hinblick auf das bevorstehende Fest mit dem praktischen Wunsche, daß Lach-
mann's Werk auf dem Weihnachtstische recht vieler, die Sinn und Verständnis;
für die Schönheit der sophokleischen Dichtung haben, vor allem aber auf dem
Weihnachtstische des deutschen Gymnasiasten zu finden sein möge. Der Preis
des Buches -- 4 Thaler -- ist so überraschend niedrig, daß er kaum in Frage
G. Wustmann. kommt.




Uccesstonserfahrungen im Wrstenthmn Mldeck.
(Schluß.)

Bis zu der im Jahre 1810 erfolgten Säcularisation war Schaalen ein
freiweltliches Fräuleinstift gewesen, ursprünglich zu dem Zwecke der abgeson¬
derten und fortdauernden Religionsübung errichtet. Auch nach der Säkulari¬
sation blieb es als Fräuleinstift erhalten, jedoch lediglich mit dem Charakter
einer Versorgungsanstalt. Die nach dem Statut berechtigten Personen er¬
hielten bestimmte Präbenden, Adelige doppelt soviel als Bürgerliche; bei
Mangel passender inländischer Damen sollten ausländische, jedoch nur Adelige,
bedacht werden. Der waldeckschen Volksvertretung des Jahres 1848 dünkte
das eine wenig gemeinnützige Einrichtung; sie machte der damaligen Fürstin-
Regentin den Vorschlag, das Stift aufzuheben, und faßte zugleich die Ver¬
wendung der Einkünfte desselben zur Errichtung einer Irrenanstalt ins Auge.
Fürstin Emma, deren Hingebung an die Interessen des Landes die waldeck-
sche Bevölkerung noch lange ein dankbares Gedächtniß bewahren wird, ge¬
nehmigte die Aufhebung und willigte in die Verwendung zu dem angegebenen
Zwecke. Die Einkünfte sollten nunmehr so lange aufgesammelt werden, bis
ein zur Ausführung dieses Planes genügendes Kapital vorhanden sein würde.
Director und Syndicus des Stifts wurden infolgedessen entlassen, die Ein¬
künfte der Staatssinanzverwaltung unterstellt. Wiederholt wurde das Stift
von der Regierung ausdrücklich als aufgehoben bezeichnet, ja es wurde für
ein 18S0 aufgenommenes Staatsanlehen verpfändet. Kein Zweifel also, daß
es Staatsgut geworden war und als solches behandelt wurde. Allein, es
kamen die fünfziger Jahre und mit ihnen die Mode, die Acte des Jahres 48
als illegal darzustellen und, wenn möglich, rückgängig zu machen. So verfiel
zunächst das Consistorium auf den Gedanken, in einer Eingabe an den in
zwischen zur Regierung gelangten jetzigen Fürsten das Stift frischweg für die


man nicht bloß mit zwei Worten vorübergehen darf. Wir schließen aber im
Hinblick auf das bevorstehende Fest mit dem praktischen Wunsche, daß Lach-
mann's Werk auf dem Weihnachtstische recht vieler, die Sinn und Verständnis;
für die Schönheit der sophokleischen Dichtung haben, vor allem aber auf dem
Weihnachtstische des deutschen Gymnasiasten zu finden sein möge. Der Preis
des Buches — 4 Thaler — ist so überraschend niedrig, daß er kaum in Frage
G. Wustmann. kommt.




Uccesstonserfahrungen im Wrstenthmn Mldeck.
(Schluß.)

Bis zu der im Jahre 1810 erfolgten Säcularisation war Schaalen ein
freiweltliches Fräuleinstift gewesen, ursprünglich zu dem Zwecke der abgeson¬
derten und fortdauernden Religionsübung errichtet. Auch nach der Säkulari¬
sation blieb es als Fräuleinstift erhalten, jedoch lediglich mit dem Charakter
einer Versorgungsanstalt. Die nach dem Statut berechtigten Personen er¬
hielten bestimmte Präbenden, Adelige doppelt soviel als Bürgerliche; bei
Mangel passender inländischer Damen sollten ausländische, jedoch nur Adelige,
bedacht werden. Der waldeckschen Volksvertretung des Jahres 1848 dünkte
das eine wenig gemeinnützige Einrichtung; sie machte der damaligen Fürstin-
Regentin den Vorschlag, das Stift aufzuheben, und faßte zugleich die Ver¬
wendung der Einkünfte desselben zur Errichtung einer Irrenanstalt ins Auge.
Fürstin Emma, deren Hingebung an die Interessen des Landes die waldeck-
sche Bevölkerung noch lange ein dankbares Gedächtniß bewahren wird, ge¬
nehmigte die Aufhebung und willigte in die Verwendung zu dem angegebenen
Zwecke. Die Einkünfte sollten nunmehr so lange aufgesammelt werden, bis
ein zur Ausführung dieses Planes genügendes Kapital vorhanden sein würde.
Director und Syndicus des Stifts wurden infolgedessen entlassen, die Ein¬
künfte der Staatssinanzverwaltung unterstellt. Wiederholt wurde das Stift
von der Regierung ausdrücklich als aufgehoben bezeichnet, ja es wurde für
ein 18S0 aufgenommenes Staatsanlehen verpfändet. Kein Zweifel also, daß
es Staatsgut geworden war und als solches behandelt wurde. Allein, es
kamen die fünfziger Jahre und mit ihnen die Mode, die Acte des Jahres 48
als illegal darzustellen und, wenn möglich, rückgängig zu machen. So verfiel
zunächst das Consistorium auf den Gedanken, in einer Eingabe an den in
zwischen zur Regierung gelangten jetzigen Fürsten das Stift frischweg für die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_130059/426>, abgerufen am 03.05.2024.