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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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währt, sichert auch sowohl die Beständigkeit der vorhandenen monarchischen
Rechte als ihre Wirksamkeit für den Fall, daß vorübergehende Volksbewe¬
gungen die Staatseinrichtungen erschüttern sollten. Wenn diese Dinge von
allen Seiten zugegeben werden, ist es leicht zu begreifen, daß Deutschland
sicher vorwärts geht auf der Bahn, welche es sich 1870 herausgearbeitet hat.




Die Aufgaben der conservativen Partei in Preußen.

Kein Mitglied der gemäßigt liberalen Parteien des Preuß. Landtages
wird die Ecrafirung der streng konservativen Vertretung im Hause, welche die
letzten Landtagswahlen vollzogen haben, für eine naturgemäße und da¬
rum auf die Dauer haltbare und wünschenswerthe Thatsache halten. Das
Verdammungsurtheil, welches das Preußische Volk bei dieser Gelegenheit aus¬
gesprochen, galt ausschließlich den sog. Altconservativen, die am bekanntesten
sind unter dem Namen der "Kreuzzeitungspartei" und welche sammt ihrem
leitenden Organ seit zwei Jahren etwa sich auf die Seite der Reichsfeinde,
geschlagen haben. Die "Neuconservativen", welche die Getreuen aus dem
conservativen Lager um die Fahne der Regierung Sr. Majestät zu sammeln
strebten, als die "Quitzows" und "Kalksteins" der Krone den Gehorsam auf¬
sagten, sind ungerechterweise von der aufgeregten Stimmung des durchaus
königstreuen Volkes mit den conservativen Namensvettern aus dem Kreuz¬
zeitungslager verwechselt worden. Der Bauer und Städter der Mark Pom¬
merns und Ostpreußens, der, solange er wählt, in der großen Mehrzahl im¬
mer nur dem Candidaten des Landraths seine Stimme gegeben, wurde irre
an der Ordnung der Schöpfung, als Landräthe und selbst Oberpräsidenten
Feinde der königlichen Regierung wurden, und für diesmal glaubte er das
Ziel der Monarchie besser in liberalen Händen gewahrt, als durch Conser-
vative. --

Das kann natürlich nicht so bleiben. Ein Staat, der die conservativen
Elemente mundtodt macht, steht am Anfange der schiefen Ebene, an deren
anderem Ende die Socialdemokraten und alle andern Feinde der modernen
Staatsordnung das Herabgleiten der Kugel fröhlich erwarten, um sie ins
leere Nichts zu schleudern. Aber umgekehrt ist auch die Rückkehr in die feu¬
dalen kleinjunkerlichen Illusionen, welche solange die Staatsgewalt Preußens
beherrschten, und über deren heillose Mißwirthschaft erst die Gegenwart volles
Licht verbreitet, für immer unmöglich. Die Lebensfähigkeit der conservativen
Partei setzt voraus, daß die Ursachen der jüngsten schmerzlichen Niederlage
vollkommen begriffen und für immer vermieden werden. Dazu gehört ein


währt, sichert auch sowohl die Beständigkeit der vorhandenen monarchischen
Rechte als ihre Wirksamkeit für den Fall, daß vorübergehende Volksbewe¬
gungen die Staatseinrichtungen erschüttern sollten. Wenn diese Dinge von
allen Seiten zugegeben werden, ist es leicht zu begreifen, daß Deutschland
sicher vorwärts geht auf der Bahn, welche es sich 1870 herausgearbeitet hat.




Die Aufgaben der conservativen Partei in Preußen.

Kein Mitglied der gemäßigt liberalen Parteien des Preuß. Landtages
wird die Ecrafirung der streng konservativen Vertretung im Hause, welche die
letzten Landtagswahlen vollzogen haben, für eine naturgemäße und da¬
rum auf die Dauer haltbare und wünschenswerthe Thatsache halten. Das
Verdammungsurtheil, welches das Preußische Volk bei dieser Gelegenheit aus¬
gesprochen, galt ausschließlich den sog. Altconservativen, die am bekanntesten
sind unter dem Namen der „Kreuzzeitungspartei" und welche sammt ihrem
leitenden Organ seit zwei Jahren etwa sich auf die Seite der Reichsfeinde,
geschlagen haben. Die „Neuconservativen", welche die Getreuen aus dem
conservativen Lager um die Fahne der Regierung Sr. Majestät zu sammeln
strebten, als die „Quitzows" und „Kalksteins" der Krone den Gehorsam auf¬
sagten, sind ungerechterweise von der aufgeregten Stimmung des durchaus
königstreuen Volkes mit den conservativen Namensvettern aus dem Kreuz¬
zeitungslager verwechselt worden. Der Bauer und Städter der Mark Pom¬
merns und Ostpreußens, der, solange er wählt, in der großen Mehrzahl im¬
mer nur dem Candidaten des Landraths seine Stimme gegeben, wurde irre
an der Ordnung der Schöpfung, als Landräthe und selbst Oberpräsidenten
Feinde der königlichen Regierung wurden, und für diesmal glaubte er das
Ziel der Monarchie besser in liberalen Händen gewahrt, als durch Conser-
vative. —

