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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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noch hinterwärts Raum genug wäre, alles drängt sich aber vorn auf einen
Fleck zusammen und wie die Sache jetzt steht, kann niemand weder wehren
noch sich rühren. Diese Anstalt die ich hier vorschlage ist morgen um so
nöthiger, da gewiß wieder neue Versuche eines rohen Betragens vorkommen
werden.

Ich ersuche fürstliches Hofmarschallamt die pünctliche Befolgung dieser
Vorschläge, deren guten Effect ich voraus verspreche, befehlen zu lassen, da
demselben die Beruhigung des Hofes und Publikums, wie billig, am Herzen
liegt.')

Ich bitte durch eine Registratur mir von dem Erfolg einige gefällige
Nachricht zu gebend)


Goethe an Hofkammerrath Kinns.

Ich will Ew. Wohlgeboren privatim nicht läugnen, daß mir der Aufsatz,
welchen Sie mir gestern zuschickten empfindlich war, da man mir, der ich mich
nur um das Ganze und eigentlich um das Kunstfach bisher bekümmert habe,
der ich Ihnen die Einrichtung und die Policey im Parterre ganz überlassen
habe, gleichsam die Verantwortlichkeit wegen einiger, in meiner Abwesenheit
vorgefallenen Unarten zuschieben und mir. der ich das Recht habe, auf mehrere
Jahre Contracte zu schließen, auf eine nicht wohl überdachte Weise drohen
will, daß das Theater einmal unverhofft dissolvirt werden könnte. Ich
möchte denn doch wohl wissen, in wessen Gewalt und Willkühr das stehen
dürfte.

Beyliegenden pro Memoria, in welchem ich meine Empfindlichkeit dissi-
mulire, habe ich mit gutwilliger Meynung verfaßt, die ich hier wiederhole:
so lange man nicht auf der rechte Seite eine Wache hinstellt, (morgen sollte
es der tüchtigste Unteroffizier sein) so lange man Bänke auf Bänke propft,
wodurch alle Communication und Cirkulation verhindert wird, so ist man
weder vor einer einzelnen noch vor einer allgemeinen Unart sicher
und ich werde, wenn man Remedur von mir fordert, und doch
auf meine Vorschläge nicht achtet, mich ausdrücklich von aller Ver-
antwortlicheit in diesem Punkte lossagen. Einen Husaren auf die rechte
Seite zu stellen, habe ich schon früher urgirt, es ist aber nie geschehen und
diese Borsicht wird jetzt um so leichter, da auf jener Seite gleichfalls ein




") Der Passus: "und ich bey meiner Abwesenheit in einer Theater-Policeysache wohl kaum
eine weitere Verantwortlichkeit anerkennen würde," wurde gestrichen.
Das undatirte Schreiben fallt wenige Tage nach dem 6. Juni 1797, an dem Goethen
Seitens des Georg Lehrende v. Luck und Franz Kirms zur Anzeige gebracht wurde, daß am
Pfingstmontage und Dienstage sich die Jenenser Studenten ungebührlich aufgeführt, durch wil¬
des Pochen mit den Stöcken den vorzeitigen Beginn der Vorstellung verlangt, "mit bedecktem
Kopf" im Theater gesessen und den Applaus des Hofes durch Stampfen mit Füßen und Stö¬
cken begleitet haben. Vielleicht ist der Brief vom 9. Juni zu datiren, da das nächste am 9.
Juni abgefaßte Schreiben dieselbe Angelegenheit behandelt und auf obigen Brief Bezug nimmt.

noch hinterwärts Raum genug wäre, alles drängt sich aber vorn auf einen
Fleck zusammen und wie die Sache jetzt steht, kann niemand weder wehren
noch sich rühren. Diese Anstalt die ich hier vorschlage ist morgen um so
nöthiger, da gewiß wieder neue Versuche eines rohen Betragens vorkommen
werden.

Ich ersuche fürstliches Hofmarschallamt die pünctliche Befolgung dieser
Vorschläge, deren guten Effect ich voraus verspreche, befehlen zu lassen, da
demselben die Beruhigung des Hofes und Publikums, wie billig, am Herzen
liegt.')

Ich bitte durch eine Registratur mir von dem Erfolg einige gefällige
Nachricht zu gebend)


Goethe an Hofkammerrath Kinns.

Ich will Ew. Wohlgeboren privatim nicht läugnen, daß mir der Aufsatz,
welchen Sie mir gestern zuschickten empfindlich war, da man mir, der ich mich
nur um das Ganze und eigentlich um das Kunstfach bisher bekümmert habe,
der ich Ihnen die Einrichtung und die Policey im Parterre ganz überlassen
habe, gleichsam die Verantwortlichkeit wegen einiger, in meiner Abwesenheit
vorgefallenen Unarten zuschieben und mir. der ich das Recht habe, auf mehrere
Jahre Contracte zu schließen, auf eine nicht wohl überdachte Weise drohen
will, daß das Theater einmal unverhofft dissolvirt werden könnte. Ich
möchte denn doch wohl wissen, in wessen Gewalt und Willkühr das stehen
dürfte.

Beyliegenden pro Memoria, in welchem ich meine Empfindlichkeit dissi-
mulire, habe ich mit gutwilliger Meynung verfaßt, die ich hier wiederhole:
so lange man nicht auf der rechte Seite eine Wache hinstellt, (morgen sollte
es der tüchtigste Unteroffizier sein) so lange man Bänke auf Bänke propft,
wodurch alle Communication und Cirkulation verhindert wird, so ist man
weder vor einer einzelnen noch vor einer allgemeinen Unart sicher
und ich werde, wenn man Remedur von mir fordert, und doch
auf meine Vorschläge nicht achtet, mich ausdrücklich von aller Ver-
antwortlicheit in diesem Punkte lossagen. Einen Husaren auf die rechte
Seite zu stellen, habe ich schon früher urgirt, es ist aber nie geschehen und
diese Borsicht wird jetzt um so leichter, da auf jener Seite gleichfalls ein




") Der Passus: „und ich bey meiner Abwesenheit in einer Theater-Policeysache wohl kaum
eine weitere Verantwortlichkeit anerkennen würde," wurde gestrichen.
Das undatirte Schreiben fallt wenige Tage nach dem 6. Juni 1797, an dem Goethen
Seitens des Georg Lehrende v. Luck und Franz Kirms zur Anzeige gebracht wurde, daß am
Pfingstmontage und Dienstage sich die Jenenser Studenten ungebührlich aufgeführt, durch wil¬
des Pochen mit den Stöcken den vorzeitigen Beginn der Vorstellung verlangt, „mit bedecktem
Kopf" im Theater gesessen und den Applaus des Hofes durch Stampfen mit Füßen und Stö¬
cken begleitet haben. Vielleicht ist der Brief vom 9. Juni zu datiren, da das nächste am 9.
Juni abgefaßte Schreiben dieselbe Angelegenheit behandelt und auf obigen Brief Bezug nimmt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/212>, abgerufen am 28.04.2024.