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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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Sucht man sich diese Zustände zu vergegenwärtigen, so muß man sich
nur wundern, daß die nationale Partei trotz der vorhandenen Schwierigkeiten
die oben berichteten Erfolge erzielt hat. So viel aber läßt sich schon jetzt
behaupten, daß. wenn es nicht Herrn von Sick noch im rechten Augenblick
gelingen sollte, den protestantischen Geist der schwäbischen Bevölkerung gegen
die destructiven Tendenzen der reichsfeindlichen Dreieinigkeit ins Feld zu rufen,
das Ministerium die Früchte seiner kopflosen Kirchenpolitik bei nächster Gele¬
genheit zu genießen bekommen wird, ohne daß der nationalen Partei daraus
ernstliche Gefahren drohen würden, denn -- ynsm Dsuz peräere vult
äewentat.

Auch für die Diätenfrage lieferten unsere Wahlen interessante Ergebnisse.
Während die Tatenlosigkeit die Aufstellung nationaler Candidaturen sehr
erschwerte, stellte die ultramontane Partei zwei Candidaten auf, welchen ihre
Vermögensverhältnisse nach Berlin zu gehen geradezu verboten. Der Eine,
der Gegner des Fürsten von Hohenlohe-Langenburg. erklärte, nachdem kurz
vorher die gerichtliche Execution seine gänzliche Vermögenslosigkeit ergeben
hatte, daß er auf Kosten der Centrumsfraction nach Berlin gehen würde,
und als der Andere, Bayrhauer, im XIII. Wahlkreis reussirte. subscribirten
sofort die Geistlichen des Bezirks -- man gab ihnen ja die Mittel dazu! --
den Betrag von ca. 1000 Gulden, um damit ihren Abgeordneten auszurüsten,
eine Thatsache, welche wir der Oeffentlichkeit um so weniger vorenthalten
dürfen, als so eben die klerikale Kölner Volkszeitung geflissentlich die Un¬
wahrheit über jene persönlichen Verhältnisse zu verbreiten sich bemüht hat.--

Ueber die Thätigkeit oder vielmehr Untyätigkeit unseres Landtags, dessen
Verhandlungen nun schon seit mehreren Monaten in endloser Weitschweifig¬
keit sich dahinschleppen, glauben wir zur Zeit am besten mit Stillschweigen
hi ". nwegzugehen.




Dom preußischen Landtag.

Am 2. Februar setzte das Abgeordnetenhaus in einer Abendfitzung die
Berathung des Staatshaushaltes und insbesondere die Berathung der Aus¬
gaben des Cultusministeriums fort. Darunter befand sich ein Posten von
S0.000 Thlr. für Synodalkosten, wohlgemerkt, als einmalige und außerordent¬
liche Ausgabe. Bekanntlich hat der König im September v. I. als oberster
Bischof der evangelischen Kirche Preußens eine Neubildung der kirchlichen Ge-


Sucht man sich diese Zustände zu vergegenwärtigen, so muß man sich
nur wundern, daß die nationale Partei trotz der vorhandenen Schwierigkeiten
die oben berichteten Erfolge erzielt hat. So viel aber läßt sich schon jetzt
behaupten, daß. wenn es nicht Herrn von Sick noch im rechten Augenblick
gelingen sollte, den protestantischen Geist der schwäbischen Bevölkerung gegen
die destructiven Tendenzen der reichsfeindlichen Dreieinigkeit ins Feld zu rufen,
das Ministerium die Früchte seiner kopflosen Kirchenpolitik bei nächster Gele¬
genheit zu genießen bekommen wird, ohne daß der nationalen Partei daraus
ernstliche Gefahren drohen würden, denn — ynsm Dsuz peräere vult
äewentat.