Das kann natürlich nicht so bleiben. Ein Staat, der die conservativen
Elemente mundtodt macht, steht am Anfange der schiefen Ebene, an deren
anderem Ende die Socialdemokraten und alle andern Feinde der modernen
Staatsordnung das Herabgleiten der Kugel fröhlich erwarten, um sie ins
leere Nichts zu schleudern. Aber umgekehrt ist auch die Rückkehr in die feu¬
dalen kleinjunkerlichen Illusionen, welche solange die Staatsgewalt Preußens
beherrschten, und über deren heillose Mißwirthschaft erst die Gegenwart volles
Licht verbreitet, für immer unmöglich. Die Lebensfähigkeit der conservativen
Partei setzt voraus, daß die Ursachen der jüngsten schmerzlichen Niederlage
vollkommen begriffen und für immer vermieden werden. Dazu gehört ein


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[0084] währt, sichert auch sowohl die Beständigkeit der vorhandenen monarchischen Rechte als ihre Wirksamkeit für den Fall, daß vorübergehende Volksbewe¬ gungen die Staatseinrichtungen erschüttern sollten. Wenn diese Dinge von allen Seiten zugegeben werden, ist es leicht zu begreifen, daß Deutschland sicher vorwärts geht auf der Bahn, welche es sich 1870 herausgearbeitet hat. Die Aufgaben der conservativen Partei in Preußen. Kein Mitglied der gemäßigt liberalen Parteien des Preuß. Landtages wird die Ecrafirung der streng konservativen Vertretung im Hause, welche die letzten Landtagswahlen vollzogen haben, für eine naturgemäße und da¬ rum auf die Dauer haltbare und wünschenswerthe Thatsache halten. Das Verdammungsurtheil, welches das Preußische Volk bei dieser Gelegenheit aus¬ gesprochen, galt ausschließlich den sog. Altconservativen, die am bekanntesten sind unter dem Namen der „Kreuzzeitungspartei" und welche sammt ihrem leitenden Organ seit zwei Jahren etwa sich auf die Seite der Reichsfeinde, geschlagen haben. Die „Neuconservativen", welche die Getreuen aus dem conservativen Lager um die Fahne der Regierung Sr. Majestät zu sammeln strebten, als die „Quitzows" und „Kalksteins" der Krone den Gehorsam auf¬ sagten, sind ungerechterweise von der aufgeregten Stimmung des durchaus königstreuen Volkes mit den conservativen Namensvettern aus dem Kreuz¬ zeitungslager verwechselt worden. Der Bauer und Städter der Mark Pom¬ merns und Ostpreußens, der, solange er wählt, in der großen Mehrzahl im¬ mer nur dem Candidaten des Landraths seine Stimme gegeben, wurde irre an der Ordnung der Schöpfung, als Landräthe und selbst Oberpräsidenten Feinde der königlichen Regierung wurden, und für diesmal glaubte er das Ziel der Monarchie besser in liberalen Händen gewahrt, als durch Conser- vative. — Das kann natürlich nicht so bleiben. Ein Staat, der die conservativen Elemente mundtodt macht, steht am Anfange der schiefen Ebene, an deren anderem Ende die Socialdemokraten und alle andern Feinde der modernen Staatsordnung das Herabgleiten der Kugel fröhlich erwarten, um sie ins leere Nichts zu schleudern. Aber umgekehrt ist auch die Rückkehr in die feu¬ dalen kleinjunkerlichen Illusionen, welche solange die Staatsgewalt Preußens beherrschten, und über deren heillose Mißwirthschaft erst die Gegenwart volles Licht verbreitet, für immer unmöglich. Die Lebensfähigkeit der conservativen Partei setzt voraus, daß die Ursachen der jüngsten schmerzlichen Niederlage vollkommen begriffen und für immer vermieden werden. Dazu gehört ein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/84>, abgerufen am 28.04.2024.