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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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Magyarische Keck'ame in deutschen AlAtern.

Es war vorauszusehen, daß der warme Antheil, welchen die deutsche
Presse aller Parteischattirungen an der seit längerer Zeit schon vorbereiteten,
jetzt aber Schlag auf Schlag erfolgenden Vergewaltigung der Deutschen in
Ungarn und besonders der Sachsen in Siebenbürgen durch die Magyaren
kundgiebt, den Herren in Budapest unangenehm sein werde. Ihre officiösen
Federn mußten daher, während die magyarische Tagespresse für den Auf¬
schrei eines in seiner Tiefe verletzten Nationalgefühls fast nichts hat als Hohn
und Aufruf zu neuer Gewaltthat, jenseits der grün-weiß-rothen Grenzpfähle
sich in Betheuerungen der Sympathie für deutschen Sinn, deutsche Arbeit
und deutsche Kultur in Ungarn ergehen und väterlich vor weiterem Ungestüm
warnend, das Geschehene als Folge unkluger Provocation von Seiten der Ge-
maßregelten selbst darstellen und entschuldigen. Einen solchen Artikel brachte
vor längerer Zeit schon einmal die Berliner Nationalzeitung, ein solcher hat
unlängst über Wien den Weg in die "Kölnische Zeitung" gefunden. Für
den Kundigen ist sein Ursprung im Herzen des magyarischen Chauvinismus
ganz unzweifelhaft. Brauchte er doch zu seinen bösen Zwecken das alte, in
diesem Lager zeitweilig nicht ohne Erfolg schwunghaft ausgebeutete Mittel,
den Kern der antimagyarischen Bestrebungen der Deutschen in Ungarn zu¬
gleich als "ultraconservativ" und dem modernen Staatsrechte überhaupt zu¬
widerlaufend vor der öffentlichen Meinung Deutschlands zu denunciren, in
der Hoffnung, daß, was früher zuweilen verfangen, auch heute seine Dienste
nicht versagen werde.

Solche Zumuthungen an die Gläubigkeit der Deutschen hatten aber
mehr Aussicht auf Erfolg, solange die Deutschen im Reiche gewohnt waren,
im Magyaren zugleich den Märtyrer des politischen Liberalismus zu bewun¬
dern und in ihm den natürlichen Bundesgenossen Deutschlands gegen innere
und äußere Feinde zu sehen. Diese Anschauungen haben einen schweren Stoß
erhalten nicht allein durch das Verhalten der Magyaren während der jüngsten
Kämpfe Deutschlands um seine politische Einheit und Unabhängigkeit, sondern
vorzüglich seit namhafte Reisende, denen Unbefangenheit des Urtheils und
Fähigkeit tieferer Beobachtung Niemand absprechen kann, in Ungarn mit
eigenen Augen gesehen und mit eigenen Ohren gehört und durch die Ver¬
öffentlichung ihrer eigenen Wahrnehmungen das Urtheil des deutschen Volks
auch über den politischen Charakter der schillernden Strömungen an der un¬
tern Donau aufzuklären verstanden haben. Die "Kölnische Zeitung" selbst
hat vor einigen Jahren schon aus der Feder Dr. Rathet's eine Reihe sehr


Magyarische Keck'ame in deutschen AlAtern.

Es war vorauszusehen, daß der warme Antheil, welchen die deutsche
Presse aller Parteischattirungen an der seit längerer Zeit schon vorbereiteten,
jetzt aber Schlag auf Schlag erfolgenden Vergewaltigung der Deutschen in
Ungarn und besonders der Sachsen in Siebenbürgen durch die Magyaren
kundgiebt, den Herren in Budapest unangenehm sein werde. Ihre officiösen
Federn mußten daher, während die magyarische Tagespresse für den Auf¬
schrei eines in seiner Tiefe verletzten Nationalgefühls fast nichts hat als Hohn
und Aufruf zu neuer Gewaltthat, jenseits der grün-weiß-rothen Grenzpfähle
sich in Betheuerungen der Sympathie für deutschen Sinn, deutsche Arbeit
und deutsche Kultur in Ungarn ergehen und väterlich vor weiterem Ungestüm
warnend, das Geschehene als Folge unkluger Provocation von Seiten der Ge-
maßregelten selbst darstellen und entschuldigen. Einen solchen Artikel brachte
vor längerer Zeit schon einmal die Berliner Nationalzeitung, ein solcher hat
unlängst über Wien den Weg in die „Kölnische Zeitung" gefunden. Für
den Kundigen ist sein Ursprung im Herzen des magyarischen Chauvinismus
ganz unzweifelhaft. Brauchte er doch zu seinen bösen Zwecken das alte, in
diesem Lager zeitweilig nicht ohne Erfolg schwunghaft ausgebeutete Mittel,
den Kern der antimagyarischen Bestrebungen der Deutschen in Ungarn zu¬
gleich als „ultraconservativ" und dem modernen Staatsrechte überhaupt zu¬
widerlaufend vor der öffentlichen Meinung Deutschlands zu denunciren, in
der Hoffnung, daß, was früher zuweilen verfangen, auch heute seine Dienste
nicht versagen werde.

