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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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meindeorgane angeordnet, zunächst für die Stufen der Ortsgemeinde, der
Kreisgemeinde und der Provinzialgemeinde. Die Organe der Kreis- und
Provinzialgemeinde heißen Kreissynode und Provinzialsynode. Aber nicht um
die Kosten dieser Vertretungskörper handelte es sich. Es soll vielmehr eine
außerordentliche Generalsynode als Vertretung der evangelischen Gesammt-
gemeinde des preußischen Staats zusammen berufen werden. Und zwar soll
die außerordentliche Generalsynode die Befugnisse der künftigen ordentlichen
und regelmäßigen Generalsynode mit dem König als dem bisher alleinigen
Träger des evangelischen Kirchenregiments in Preußen vereinbaren. Um die
Kosten der außerordentlichen Generalsynode handelte es sich, also um einen
einmaligen Posten. Denn über die Beschaffung der künftigen wiederkehrenden
Kosten der einstigen regelmäßigen Generalsynode sind noch keine Vorschläge
gemacht, während die Kosten der Gemeindevertretungen und Spezialsynoden.
sofern solche erwachsen, durch die Kirche selbst aufgebracht werden. Die Wich¬
tigkeit der außerordentlichen Generalsynode leuchtet ein. Die Hauptfragen
der künftigen evangelischen Kirchenverfassung werden auf ihr zur Sprache
kommen müssen und vielleicht durch sie entschieden werden. Die großen
grundsätzlichen Fragen, welche auf Grundlage der Verhandlungen der außer¬
ordentlichen Generalsynode ihrer Zeit wohl die öffentliche Meinung bewegen
werden, tauchten zum Theil bei der Behandlung jenes kleinen Ausgabepostens
im Abgeordnetenhause auf. Der Abgeordnete Miquel hatte eine Resolution
beantragt, dahingehend, daß das Haus durch die Bewilligung der Tynodal-
kosten sich nicht des Rechts begebe, die mit der Generalsynode etwa verein¬
barte Verfassung nur mit seiner Zustimmung ins Leben treten zu sehen.
Dies, wie ich ausdrücklich bemerken will, nicht der Wortlaut, aber der präcise
Sinn der von Miquel beantragten Resolution. Man könnte von den ver¬
schiedensten Standpunkten allerlei einwenden gegen das Recht des Abgeord¬
netenhauses, bei der Schöpfung einer evangelischen Kirchenverfassung mitzu¬
wirken. Die Staatsregierung steht indeß nicht auf dem Standpunkt, welcher
dieses Recht in Zweifel zieht, sondern auf demjenigen Miquel's, und auch Ihr
Berichterstatter theilt diesen Standpunkt insoweit, als er die Zuziehung des
Abgeordnetenhauses, wenn auch keineswegs für ein unzweifelhaftes Rechts¬
gebot, doch für eine Förderung der gegebenen Frage, d. h. also für ein Ge¬
bot der politischen Weisheit hält. Eine Begründung dieses Standpunktes
will ich aber jetzt nicht unternehmen, sondern abwarten, bis die Frage im
Abgeordnetenhause eingehender erörtert wird, was wir jedenfalls noch zu er¬
warten haben. Diesmal wurden nur die entgegenstehenden Behauptungen
ausgetauscht. Aber auch andere Standpunkte, wie schon erwähnt, markirten
sich. Herr Klotz, von der Fortschrittspartei, hätte lieber gesehen, wenn die
Kirchenverfassung durch die unkirchlichen Majoritäten der einzelnen Gemeinden


meindeorgane angeordnet, zunächst für die Stufen der Ortsgemeinde, der
Kreisgemeinde und der Provinzialgemeinde. Die Organe der Kreis- und
Provinzialgemeinde heißen Kreissynode und Provinzialsynode. Aber nicht um
die Kosten dieser Vertretungskörper handelte es sich. Es soll vielmehr eine
außerordentliche Generalsynode als Vertretung der evangelischen Gesammt-
gemeinde des preußischen Staats zusammen berufen werden. Und zwar soll
die außerordentliche Generalsynode die Befugnisse der künftigen ordentlichen
und regelmäßigen Generalsynode mit dem König als dem bisher alleinigen
Träger des evangelischen Kirchenregiments in Preußen vereinbaren. Um die
Kosten der außerordentlichen Generalsynode handelte es sich, also um einen
einmaligen Posten. Denn über die Beschaffung der künftigen wiederkehrenden
Kosten der einstigen regelmäßigen Generalsynode sind noch keine Vorschläge
gemacht, während die Kosten der Gemeindevertretungen und Spezialsynoden.
sofern solche erwachsen, durch die Kirche selbst aufgebracht werden. Die Wich¬
tigkeit der außerordentlichen Generalsynode leuchtet ein. Die Hauptfragen
der künftigen evangelischen Kirchenverfassung werden auf ihr zur Sprache
kommen müssen und vielleicht durch sie entschieden werden. Die großen
grundsätzlichen Fragen, welche auf Grundlage der Verhandlungen der außer¬
ordentlichen Generalsynode ihrer Zeit wohl die öffentliche Meinung bewegen
werden, tauchten zum Theil bei der Behandlung jenes kleinen Ausgabepostens
im Abgeordnetenhause auf. Der Abgeordnete Miquel hatte eine Resolution
beantragt, dahingehend, daß das Haus durch die Bewilligung der Tynodal-
kosten sich nicht des Rechts begebe, die mit der Generalsynode etwa verein¬
barte Verfassung nur mit seiner Zustimmung ins Leben treten zu sehen.
