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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Beamten zu sorgen, so müsse er auch, nach Analogie des Pensionsfonds, auf
Einziehung von Beiträgen der Beamten verzichten. Dies wäre -ein Act der
Billigkeit, welchen wir um so sicherer erhoffen, als nach unserer obigen Aus¬
führung über die Gehaltsaufbesserungen früher oder später doch eine Erhöhung
der Gehälter eintreten muß und, nach den Aeußerungen des preußischen Fi¬
nanzministers bei Gelegenheit der Etatsberathungen, erfolgen wird. Herr
Witte meint ungefähr dasselbe, wenn er sagt, "eine spätere gänzliche Aufhe¬
bung der Beiträge erscheint, da sie genau den "Charakter einer geringen Ge¬
haltserhöhung für alle Beamten haben würde, durchaus nicht undenkbar".
Ihm liegt aber vor allen Dingen daran, aus dem bisherigen Zustande her¬
auszukommen; doch erwartet er, die Negierung werde die Beiträge möglichst
niedrig firiren. Sind denn aber diese Beiträge so durchaus nothwendig? Im
Falle sie nur niedrig bemessen werden, entlasten sie die Staatskasse nur um
ein Geringes, können also füglich auch ganz wegfallen. Mögen sie aber hoch
oder niedrig gegriffen werden, sie haben immer das Odium der Gehaltsabzüge
gegen sich. Und befinden sich denn in der That die Finanzen Preußens nicht
in einer Lage, wie sie glänzender vorher kaum gewesen und schwerlich so bald
wieder erreicht werden wird? Die vom Verfasser befürwortete Einrichtung
würde mit der Aenderung, daß der Staat auf die Beiträge verzichtet, alle Be¬
amten mit lebhaftem Danke erfüllen und noch freudiger begrüßt werden, wie
eine directe neue Gehaltsaufbesserung.




Kleine Besprechungen.

Widerlegung des Materialismus und der mechanischen Welt¬
ansicht. Ein Bortrag von Dr. Rudolf Seydel. Berlin. 1873. F. Henschel. --

Ueber Materialismus wird gegenwärtig sehr viel geschrieben und gesprochen
und wir besitzen bogenreiche Werke über dieses Thema; vorliegende Schrift
zeichnet sich aber unter ihres Gleichen gerade dadurch aus. daß'sie von sehr
geringem Umfange ist; sie umfaßt nur 34 Seiten. Ihr Verfasser ist schon
längst bekannt als ein Vorkämpfer für geistige Interessen; er erhebt auch hier
feine Stimme, um die Blicke seiner Leser über die gewöhnlichen Sorgen des
Lebens hinaus zu allgemein interessirenden Dingen zu lenken. Mit Geschick-
lichkeit entwickelt er auf so eng begrenztem Raume seine Gedanken und weiß
recht fesselnd die so abstracten Dinge in allgemein verständlicher Weise
darzustellen, so daß das Schriftchen so recht geeignet ist, jemandem, der mit
philosophischer Schulsprache unbekannt ist, eine Einsicht in die betreffende
Frage zu geben. Der Verfasser will übrigens nicht blos eine Widerlegung
des Materialismus geben, sondern zugleich zeigen, daß derselbe sammt der
mechanischen Weltansicht auf Grund eines gesunden, verständigen Denkens be¬
kämpft werden kann, und daß man als Gegner desselben nicht nothwendiger
Weise Anhänger veralteter Weltanschauungen sein müsse.




Verantwortlicher Redakteur: Dr. Haus Blau.
Verlag von F. L. Hcrbig. -- Druck von Hiithcl K Legler in Leipzig.

Beamten zu sorgen, so müsse er auch, nach Analogie des Pensionsfonds, auf
Einziehung von Beiträgen der Beamten verzichten. Dies wäre -ein Act der
Billigkeit, welchen wir um so sicherer erhoffen, als nach unserer obigen Aus¬
führung über die Gehaltsaufbesserungen früher oder später doch eine Erhöhung
der Gehälter eintreten muß und, nach den Aeußerungen des preußischen Fi¬
nanzministers bei Gelegenheit der Etatsberathungen, erfolgen wird. Herr
Witte meint ungefähr dasselbe, wenn er sagt, „eine spätere gänzliche Aufhe¬
bung der Beiträge erscheint, da sie genau den "Charakter einer geringen Ge¬
haltserhöhung für alle Beamten haben würde, durchaus nicht undenkbar".
Ihm liegt aber vor allen Dingen daran, aus dem bisherigen Zustande her¬
auszukommen; doch erwartet er, die Negierung werde die Beiträge möglichst
niedrig firiren. Sind denn aber diese Beiträge so durchaus nothwendig? Im
Falle sie nur niedrig bemessen werden, entlasten sie die Staatskasse nur um
ein Geringes, können also füglich auch ganz wegfallen. Mögen sie aber hoch
oder niedrig gegriffen werden, sie haben immer das Odium der Gehaltsabzüge
gegen sich. Und befinden sich denn in der That die Finanzen Preußens nicht
in einer Lage, wie sie glänzender vorher kaum gewesen und schwerlich so bald
wieder erreicht werden wird? Die vom Verfasser befürwortete Einrichtung
würde mit der Aenderung, daß der Staat auf die Beiträge verzichtet, alle Be¬
amten mit lebhaftem Danke erfüllen und noch freudiger begrüßt werden, wie
eine directe neue Gehaltsaufbesserung.




