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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. II. Band.

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Mit Januar AÄ?H beginnt die Zeitschrift ein neues Halbjahr,
welches durch alle Buchhandlungen und Postanstalten des
In- und Auslandes zu beziehen ist.
Leipzig, im Dezember 1873.Die Verlagshandlung.

Uns den Aeiseerinnerungen eines alten Walers.

Ich habe manches schöne Fleckchen Erde gesehen, von den sonnenhellen
Buchten der südlichen Meere bis hinauf zu den eisumstarrten Fjorden Nor¬
wegens, und manchen Sommer in unserm bayrischen Hochlande fröhlich ver¬
bummelt; -- man nannte das zu meiner Zeit Landschaftsstudien machen, und
das waren mir immer von allen Studien die liebsten. Was waren das fröh¬
liche Wanderungen in d.er eisenbahnlosen Zeit mit leichtem Sinn, leichtem
Ränzel und einem, für alles Schöne begeisterten Herzen. Aber so viel ich auch
des Herrlichen gesehen, so recht angethan bis ins innerste Herz hinein hat
mir's vor Allem ein kleines Felseneiland: die traumhaft schöne Insel Capri
im Golf von Neapel. Freilich war es wohl nicht die Schönheit der Gegend
allein, es hatte das nebenbei noch seinen Grund, in einem Stückchen Jugend¬
geschichte und davon möchte ich Ihnen erzählen.

Ich war ein junger, fröhlicher Geselle, und genoß damals schon eine
Art von Ruf als Portraitmaler, hatte ich doch sogar schon einige Prinzes¬
sinnen abkonterfeyen dürfen; man sagte mir aber, um die rechte künstlerische
Weihe zu erhalten, müsse man nothwendig nach Italien gehen, und das
leuchtete mir ein, konnte ich mir doch keine angenehmere Manier vorstellen,
den heiligen Künstlergeist auf mich herabschweben zu lassen, als in dem schö¬
nen Italien mit der großen Vergangenheit, den herrlichen Kunstschätzen, dem
trefflichen Wein und den schönen Frauen. Ich will es aber ehrlich bekennen,
ich verstand Rom und die Alterthümer und die Kunstschätze noch nicht; ich
glaubte Raphael und die Antike emsig zu studiren, zeichnete und malte fleißig
nach dem Modell, indessen so recht viel habe ich damals wohl kaum profitirt.
Sonst aber gefiel mir's über die Maßen, ich fand dort liebe Freunde wieder,
mancher neue, innige Freundschaftsbund wurde geknüpft; den großen Thor-
waldsen, Overbeck. Koch, Horace Vernet und Andere, zu jener Zeit auf der
Höhe ihres Ruhmes stehende Künstler lernte ich damals persönlich kennen.
Außerdem schwelgte ich nach Herzenslust in der göttlichen Natur, der Cam-
pagna und den Bergen von Albano, Tivoli und Subiaco.

So kam der Mai heran und mit ihm die Zeit, nach Neapel zu gehen.


Grenzboten IV. is'!". 61.

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Mit Januar AÄ?H beginnt die Zeitschrift ein neues Halbjahr,
welches durch alle Buchhandlungen und Postanstalten des
In- und Auslandes zu beziehen ist.
Leipzig, im Dezember 1873.Die Verlagshandlung.

Uns den Aeiseerinnerungen eines alten Walers.

Ich habe manches schöne Fleckchen Erde gesehen, von den sonnenhellen
Buchten der südlichen Meere bis hinauf zu den eisumstarrten Fjorden Nor¬
wegens, und manchen Sommer in unserm bayrischen Hochlande fröhlich ver¬
bummelt; — man nannte das zu meiner Zeit Landschaftsstudien machen, und
das waren mir immer von allen Studien die liebsten. Was waren das fröh¬
liche Wanderungen in d.er eisenbahnlosen Zeit mit leichtem Sinn, leichtem
Ränzel und einem, für alles Schöne begeisterten Herzen. Aber so viel ich auch
des Herrlichen gesehen, so recht angethan bis ins innerste Herz hinein hat
mir's vor Allem ein kleines Felseneiland: die traumhaft schöne Insel Capri
im Golf von Neapel. Freilich war es wohl nicht die Schönheit der Gegend
allein, es hatte das nebenbei noch seinen Grund, in einem Stückchen Jugend¬
geschichte und davon möchte ich Ihnen erzählen.

