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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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Wozu preußischen Landtag.

Am 27. Januar kamen im Abgeordnetenhaus bei der Berathung des
Staatshaushaltes die Ausgaben für das Ministerium des Innern zur Sprache,
darunter auch die Ausgaben für die Polizei. Da mußten wir natürlich wie¬
der die Jagdgeschichten von der idealen Vollkommenheit der Londoner Poliee-
men hören. Doch ist immerhin zu constatiren, daß die Phantasie damit schon
weniger durchgängerisch geworden als in den früheren Zeiten. Wir erinnern
uns einer Erzählung, derzufolge der Londoner Policeman die wildesten Mas¬
sen mit einem Stäbchen wie am Zauberbande lenkt, wobei aber jeder Gent¬
leman aus der Masse das Recht hat. dem Policeman die Ellbogen in die
Seiten zu rennen, Seiten, die eine ganz besondere naturhistorische Merkwür¬
digkeit sein müssen. Wir hoffen es doch noch zu erleben, daß diese Seeschlange
verschwindet; sie war schon diesmal kürzer. In Folge dieses Ergebnisses
werden wir auch wohl dahin gelangen, die einheimischen Einrichtungen ruhig
zu prüfen und einzusehen, daß wir erstens für die Polizeieinrichtungen ver"
hältnißmäßig sehr wenig Geld aufwenden, zweitens, daß namentlich die Ver¬
hältnisse Berlins große und eigenthümliche Schwierigkeiten bieten, drittens,
daß wir von der Polizei viel mehr verlangen, als anderwärts verlangt und
geleistet wird. Gebessert soll und muß in diesen Dingen werden, aber man
kann nur bessern, wenn man die Verhältnisse richtig versteht und weiß, was
man will. Wenn wir z. B. wie verlangt worden, in Berlin die Concurrenz
aller möglichen öffentlichen Fuhrwerke einführten, so ist keine Controlle über
das Einhalten der Taxe mehr möglich, und der Fahrende der Gnade und Barm¬
herzigkeit des Führers von dem Fuhrwerk preisgeben, an das er zufällig ge¬
rathen. Wir fahren in Berlin nicht brillant, aber staunenswerth billig und
im Ganzen sehr präcis, ohne Weitläufigkeiten und Verdrießlichkeiten. Die
Erfahrungen, die man in dieser Beziehung in jeder andern großen Stadt
macht, sind weit beschwerlicher.

Am 28. Januar führten die Gelder zu geheimen Ausgaben der Polizei
im Betrage von 40,000 Thlr. zu den unvermeidlichen Ergießungen. Die
Summe selbst ist lächerlich gering, und die Behauptung, daß man alle solche Aus¬
gaben der Oeffentlichkeit übergeben könne, ist im höchsten Grade abgeschmackt
und man muß ihr ohne Weiteres den Ernst absprechen. Die Angriffe konnten
denn auch, wie schon bei den Ausgaben des Staatsministeriums für Pre߬
zwecke , nur gewürzt werden durch die Hereinziehung des sogenannten Welfen-
fonds. Die Sache ist die, daß nie eine Regierung der Welt bestanden hat.
die revolutionären und republikanisch-terroristischen am wenigsten, welche nicht


Wozu preußischen Landtag.

Am 27. Januar kamen im Abgeordnetenhaus bei der Berathung des
Staatshaushaltes die Ausgaben für das Ministerium des Innern zur Sprache,
darunter auch die Ausgaben für die Polizei. Da mußten wir natürlich wie¬
der die Jagdgeschichten von der idealen Vollkommenheit der Londoner Poliee-
men hören. Doch ist immerhin zu constatiren, daß die Phantasie damit schon
weniger durchgängerisch geworden als in den früheren Zeiten. Wir erinnern
uns einer Erzählung, derzufolge der Londoner Policeman die wildesten Mas¬
sen mit einem Stäbchen wie am Zauberbande lenkt, wobei aber jeder Gent¬
leman aus der Masse das Recht hat. dem Policeman die Ellbogen in die
Seiten zu rennen, Seiten, die eine ganz besondere naturhistorische Merkwür¬
digkeit sein müssen. Wir hoffen es doch noch zu erleben, daß diese Seeschlange
verschwindet; sie war schon diesmal kürzer. In Folge dieses Ergebnisses
werden wir auch wohl dahin gelangen, die einheimischen Einrichtungen ruhig
zu prüfen und einzusehen, daß wir erstens für die Polizeieinrichtungen ver«
hältnißmäßig sehr wenig Geld aufwenden, zweitens, daß namentlich die Ver¬
hältnisse Berlins große und eigenthümliche Schwierigkeiten bieten, drittens,
daß wir von der Polizei viel mehr verlangen, als anderwärts verlangt und
geleistet wird. Gebessert soll und muß in diesen Dingen werden, aber man
kann nur bessern, wenn man die Verhältnisse richtig versteht und weiß, was
man will. Wenn wir z. B. wie verlangt worden, in Berlin die Concurrenz
aller möglichen öffentlichen Fuhrwerke einführten, so ist keine Controlle über
das Einhalten der Taxe mehr möglich, und der Fahrende der Gnade und Barm¬
herzigkeit des Führers von dem Fuhrwerk preisgeben, an das er zufällig ge¬
rathen. Wir fahren in Berlin nicht brillant, aber staunenswerth billig und
im Ganzen sehr präcis, ohne Weitläufigkeiten und Verdrießlichkeiten. Die
Erfahrungen, die man in dieser Beziehung in jeder andern großen Stadt
macht, sind weit beschwerlicher.

