Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Kriegsgeschichte 1870--71.

(v. Hahnke: III. Armee; v. Schelk: Goeben.)

Vor einiger Zeit veröffentlichte der Chef des Generalstabs der Armee,
Feldmarschall Graf Moltke. im Militär-Wochenblatte folgende Erklärung.

"Neuerdings erschienene Werke schildern besondere Abschnitte des Feldzugs 1870/71,
oder die Theilnahme einzelner Waffen oder Heerestheile an demselben. Es liegt
in der Natur der Sache, daß diese Schriften dasjenige, was außerhalb des Rah¬
mens ihrer speciellen Aufgabe fällt, nur nebensächlich behandeln, und daß dabei unab-
sichtliche Irrthümer oder Auslassungen vorkommen können.

Wie den militärischen Schriftstellern bereitwillig das Material der Kricgsacten zu¬
gänglich gemacht wird, so liegt ihnen andererseits die Verpflichtung ob, das daraus
gewonnene Resultat dem Generalstab zur Einsicht vorzulegen.

Diese Controle kann sich aber selbstverständlich nicht darauf erstrecken, die Voll¬
ständigkeit und absolut richtige Auffassung aller in jenen Werken angeführten, nament¬
lich taktischen Einzelheiten zu prüfen. "

Dies würde dazu nöthigen, bei jeder derartigen Veranlassung die umfangreichen
Tagebücher und Berichte zahlreicher Truppenkörper immer wieder aufs neue durchzu¬
sehen, eine Arbeit, zu welcher der mit der offiziellen Darstellung des Feldzuges be¬
schäftigten kricgsgeschichtlichen Abtheilung weder Zeit noch Kräfte gewährt sind.

Ohnehin kann es nicht in der Absicht liegen, die selbstständige Meinungsäußerung
der militärischen Schriftsteller zu erschweren, vielmehr unterliegen ihre Aufsätze nur so
weit einer Prüfung, daß nicht durch Haltung und Ausdruck eine Polemik in der Presse
Zwischen Truppenkörpern oder Befehlshabern hervorgerufen werde, die dem militärischen
Geist nicht entspricht.

Wenn trotz der dabei geübten Sorgfalt dennoch in öffentlichen Blättern Berich¬
tigungen erschienen sind, welche meist wieder der Berichtigung bedürfen, so kann
diesseits nur darauf hingewiesen werden, daß die in Fortgang begriffene offizielle Dar¬
stellung des ganzen Feldzuges bestrebt sein wird, allen Theilen gleichmäßig gerecht
Zu werden, ihren Antheil an einem ruhmvollen Feldzuge ungeschmälert zur Geltung zu
bringen und die entgegenstehenden Auffassungen gerechter zu vermitteln, als dies durch
Zeitungsartikel geschehen kann, die nicht zu erwidern stets eine große Selbstverleugnung
bei dem Betheiligten voraussetzt.

Soweit aber in jenen Reclamationen geltend gemacht wird, daß Aufsätze, die
unter Nespicienz des Gcneralstcwes erschienen sind, einen halb amtlichen Character
tragen, so dürfte aus dem bereits Gesagten genügend hervorgehen, daß dies nicht zu¬
trifft. "


Grenzboten 1873. III. 36
Zur Kriegsgeschichte 1870—71.

(v. Hahnke: III. Armee; v. Schelk: Goeben.)

Vor einiger Zeit veröffentlichte der Chef des Generalstabs der Armee,
Feldmarschall Graf Moltke. im Militär-Wochenblatte folgende Erklärung.

„Neuerdings erschienene Werke schildern besondere Abschnitte des Feldzugs 1870/71,
oder die Theilnahme einzelner Waffen oder Heerestheile an demselben. Es liegt
in der Natur der Sache, daß diese Schriften dasjenige, was außerhalb des Rah¬
mens ihrer speciellen Aufgabe fällt, nur nebensächlich behandeln, und daß dabei unab-
sichtliche Irrthümer oder Auslassungen vorkommen können.

Wie den militärischen Schriftstellern bereitwillig das Material der Kricgsacten zu¬
gänglich gemacht wird, so liegt ihnen andererseits die Verpflichtung ob, das daraus
gewonnene Resultat dem Generalstab zur Einsicht vorzulegen.

