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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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27. März wörtlich mitzutheilen, obgleich derselbe bis auf eine einzige Stelle,
die nachher gestrichen wurde, genau mit dem gültigen Vertrage übereinstimmt.
Und diese einzige Aenderung bringt er durch ein Telegramm Barral's auch
noch zur Kenntniß der Leser, so daß diese in der That, wenn sie nicht ganz
auf den Kopf gefallen sind, den Vertrag durch ihn, der einen Ehrenpunkt
darein setzt, ihn zu verschweigen, kennen lernen würden, wenn sie nicht durch
Bonghi ihn schon kennten. Jene einzige Aenderung aber verdient nicht minder
erwähnt zu werden, weil sie unserm Kaiser zu hoher Ehre gereicht. Nach
dem Entwurf verpflichtete sich Italien, in gegebenem Falle an Oesterreich
"und die deutschen Regierungen, welche mit Oesterreich gegen
Preußen verbündet sein könnten" den Krieg zu erklären. Dieser Zu¬
satz wurde weggelassen. Hornberger führt diese Aenderung auf den Rath des Kaisers
Napoleon zurück, "welchem daran lag, daß Italiens Verbindlichkeiten sich innerhalb
möglichst enger Schranken hielten"; deswegen hätten dieItaliener erklärt, sich
nur zum Kriege gegen Oesterreich verpflichten zu wollen. Aber in einem Te¬
legramm Barral's vom 8. April heißt es ausdrücklich: "Auf den Wunsch des
Königs wurde die Stelle weggelassen, welche am Schluß des Artikels II
erwähnt u. s. f.; der General und ich sind der Ansicht, daß diese Auslassung
auch in unserm Interesse sei." Letzteres gewiß nicht mit Unrecht, wenngleich
die Gefahr eines Flankenangriffs durch bairische Truppen, die dadurch besei¬
tigt wurde, nicht eben groß war. König Wilhelm aber wollte ohne Zweifel
den Vorwurf vermeiden, ein Bündniß mit dem Auslande gegen deutsche
Staaten geschlossen zu haben. Deshalb fehlte von vornherein in dem Ver¬
trage auch der sonst gebräuchliche Passus, daß Freunde und Feinde für beide
Constantin Bulle. Theile dieselben sein sollten.




Kritische Bemerkungen zu Koethe's Biographien
von
C, A. H. Burkhardt.
(Aus Seidel's Briefen und Goethe's Tagebüchern 1775--76.)

Die frühste Zeit des Goethe'schen Aufenthaltes in Weimar, bei weitem die
anziehendste seines ganzen weiteren Lebens, ist seit des Dichters Tode in ihrer
Kenntniß durch eine Menge bedeutender Briefwechsel und sonstige Darstellungen
gefördert worden. Aber dennoch wird man nicht sagen können, daß auch


27. März wörtlich mitzutheilen, obgleich derselbe bis auf eine einzige Stelle,
die nachher gestrichen wurde, genau mit dem gültigen Vertrage übereinstimmt.
Und diese einzige Aenderung bringt er durch ein Telegramm Barral's auch
noch zur Kenntniß der Leser, so daß diese in der That, wenn sie nicht ganz
auf den Kopf gefallen sind, den Vertrag durch ihn, der einen Ehrenpunkt
darein setzt, ihn zu verschweigen, kennen lernen würden, wenn sie nicht durch
Bonghi ihn schon kennten. Jene einzige Aenderung aber verdient nicht minder
erwähnt zu werden, weil sie unserm Kaiser zu hoher Ehre gereicht. Nach
dem Entwurf verpflichtete sich Italien, in gegebenem Falle an Oesterreich
„und die deutschen Regierungen, welche mit Oesterreich gegen
Preußen verbündet sein könnten" den Krieg zu erklären. Dieser Zu¬
satz wurde weggelassen. Hornberger führt diese Aenderung auf den Rath des Kaisers
Napoleon zurück, „welchem daran lag, daß Italiens Verbindlichkeiten sich innerhalb
möglichst enger Schranken hielten"; deswegen hätten dieItaliener erklärt, sich
nur zum Kriege gegen Oesterreich verpflichten zu wollen. Aber in einem Te¬
legramm Barral's vom 8. April heißt es ausdrücklich: „Auf den Wunsch des
Königs wurde die Stelle weggelassen, welche am Schluß des Artikels II
erwähnt u. s. f.; der General und ich sind der Ansicht, daß diese Auslassung
auch in unserm Interesse sei." Letzteres gewiß nicht mit Unrecht, wenngleich
die Gefahr eines Flankenangriffs durch bairische Truppen, die dadurch besei¬
tigt wurde, nicht eben groß war. König Wilhelm aber wollte ohne Zweifel
den Vorwurf vermeiden, ein Bündniß mit dem Auslande gegen deutsche
Staaten geschlossen zu haben. Deshalb fehlte von vornherein in dem Ver¬
trage auch der sonst gebräuchliche Passus, daß Freunde und Feinde für beide
Constantin Bulle. Theile dieselben sein sollten.