Dies, wie ich ausdrücklich bemerken will, nicht der Wortlaut, aber der präcise
Sinn der von Miquel beantragten Resolution. Man könnte von den ver¬
schiedensten Standpunkten allerlei einwenden gegen das Recht des Abgeord¬
netenhauses, bei der Schöpfung einer evangelischen Kirchenverfassung mitzu¬
wirken. Die Staatsregierung steht indeß nicht auf dem Standpunkt, welcher
dieses Recht in Zweifel zieht, sondern auf demjenigen Miquel's, und auch Ihr
Berichterstatter theilt diesen Standpunkt insoweit, als er die Zuziehung des
Abgeordnetenhauses, wenn auch keineswegs für ein unzweifelhaftes Rechts¬
gebot, doch für eine Förderung der gegebenen Frage, d. h. also für ein Ge¬
bot der politischen Weisheit hält. Eine Begründung dieses Standpunktes
will ich aber jetzt nicht unternehmen, sondern abwarten, bis die Frage im
Abgeordnetenhause eingehender erörtert wird, was wir jedenfalls noch zu er¬
warten haben. Diesmal wurden nur die entgegenstehenden Behauptungen
ausgetauscht. Aber auch andere Standpunkte, wie schon erwähnt, markirten
sich. Herr Klotz, von der Fortschrittspartei, hätte lieber gesehen, wenn die
Kirchenverfassung durch die unkirchlichen Majoritäten der einzelnen Gemeinden


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[0275] meindeorgane angeordnet, zunächst für die Stufen der Ortsgemeinde, der Kreisgemeinde und der Provinzialgemeinde. Die Organe der Kreis- und Provinzialgemeinde heißen Kreissynode und Provinzialsynode. Aber nicht um die Kosten dieser Vertretungskörper handelte es sich. Es soll vielmehr eine außerordentliche Generalsynode als Vertretung der evangelischen Gesammt- gemeinde des preußischen Staats zusammen berufen werden. Und zwar soll die außerordentliche Generalsynode die Befugnisse der künftigen ordentlichen und regelmäßigen Generalsynode mit dem König als dem bisher alleinigen Träger des evangelischen Kirchenregiments in Preußen vereinbaren. Um die Kosten der außerordentlichen Generalsynode handelte es sich, also um einen einmaligen Posten. Denn über die Beschaffung der künftigen wiederkehrenden Kosten der einstigen regelmäßigen Generalsynode sind noch keine Vorschläge gemacht, während die Kosten der Gemeindevertretungen und Spezialsynoden. sofern solche erwachsen, durch die Kirche selbst aufgebracht werden. Die Wich¬ tigkeit der außerordentlichen Generalsynode leuchtet ein. Die Hauptfragen der künftigen evangelischen Kirchenverfassung werden auf ihr zur Sprache kommen müssen und vielleicht durch sie entschieden werden. Die großen grundsätzlichen Fragen, welche auf Grundlage der Verhandlungen der außer¬ ordentlichen Generalsynode ihrer Zeit wohl die öffentliche Meinung bewegen werden, tauchten zum Theil bei der Behandlung jenes kleinen Ausgabepostens im Abgeordnetenhause auf. Der Abgeordnete Miquel hatte eine Resolution beantragt, dahingehend, daß das Haus durch die Bewilligung der Tynodal- kosten sich nicht des Rechts begebe, die mit der Generalsynode etwa verein¬ barte Verfassung nur mit seiner Zustimmung ins Leben treten zu sehen. Dies, wie ich ausdrücklich bemerken will, nicht der Wortlaut, aber der präcise Sinn der von Miquel beantragten Resolution. Man könnte von den ver¬ schiedensten Standpunkten allerlei einwenden gegen das Recht des Abgeord¬ netenhauses, bei der Schöpfung einer evangelischen Kirchenverfassung mitzu¬ wirken. Die Staatsregierung steht indeß nicht auf dem Standpunkt, welcher dieses Recht in Zweifel zieht, sondern auf demjenigen Miquel's, und auch Ihr Berichterstatter theilt diesen Standpunkt insoweit, als er die Zuziehung des Abgeordnetenhauses, wenn auch keineswegs für ein unzweifelhaftes Rechts¬ gebot, doch für eine Förderung der gegebenen Frage, d. h. also für ein Ge¬ bot der politischen Weisheit hält. Eine Begründung dieses Standpunktes will ich aber jetzt nicht unternehmen, sondern abwarten, bis die Frage im Abgeordnetenhause eingehender erörtert wird, was wir jedenfalls noch zu er¬ warten haben. Diesmal wurden nur die entgegenstehenden Behauptungen ausgetauscht. Aber auch andere Standpunkte, wie schon erwähnt, markirten sich. Herr Klotz, von der Fortschrittspartei, hätte lieber gesehen, wenn die Kirchenverfassung durch die unkirchlichen Majoritäten der einzelnen Gemeinden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/275>, abgerufen am 11.05.2024.