Diese Controle kann sich aber selbstverständlich nicht darauf erstrecken, die Voll¬
ständigkeit und absolut richtige Auffassung aller in jenen Werken angeführten, nament¬
lich taktischen Einzelheiten zu prüfen. "

Dies würde dazu nöthigen, bei jeder derartigen Veranlassung die umfangreichen
Tagebücher und Berichte zahlreicher Truppenkörper immer wieder aufs neue durchzu¬
sehen, eine Arbeit, zu welcher der mit der offiziellen Darstellung des Feldzuges be¬
schäftigten kricgsgeschichtlichen Abtheilung weder Zeit noch Kräfte gewährt sind.

Ohnehin kann es nicht in der Absicht liegen, die selbstständige Meinungsäußerung
der militärischen Schriftsteller zu erschweren, vielmehr unterliegen ihre Aufsätze nur so
weit einer Prüfung, daß nicht durch Haltung und Ausdruck eine Polemik in der Presse
Zwischen Truppenkörpern oder Befehlshabern hervorgerufen werde, die dem militärischen
Geist nicht entspricht.

Wenn trotz der dabei geübten Sorgfalt dennoch in öffentlichen Blättern Berich¬
tigungen erschienen sind, welche meist wieder der Berichtigung bedürfen, so kann
diesseits nur darauf hingewiesen werden, daß die in Fortgang begriffene offizielle Dar¬
stellung des ganzen Feldzuges bestrebt sein wird, allen Theilen gleichmäßig gerecht
Zu werden, ihren Antheil an einem ruhmvollen Feldzuge ungeschmälert zur Geltung zu
bringen und die entgegenstehenden Auffassungen gerechter zu vermitteln, als dies durch
Zeitungsartikel geschehen kann, die nicht zu erwidern stets eine große Selbstverleugnung
bei dem Betheiligten voraussetzt.

Soweit aber in jenen Reclamationen geltend gemacht wird, daß Aufsätze, die
unter Nespicienz des Gcneralstcwes erschienen sind, einen halb amtlichen Character
tragen, so dürfte aus dem bereits Gesagten genügend hervorgehen, daß dies nicht zu¬
trifft. "