Solche Zumuthungen an die Gläubigkeit der Deutschen hatten aber
mehr Aussicht auf Erfolg, solange die Deutschen im Reiche gewohnt waren,
im Magyaren zugleich den Märtyrer des politischen Liberalismus zu bewun¬
dern und in ihm den natürlichen Bundesgenossen Deutschlands gegen innere
und äußere Feinde zu sehen. Diese Anschauungen haben einen schweren Stoß
erhalten nicht allein durch das Verhalten der Magyaren während der jüngsten
Kämpfe Deutschlands um seine politische Einheit und Unabhängigkeit, sondern
vorzüglich seit namhafte Reisende, denen Unbefangenheit des Urtheils und
Fähigkeit tieferer Beobachtung Niemand absprechen kann, in Ungarn mit
eigenen Augen gesehen und mit eigenen Ohren gehört und durch die Ver¬
öffentlichung ihrer eigenen Wahrnehmungen das Urtheil des deutschen Volks
auch über den politischen Charakter der schillernden Strömungen an der un¬
tern Donau aufzuklären verstanden haben. Die „Kölnische Zeitung" selbst
hat vor einigen Jahren schon aus der Feder Dr. Rathet's eine Reihe sehr


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[0466] Magyarische Keck'ame in deutschen AlAtern. Es war vorauszusehen, daß der warme Antheil, welchen die deutsche Presse aller Parteischattirungen an der seit längerer Zeit schon vorbereiteten, jetzt aber Schlag auf Schlag erfolgenden Vergewaltigung der Deutschen in Ungarn und besonders der Sachsen in Siebenbürgen durch die Magyaren kundgiebt, den Herren in Budapest unangenehm sein werde. Ihre officiösen Federn mußten daher, während die magyarische Tagespresse für den Auf¬ schrei eines in seiner Tiefe verletzten Nationalgefühls fast nichts hat als Hohn und Aufruf zu neuer Gewaltthat, jenseits der grün-weiß-rothen Grenzpfähle sich in Betheuerungen der Sympathie für deutschen Sinn, deutsche Arbeit und deutsche Kultur in Ungarn ergehen und väterlich vor weiterem Ungestüm warnend, das Geschehene als Folge unkluger Provocation von Seiten der Ge- maßregelten selbst darstellen und entschuldigen. Einen solchen Artikel brachte vor längerer Zeit schon einmal die Berliner Nationalzeitung, ein solcher hat unlängst über Wien den Weg in die „Kölnische Zeitung" gefunden. Für den Kundigen ist sein Ursprung im Herzen des magyarischen Chauvinismus ganz unzweifelhaft. Brauchte er doch zu seinen bösen Zwecken das alte, in diesem Lager zeitweilig nicht ohne Erfolg schwunghaft ausgebeutete Mittel, den Kern der antimagyarischen Bestrebungen der Deutschen in Ungarn zu¬ gleich als „ultraconservativ" und dem modernen Staatsrechte überhaupt zu¬ widerlaufend vor der öffentlichen Meinung Deutschlands zu denunciren, in der Hoffnung, daß, was früher zuweilen verfangen, auch heute seine Dienste nicht versagen werde. Solche Zumuthungen an die Gläubigkeit der Deutschen hatten aber mehr Aussicht auf Erfolg, solange die Deutschen im Reiche gewohnt waren, im Magyaren zugleich den Märtyrer des politischen Liberalismus zu bewun¬ dern und in ihm den natürlichen Bundesgenossen Deutschlands gegen innere und äußere Feinde zu sehen. Diese Anschauungen haben einen schweren Stoß erhalten nicht allein durch das Verhalten der Magyaren während der jüngsten Kämpfe Deutschlands um seine politische Einheit und Unabhängigkeit, sondern vorzüglich seit namhafte Reisende, denen Unbefangenheit des Urtheils und Fähigkeit tieferer Beobachtung Niemand absprechen kann, in Ungarn mit eigenen Augen gesehen und mit eigenen Ohren gehört und durch die Ver¬ öffentlichung ihrer eigenen Wahrnehmungen das Urtheil des deutschen Volks auch über den politischen Charakter der schillernden Strömungen an der un¬ tern Donau aufzuklären verstanden haben. Die „Kölnische Zeitung" selbst hat vor einigen Jahren schon aus der Feder Dr. Rathet's eine Reihe sehr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/466>, abgerufen am 28.04.2024.