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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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Als Beweis dafür wird nur ein Telegramm Nigra's angeführt, das diesen
Sinn haben kann, aber keineswegs zu haben braucht. Dagegen werden
wir des Weiteren sehen, daß ein solches Angebot Oesterreichs mit dessen späterem
Verhalten in unvereinbarem Widerspruch steht, daß es einige Wochen später
vielmehr nur von einer durch den Erwerb Schlesiens bedingten Cession etwas
wissen will. Auch hier haben wir es also mit einem Kunstgriff Lamarmora's
zu thun, für den er um so leichter auf gläubige Leser rechnen mochte, als
Bonghi schon vor ihm von zwei verschiedenen Anerbietungen Oesterreichs ge¬
sprochen hatte, ohne dafür indeß das mindeste Beweismaterial beizubringen.


Constantin Bulle.


Dom deutschen Ueichstag.

Bei der ersten Berathung des Preßgesetzes hatten die Abgeordneten
Reichensperger und Majunke Klage geführt, daß in Elsaß-Lothringen ge¬
wissen Zeitungen der Postdebit entzogen worden. Der Reichskanzler, welcher
zu unserem Bedauern sich die Mühe nahm, zu antworten, hatte zur Recht¬
fertigung jener Maßregel den § 10 des Gesetzes vom 30. Dezember 1871, be¬
treffend die Verwaltung von Elsaß'Lothringen angeführt. Der Paragraph verleiht
bei Gefahr für die öffentliche Sicherheit dem Oberpräsidenten gewisse außer¬
ordentliche Vollmachten, welche auf Grund eines französischen Gesetzes vom
9. August 1849 der Militärbehörde bei verhängtem Belagerungszustand zu¬
stehen. Darunter ist auch die Befugniß enthalten, alle Veröffentlichungen
und Vereinigungen zu untersagen, welche geeignet erachtet werden, Unord¬
nung hervorzurufen. -- Natürlich haben in Folge jener Ausführung des
Reichskanzlers die acht von den elsässischen Abgeordneten, welche nach dem
mißglückter Auftreten des Herrn Teutsch im Reichstag verblieben sind, nichts
Eiligeres zu thun gehabt, als. unterstützt von Mitgliedern des Centrums,
den Antrag einzubringen auf Aufhebung des Z 10 des Gesetzes vom 30.
Dezember 1871. Am 3. März wurde dieser Antrag im Reichstag verhandelt.
Die elsässischen Abgeordneten erhielten nochmals Gelegenheit, ihre Rhetorik
und ihre angeblichen Beschwerden anzubringen. Von der Reichsregierung
wurde dies zur glänzenden Erwiderung benutzt, den Ungrund jener Be¬
schwerden und die überaus milde Behandlung, welche der eroberten Provinz
mit ihrer störrischen Bevölkerung zu Theil wird, aller Welt vor Augen zu


Als Beweis dafür wird nur ein Telegramm Nigra's angeführt, das diesen
Sinn haben kann, aber keineswegs zu haben braucht. Dagegen werden
wir des Weiteren sehen, daß ein solches Angebot Oesterreichs mit dessen späterem
Verhalten in unvereinbarem Widerspruch steht, daß es einige Wochen später
vielmehr nur von einer durch den Erwerb Schlesiens bedingten Cession etwas
wissen will. Auch hier haben wir es also mit einem Kunstgriff Lamarmora's
zu thun, für den er um so leichter auf gläubige Leser rechnen mochte, als
Bonghi schon vor ihm von zwei verschiedenen Anerbietungen Oesterreichs ge¬
sprochen hatte, ohne dafür indeß das mindeste Beweismaterial beizubringen.


Constantin Bulle.


Dom deutschen Ueichstag.

Bei der ersten Berathung des Preßgesetzes hatten die Abgeordneten
Reichensperger und Majunke Klage geführt, daß in Elsaß-Lothringen ge¬
wissen Zeitungen der Postdebit entzogen worden. Der Reichskanzler, welcher
zu unserem Bedauern sich die Mühe nahm, zu antworten, hatte zur Recht¬
fertigung jener Maßregel den § 10 des Gesetzes vom 30. Dezember 1871, be¬
treffend die Verwaltung von Elsaß'Lothringen angeführt. Der Paragraph verleiht
bei Gefahr für die öffentliche Sicherheit dem Oberpräsidenten gewisse außer¬
ordentliche Vollmachten, welche auf Grund eines französischen Gesetzes vom
9. August 1849 der Militärbehörde bei verhängtem Belagerungszustand zu¬
stehen. Darunter ist auch die Befugniß enthalten, alle Veröffentlichungen
und Vereinigungen zu untersagen, welche geeignet erachtet werden, Unord¬
nung hervorzurufen. — Natürlich haben in Folge jener Ausführung des
Reichskanzlers die acht von den elsässischen Abgeordneten, welche nach dem
mißglückter Auftreten des Herrn Teutsch im Reichstag verblieben sind, nichts
Eiligeres zu thun gehabt, als. unterstützt von Mitgliedern des Centrums,
den Antrag einzubringen auf Aufhebung des Z 10 des Gesetzes vom 30.
Dezember 1871. Am 3. März wurde dieser Antrag im Reichstag verhandelt.
Die elsässischen Abgeordneten erhielten nochmals Gelegenheit, ihre Rhetorik
und ihre angeblichen Beschwerden anzubringen. Von der Reichsregierung
wurde dies zur glänzenden Erwiderung benutzt, den Ungrund jener Be¬
schwerden und die überaus milde Behandlung, welche der eroberten Provinz
mit ihrer störrischen Bevölkerung zu Theil wird, aller Welt vor Augen zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/435>, abgerufen am 28.04.2024.