Ich war ein junger, fröhlicher Geselle, und genoß damals schon eine
Art von Ruf als Portraitmaler, hatte ich doch sogar schon einige Prinzes¬
sinnen abkonterfeyen dürfen; man sagte mir aber, um die rechte künstlerische
Weihe zu erhalten, müsse man nothwendig nach Italien gehen, und das
leuchtete mir ein, konnte ich mir doch keine angenehmere Manier vorstellen,
den heiligen Künstlergeist auf mich herabschweben zu lassen, als in dem schö¬
nen Italien mit der großen Vergangenheit, den herrlichen Kunstschätzen, dem
trefflichen Wein und den schönen Frauen. Ich will es aber ehrlich bekennen,
ich verstand Rom und die Alterthümer und die Kunstschätze noch nicht; ich
glaubte Raphael und die Antike emsig zu studiren, zeichnete und malte fleißig
nach dem Modell, indessen so recht viel habe ich damals wohl kaum profitirt.
Sonst aber gefiel mir's über die Maßen, ich fand dort liebe Freunde wieder,
mancher neue, innige Freundschaftsbund wurde geknüpft; den großen Thor-
waldsen, Overbeck. Koch, Horace Vernet und Andere, zu jener Zeit auf der
Höhe ihres Ruhmes stehende Künstler lernte ich damals persönlich kennen.
Außerdem schwelgte ich nach Herzenslust in der göttlichen Natur, der Cam-
pagna und den Bergen von Albano, Tivoli und Subiaco.

So kam der Mai heran und mit ihm die Zeit, nach Neapel zu gehen.


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[0489] » Mit Januar AÄ?H beginnt die Zeitschrift ein neues Halbjahr, welches durch alle Buchhandlungen und Postanstalten des In- und Auslandes zu beziehen ist. Leipzig, im Dezember 1873.Die Verlagshandlung. Uns den Aeiseerinnerungen eines alten Walers. Ich habe manches schöne Fleckchen Erde gesehen, von den sonnenhellen Buchten der südlichen Meere bis hinauf zu den eisumstarrten Fjorden Nor¬ wegens, und manchen Sommer in unserm bayrischen Hochlande fröhlich ver¬ bummelt; — man nannte das zu meiner Zeit Landschaftsstudien machen, und das waren mir immer von allen Studien die liebsten. Was waren das fröh¬ liche Wanderungen in d.er eisenbahnlosen Zeit mit leichtem Sinn, leichtem Ränzel und einem, für alles Schöne begeisterten Herzen. Aber so viel ich auch des Herrlichen gesehen, so recht angethan bis ins innerste Herz hinein hat mir's vor Allem ein kleines Felseneiland: die traumhaft schöne Insel Capri im Golf von Neapel. Freilich war es wohl nicht die Schönheit der Gegend allein, es hatte das nebenbei noch seinen Grund, in einem Stückchen Jugend¬ geschichte und davon möchte ich Ihnen erzählen. Ich war ein junger, fröhlicher Geselle, und genoß damals schon eine Art von Ruf als Portraitmaler, hatte ich doch sogar schon einige Prinzes¬ sinnen abkonterfeyen dürfen; man sagte mir aber, um die rechte künstlerische Weihe zu erhalten, müsse man nothwendig nach Italien gehen, und das leuchtete mir ein, konnte ich mir doch keine angenehmere Manier vorstellen, den heiligen Künstlergeist auf mich herabschweben zu lassen, als in dem schö¬ nen Italien mit der großen Vergangenheit, den herrlichen Kunstschätzen, dem trefflichen Wein und den schönen Frauen. Ich will es aber ehrlich bekennen, ich verstand Rom und die Alterthümer und die Kunstschätze noch nicht; ich glaubte Raphael und die Antike emsig zu studiren, zeichnete und malte fleißig nach dem Modell, indessen so recht viel habe ich damals wohl kaum profitirt. Sonst aber gefiel mir's über die Maßen, ich fand dort liebe Freunde wieder, mancher neue, innige Freundschaftsbund wurde geknüpft; den großen Thor- waldsen, Overbeck. Koch, Horace Vernet und Andere, zu jener Zeit auf der Höhe ihres Ruhmes stehende Künstler lernte ich damals persönlich kennen. Außerdem schwelgte ich nach Herzenslust in der göttlichen Natur, der Cam- pagna und den Bergen von Albano, Tivoli und Subiaco. So kam der Mai heran und mit ihm die Zeit, nach Neapel zu gehen. Grenzboten IV. is'!». 61.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_130059/489>, abgerufen am 03.05.2024.