Grenzboten 1873. III. 36
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0289" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193092"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Zur Kriegsgeschichte 1870&#x2014;71.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_926"> (v. Hahnke: III. Armee; v. Schelk: Goeben.)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_927"> Vor einiger Zeit veröffentlichte der Chef des Generalstabs der Armee,<lb/>
Feldmarschall Graf Moltke. im Militär-Wochenblatte folgende Erklärung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_928"> &#x201E;Neuerdings erschienene Werke schildern besondere Abschnitte des Feldzugs 1870/71,<lb/>
oder die Theilnahme einzelner Waffen oder Heerestheile an demselben. Es liegt<lb/>
in der Natur der Sache, daß diese Schriften dasjenige, was außerhalb des Rah¬<lb/>
mens ihrer speciellen Aufgabe fällt, nur nebensächlich behandeln, und daß dabei unab-<lb/>
sichtliche Irrthümer oder Auslassungen vorkommen können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_929"> Wie den militärischen Schriftstellern bereitwillig das Material der Kricgsacten zu¬<lb/>
gänglich gemacht wird, so liegt ihnen andererseits die Verpflichtung ob, das daraus<lb/>
gewonnene Resultat dem Generalstab zur Einsicht vorzulegen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_930"> Diese Controle kann sich aber selbstverständlich nicht darauf erstrecken, die Voll¬<lb/>
ständigkeit und absolut richtige Auffassung aller in jenen Werken angeführten, nament¬<lb/>
lich taktischen Einzelheiten zu prüfen. "</p><lb/>
          <p xml:id="ID_931"> Dies würde dazu nöthigen, bei jeder derartigen Veranlassung die umfangreichen<lb/>
Tagebücher und Berichte zahlreicher Truppenkörper immer wieder aufs neue durchzu¬<lb/>
sehen, eine Arbeit, zu welcher der mit der offiziellen Darstellung des Feldzuges be¬<lb/>
schäftigten kricgsgeschichtlichen Abtheilung weder Zeit noch Kräfte gewährt sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_932"> Ohnehin kann es nicht in der Absicht liegen, die selbstständige Meinungsäußerung<lb/>
der militärischen Schriftsteller zu erschweren, vielmehr unterliegen ihre Aufsätze nur so<lb/>
weit einer Prüfung, daß nicht durch Haltung und Ausdruck eine Polemik in der Presse<lb/>
Zwischen Truppenkörpern oder Befehlshabern hervorgerufen werde, die dem militärischen<lb/>
Geist nicht entspricht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_933"> Wenn trotz der dabei geübten Sorgfalt dennoch in öffentlichen Blättern Berich¬<lb/>
tigungen erschienen sind, welche meist wieder der Berichtigung bedürfen, so kann<lb/>
diesseits nur darauf hingewiesen werden, daß die in Fortgang begriffene offizielle Dar¬<lb/>
stellung des ganzen Feldzuges bestrebt sein wird, allen Theilen gleichmäßig gerecht<lb/>
Zu werden, ihren Antheil an einem ruhmvollen Feldzuge ungeschmälert zur Geltung zu<lb/>
bringen und die entgegenstehenden Auffassungen gerechter zu vermitteln, als dies durch<lb/>
Zeitungsartikel geschehen kann, die nicht zu erwidern stets eine große Selbstverleugnung<lb/>
bei dem Betheiligten voraussetzt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_934"> Soweit aber in jenen Reclamationen geltend gemacht wird, daß Aufsätze, die<lb/>
unter Nespicienz des Gcneralstcwes erschienen sind, einen halb amtlichen Character<lb/>
tragen, so dürfte aus dem bereits Gesagten genügend hervorgehen, daß dies nicht zu¬<lb/>
trifft. "</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten 1873. III. 36</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0289] Zur Kriegsgeschichte 1870—71. (v. Hahnke: III. Armee; v. Schelk: Goeben.) Vor einiger Zeit veröffentlichte der Chef des Generalstabs der Armee, Feldmarschall Graf Moltke. im Militär-Wochenblatte folgende Erklärung. „Neuerdings erschienene Werke schildern besondere Abschnitte des Feldzugs 1870/71, oder die Theilnahme einzelner Waffen oder Heerestheile an demselben. Es liegt in der Natur der Sache, daß diese Schriften dasjenige, was außerhalb des Rah¬ mens ihrer speciellen Aufgabe fällt, nur nebensächlich behandeln, und daß dabei unab- sichtliche Irrthümer oder Auslassungen vorkommen können. Wie den militärischen Schriftstellern bereitwillig das Material der Kricgsacten zu¬ gänglich gemacht wird, so liegt ihnen andererseits die Verpflichtung ob, das daraus gewonnene Resultat dem Generalstab zur Einsicht vorzulegen. Diese Controle kann sich aber selbstverständlich nicht darauf erstrecken, die Voll¬ ständigkeit und absolut richtige Auffassung aller in jenen Werken angeführten, nament¬ lich taktischen Einzelheiten zu prüfen. " Dies würde dazu nöthigen, bei jeder derartigen Veranlassung die umfangreichen Tagebücher und Berichte zahlreicher Truppenkörper immer wieder aufs neue durchzu¬ sehen, eine Arbeit, zu welcher der mit der offiziellen Darstellung des Feldzuges be¬ schäftigten kricgsgeschichtlichen Abtheilung weder Zeit noch Kräfte gewährt sind. Ohnehin kann es nicht in der Absicht liegen, die selbstständige Meinungsäußerung der militärischen Schriftsteller zu erschweren, vielmehr unterliegen ihre Aufsätze nur so weit einer Prüfung, daß nicht durch Haltung und Ausdruck eine Polemik in der Presse Zwischen Truppenkörpern oder Befehlshabern hervorgerufen werde, die dem militärischen Geist nicht entspricht. Wenn trotz der dabei geübten Sorgfalt dennoch in öffentlichen Blättern Berich¬ tigungen erschienen sind, welche meist wieder der Berichtigung bedürfen, so kann diesseits nur darauf hingewiesen werden, daß die in Fortgang begriffene offizielle Dar¬ stellung des ganzen Feldzuges bestrebt sein wird, allen Theilen gleichmäßig gerecht Zu werden, ihren Antheil an einem ruhmvollen Feldzuge ungeschmälert zur Geltung zu bringen und die entgegenstehenden Auffassungen gerechter zu vermitteln, als dies durch Zeitungsartikel geschehen kann, die nicht zu erwidern stets eine große Selbstverleugnung bei dem Betheiligten voraussetzt. Soweit aber in jenen Reclamationen geltend gemacht wird, daß Aufsätze, die unter Nespicienz des Gcneralstcwes erschienen sind, einen halb amtlichen Character tragen, so dürfte aus dem bereits Gesagten genügend hervorgehen, daß dies nicht zu¬ trifft. " Grenzboten 1873. III. 36

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/289
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/289>, abgerufen am 20.05.2024.