Am 28. Januar führten die Gelder zu geheimen Ausgaben der Polizei
im Betrage von 40,000 Thlr. zu den unvermeidlichen Ergießungen. Die
Summe selbst ist lächerlich gering, und die Behauptung, daß man alle solche Aus¬
gaben der Oeffentlichkeit übergeben könne, ist im höchsten Grade abgeschmackt
und man muß ihr ohne Weiteres den Ernst absprechen. Die Angriffe konnten
denn auch, wie schon bei den Ausgaben des Staatsministeriums für Pre߬
zwecke , nur gewürzt werden durch die Hereinziehung des sogenannten Welfen-
fonds. Die Sache ist die, daß nie eine Regierung der Welt bestanden hat.
die revolutionären und republikanisch-terroristischen am wenigsten, welche nicht


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[0237] Wozu preußischen Landtag. Am 27. Januar kamen im Abgeordnetenhaus bei der Berathung des Staatshaushaltes die Ausgaben für das Ministerium des Innern zur Sprache, darunter auch die Ausgaben für die Polizei. Da mußten wir natürlich wie¬ der die Jagdgeschichten von der idealen Vollkommenheit der Londoner Poliee- men hören. Doch ist immerhin zu constatiren, daß die Phantasie damit schon weniger durchgängerisch geworden als in den früheren Zeiten. Wir erinnern uns einer Erzählung, derzufolge der Londoner Policeman die wildesten Mas¬ sen mit einem Stäbchen wie am Zauberbande lenkt, wobei aber jeder Gent¬ leman aus der Masse das Recht hat. dem Policeman die Ellbogen in die Seiten zu rennen, Seiten, die eine ganz besondere naturhistorische Merkwür¬ digkeit sein müssen. Wir hoffen es doch noch zu erleben, daß diese Seeschlange verschwindet; sie war schon diesmal kürzer. In Folge dieses Ergebnisses werden wir auch wohl dahin gelangen, die einheimischen Einrichtungen ruhig zu prüfen und einzusehen, daß wir erstens für die Polizeieinrichtungen ver« hältnißmäßig sehr wenig Geld aufwenden, zweitens, daß namentlich die Ver¬ hältnisse Berlins große und eigenthümliche Schwierigkeiten bieten, drittens, daß wir von der Polizei viel mehr verlangen, als anderwärts verlangt und geleistet wird. Gebessert soll und muß in diesen Dingen werden, aber man kann nur bessern, wenn man die Verhältnisse richtig versteht und weiß, was man will. Wenn wir z. B. wie verlangt worden, in Berlin die Concurrenz aller möglichen öffentlichen Fuhrwerke einführten, so ist keine Controlle über das Einhalten der Taxe mehr möglich, und der Fahrende der Gnade und Barm¬ herzigkeit des Führers von dem Fuhrwerk preisgeben, an das er zufällig ge¬ rathen. Wir fahren in Berlin nicht brillant, aber staunenswerth billig und im Ganzen sehr präcis, ohne Weitläufigkeiten und Verdrießlichkeiten. Die Erfahrungen, die man in dieser Beziehung in jeder andern großen Stadt macht, sind weit beschwerlicher. Am 28. Januar führten die Gelder zu geheimen Ausgaben der Polizei im Betrage von 40,000 Thlr. zu den unvermeidlichen Ergießungen. Die Summe selbst ist lächerlich gering, und die Behauptung, daß man alle solche Aus¬ gaben der Oeffentlichkeit übergeben könne, ist im höchsten Grade abgeschmackt und man muß ihr ohne Weiteres den Ernst absprechen. Die Angriffe konnten denn auch, wie schon bei den Ausgaben des Staatsministeriums für Pre߬ zwecke , nur gewürzt werden durch die Hereinziehung des sogenannten Welfen- fonds. Die Sache ist die, daß nie eine Regierung der Welt bestanden hat. die revolutionären und republikanisch-terroristischen am wenigsten, welche nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/237>, abgerufen am 28.04.2024.