Kleine Besprechungen.

Widerlegung des Materialismus und der mechanischen Welt¬
ansicht. Ein Bortrag von Dr. Rudolf Seydel. Berlin. 1873. F. Henschel. —

Ueber Materialismus wird gegenwärtig sehr viel geschrieben und gesprochen
und wir besitzen bogenreiche Werke über dieses Thema; vorliegende Schrift
zeichnet sich aber unter ihres Gleichen gerade dadurch aus. daß'sie von sehr
geringem Umfange ist; sie umfaßt nur 34 Seiten. Ihr Verfasser ist schon
längst bekannt als ein Vorkämpfer für geistige Interessen; er erhebt auch hier
feine Stimme, um die Blicke seiner Leser über die gewöhnlichen Sorgen des
Lebens hinaus zu allgemein interessirenden Dingen zu lenken. Mit Geschick-
lichkeit entwickelt er auf so eng begrenztem Raume seine Gedanken und weiß
recht fesselnd die so abstracten Dinge in allgemein verständlicher Weise
darzustellen, so daß das Schriftchen so recht geeignet ist, jemandem, der mit
philosophischer Schulsprache unbekannt ist, eine Einsicht in die betreffende
Frage zu geben. Der Verfasser will übrigens nicht blos eine Widerlegung
des Materialismus geben, sondern zugleich zeigen, daß derselbe sammt der
mechanischen Weltansicht auf Grund eines gesunden, verständigen Denkens be¬
kämpft werden kann, und daß man als Gegner desselben nicht nothwendiger
Weise Anhänger veralteter Weltanschauungen sein müsse.




Verantwortlicher Redakteur: Dr. Haus Blau.
Verlag von F. L. Hcrbig. — Druck von Hiithcl K Legler in Leipzig.
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[0288] Beamten zu sorgen, so müsse er auch, nach Analogie des Pensionsfonds, auf Einziehung von Beiträgen der Beamten verzichten. Dies wäre -ein Act der Billigkeit, welchen wir um so sicherer erhoffen, als nach unserer obigen Aus¬ führung über die Gehaltsaufbesserungen früher oder später doch eine Erhöhung der Gehälter eintreten muß und, nach den Aeußerungen des preußischen Fi¬ nanzministers bei Gelegenheit der Etatsberathungen, erfolgen wird. Herr Witte meint ungefähr dasselbe, wenn er sagt, „eine spätere gänzliche Aufhe¬ bung der Beiträge erscheint, da sie genau den "Charakter einer geringen Ge¬ haltserhöhung für alle Beamten haben würde, durchaus nicht undenkbar". Ihm liegt aber vor allen Dingen daran, aus dem bisherigen Zustande her¬ auszukommen; doch erwartet er, die Negierung werde die Beiträge möglichst niedrig firiren. Sind denn aber diese Beiträge so durchaus nothwendig? Im Falle sie nur niedrig bemessen werden, entlasten sie die Staatskasse nur um ein Geringes, können also füglich auch ganz wegfallen. Mögen sie aber hoch oder niedrig gegriffen werden, sie haben immer das Odium der Gehaltsabzüge gegen sich. Und befinden sich denn in der That die Finanzen Preußens nicht in einer Lage, wie sie glänzender vorher kaum gewesen und schwerlich so bald wieder erreicht werden wird? Die vom Verfasser befürwortete Einrichtung würde mit der Aenderung, daß der Staat auf die Beiträge verzichtet, alle Be¬ amten mit lebhaftem Danke erfüllen und noch freudiger begrüßt werden, wie eine directe neue Gehaltsaufbesserung. Kleine Besprechungen. Widerlegung des Materialismus und der mechanischen Welt¬ ansicht. Ein Bortrag von Dr. Rudolf Seydel. Berlin. 1873. F. Henschel. — Ueber Materialismus wird gegenwärtig sehr viel geschrieben und gesprochen und wir besitzen bogenreiche Werke über dieses Thema; vorliegende Schrift zeichnet sich aber unter ihres Gleichen gerade dadurch aus. daß'sie von sehr geringem Umfange ist; sie umfaßt nur 34 Seiten. Ihr Verfasser ist schon längst bekannt als ein Vorkämpfer für geistige Interessen; er erhebt auch hier feine Stimme, um die Blicke seiner Leser über die gewöhnlichen Sorgen des Lebens hinaus zu allgemein interessirenden Dingen zu lenken. Mit Geschick- lichkeit entwickelt er auf so eng begrenztem Raume seine Gedanken und weiß recht fesselnd die so abstracten Dinge in allgemein verständlicher Weise darzustellen, so daß das Schriftchen so recht geeignet ist, jemandem, der mit philosophischer Schulsprache unbekannt ist, eine Einsicht in die betreffende Frage zu geben. Der Verfasser will übrigens nicht blos eine Widerlegung des Materialismus geben, sondern zugleich zeigen, daß derselbe sammt der mechanischen Weltansicht auf Grund eines gesunden, verständigen Denkens be¬ kämpft werden kann, und daß man als Gegner desselben nicht nothwendiger Weise Anhänger veralteter Weltanschauungen sein müsse. Verantwortlicher Redakteur: Dr. Haus Blau. Verlag von F. L. Hcrbig. — Druck von Hiithcl K Legler in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/288>, abgerufen am 03.05.2024.