Kritische Bemerkungen zu Koethe's Biographien
von
C, A. H. Burkhardt.
(Aus Seidel's Briefen und Goethe's Tagebüchern 1775—76.)

Die frühste Zeit des Goethe'schen Aufenthaltes in Weimar, bei weitem die
anziehendste seines ganzen weiteren Lebens, ist seit des Dichters Tode in ihrer
Kenntniß durch eine Menge bedeutender Briefwechsel und sonstige Darstellungen
gefördert worden. Aber dennoch wird man nicht sagen können, daß auch


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[0381] 27. März wörtlich mitzutheilen, obgleich derselbe bis auf eine einzige Stelle, die nachher gestrichen wurde, genau mit dem gültigen Vertrage übereinstimmt. Und diese einzige Aenderung bringt er durch ein Telegramm Barral's auch noch zur Kenntniß der Leser, so daß diese in der That, wenn sie nicht ganz auf den Kopf gefallen sind, den Vertrag durch ihn, der einen Ehrenpunkt darein setzt, ihn zu verschweigen, kennen lernen würden, wenn sie nicht durch Bonghi ihn schon kennten. Jene einzige Aenderung aber verdient nicht minder erwähnt zu werden, weil sie unserm Kaiser zu hoher Ehre gereicht. Nach dem Entwurf verpflichtete sich Italien, in gegebenem Falle an Oesterreich „und die deutschen Regierungen, welche mit Oesterreich gegen Preußen verbündet sein könnten" den Krieg zu erklären. Dieser Zu¬ satz wurde weggelassen. Hornberger führt diese Aenderung auf den Rath des Kaisers Napoleon zurück, „welchem daran lag, daß Italiens Verbindlichkeiten sich innerhalb möglichst enger Schranken hielten"; deswegen hätten dieItaliener erklärt, sich nur zum Kriege gegen Oesterreich verpflichten zu wollen. Aber in einem Te¬ legramm Barral's vom 8. April heißt es ausdrücklich: „Auf den Wunsch des Königs wurde die Stelle weggelassen, welche am Schluß des Artikels II erwähnt u. s. f.; der General und ich sind der Ansicht, daß diese Auslassung auch in unserm Interesse sei." Letzteres gewiß nicht mit Unrecht, wenngleich die Gefahr eines Flankenangriffs durch bairische Truppen, die dadurch besei¬ tigt wurde, nicht eben groß war. König Wilhelm aber wollte ohne Zweifel den Vorwurf vermeiden, ein Bündniß mit dem Auslande gegen deutsche Staaten geschlossen zu haben. Deshalb fehlte von vornherein in dem Ver¬ trage auch der sonst gebräuchliche Passus, daß Freunde und Feinde für beide Constantin Bulle. Theile dieselben sein sollten. Kritische Bemerkungen zu Koethe's Biographien von C, A. H. Burkhardt. (Aus Seidel's Briefen und Goethe's Tagebüchern 1775—76.) Die frühste Zeit des Goethe'schen Aufenthaltes in Weimar, bei weitem die anziehendste seines ganzen weiteren Lebens, ist seit des Dichters Tode in ihrer Kenntniß durch eine Menge bedeutender Briefwechsel und sonstige Darstellungen gefördert worden. Aber dennoch wird man nicht sagen können, daß auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/381>, abgerufen am 28.04.2024.