Auch für die Diätenfrage lieferten unsere Wahlen interessante Ergebnisse.
Während die Tatenlosigkeit die Aufstellung nationaler Candidaturen sehr
erschwerte, stellte die ultramontane Partei zwei Candidaten auf, welchen ihre
Vermögensverhältnisse nach Berlin zu gehen geradezu verboten. Der Eine,
der Gegner des Fürsten von Hohenlohe-Langenburg. erklärte, nachdem kurz
vorher die gerichtliche Execution seine gänzliche Vermögenslosigkeit ergeben
hatte, daß er auf Kosten der Centrumsfraction nach Berlin gehen würde,
und als der Andere, Bayrhauer, im XIII. Wahlkreis reussirte. subscribirten
sofort die Geistlichen des Bezirks — man gab ihnen ja die Mittel dazu! —
den Betrag von ca. 1000 Gulden, um damit ihren Abgeordneten auszurüsten,
eine Thatsache, welche wir der Oeffentlichkeit um so weniger vorenthalten
dürfen, als so eben die klerikale Kölner Volkszeitung geflissentlich die Un¬
wahrheit über jene persönlichen Verhältnisse zu verbreiten sich bemüht hat.--

Ueber die Thätigkeit oder vielmehr Untyätigkeit unseres Landtags, dessen
Verhandlungen nun schon seit mehreren Monaten in endloser Weitschweifig¬
keit sich dahinschleppen, glauben wir zur Zeit am besten mit Stillschweigen
hi «. nwegzugehen.




Dom preußischen Landtag.

Am 2. Februar setzte das Abgeordnetenhaus in einer Abendfitzung die
Berathung des Staatshaushaltes und insbesondere die Berathung der Aus¬
gaben des Cultusministeriums fort. Darunter befand sich ein Posten von
S0.000 Thlr. für Synodalkosten, wohlgemerkt, als einmalige und außerordent¬
liche Ausgabe. Bekanntlich hat der König im September v. I. als oberster
Bischof der evangelischen Kirche Preußens eine Neubildung der kirchlichen Ge-


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[0274] Sucht man sich diese Zustände zu vergegenwärtigen, so muß man sich nur wundern, daß die nationale Partei trotz der vorhandenen Schwierigkeiten die oben berichteten Erfolge erzielt hat. So viel aber läßt sich schon jetzt behaupten, daß. wenn es nicht Herrn von Sick noch im rechten Augenblick gelingen sollte, den protestantischen Geist der schwäbischen Bevölkerung gegen die destructiven Tendenzen der reichsfeindlichen Dreieinigkeit ins Feld zu rufen, das Ministerium die Früchte seiner kopflosen Kirchenpolitik bei nächster Gele¬ genheit zu genießen bekommen wird, ohne daß der nationalen Partei daraus ernstliche Gefahren drohen würden, denn — ynsm Dsuz peräere vult äewentat. Auch für die Diätenfrage lieferten unsere Wahlen interessante Ergebnisse. Während die Tatenlosigkeit die Aufstellung nationaler Candidaturen sehr erschwerte, stellte die ultramontane Partei zwei Candidaten auf, welchen ihre Vermögensverhältnisse nach Berlin zu gehen geradezu verboten. Der Eine, der Gegner des Fürsten von Hohenlohe-Langenburg. erklärte, nachdem kurz vorher die gerichtliche Execution seine gänzliche Vermögenslosigkeit ergeben hatte, daß er auf Kosten der Centrumsfraction nach Berlin gehen würde, und als der Andere, Bayrhauer, im XIII. Wahlkreis reussirte. subscribirten sofort die Geistlichen des Bezirks — man gab ihnen ja die Mittel dazu! — den Betrag von ca. 1000 Gulden, um damit ihren Abgeordneten auszurüsten, eine Thatsache, welche wir der Oeffentlichkeit um so weniger vorenthalten dürfen, als so eben die klerikale Kölner Volkszeitung geflissentlich die Un¬ wahrheit über jene persönlichen Verhältnisse zu verbreiten sich bemüht hat.-- Ueber die Thätigkeit oder vielmehr Untyätigkeit unseres Landtags, dessen Verhandlungen nun schon seit mehreren Monaten in endloser Weitschweifig¬ keit sich dahinschleppen, glauben wir zur Zeit am besten mit Stillschweigen hi «. nwegzugehen. Dom preußischen Landtag. Am 2. Februar setzte das Abgeordnetenhaus in einer Abendfitzung die Berathung des Staatshaushaltes und insbesondere die Berathung der Aus¬ gaben des Cultusministeriums fort. Darunter befand sich ein Posten von S0.000 Thlr. für Synodalkosten, wohlgemerkt, als einmalige und außerordent¬ liche Ausgabe. Bekanntlich hat der König im September v. I. als oberster Bischof der evangelischen Kirche Preußens eine Neubildung der kirchlichen Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/274>, abgerufen am 27.04.2024.