Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band.Uvah Sieg über "Ireujzen. Es giebt nicht leicht einen gegenstandsloseren Streit als den durch die Grenzboten II. 1874. 31
Uvah Sieg über "Ireujzen. Es giebt nicht leicht einen gegenstandsloseren Streit als den durch die Grenzboten II. 1874. 31
<TEI> <text> <body> <div> <div type="corrigenda" n="1"> <pb facs="#f0249" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/131425"/> </div> <div n="1"> <head> Uvah Sieg über "Ireujzen.</head><lb/> <p xml:id="ID_724" next="#ID_725"> Es giebt nicht leicht einen gegenstandsloseren Streit als den durch die<lb/> neulich bekannt gewordenen beiden Briefe des Grafen Arnim neuentfachten,<lb/> ob in dem gegenwärtigen Kampfe Deutschlands mit Rom die ultramontane<lb/> Partei oder Fürst Bismarck der angreifende Theil gewesen sei. Jedermann<lb/> weiß, daß es der römischen Kirche nicht gegeben ist, auf die Herrschaft dieser<lb/> Welt zu verzichten. Jedermann weiß deshalb auch, daß sie in Folge dessen<lb/> zu allen Zeiten mit den anderen weltlichen Mächten die ernstlichsten Zusammen¬<lb/> stöße erfahren hat, und daß es keinen Staat der Erde giebt noch geben kann,<lb/> mit dem sie in ungestörtem Frieden zu leben vermöchte. Dieser Friede dauert<lb/> überall nur so lange, wie der Staat sich nachgiebig den kirchlichen Forderungen<lb/> fügt, oder wie er durch kräftigen Ernst und durch gebietende Macht dem<lb/> päpstlichen Stuhle Achtung einzuflößen vermag. So oft ein bisher willfähriger<lb/> Staat sich aus seine eigenen Rechte besonnen hat, oder so oft eine bisher<lb/> feste und willensstarke Regierung ins Schwanken gerathen ist, hat sie stets<lb/> einen Kampf mit Rom zu bestehen gehabt, dessen Dauer, Heftigkeit und<lb/> Ausgang wesentlich von dem Eindruck abzuhängen pflegt, den man in Rom<lb/> von der nachhaltigen Kraft des Gegners gewinnt. Die preußische Regierung<lb/> nun war drei Jahrzehnte hindurch gegen alle berechtigten und unberechtigten<lb/> Forderungen Roms gefällig und schwach gewesen. Sobald sie zu der Einsicht<lb/> kam, daß es auf diese Weise nicht länger gehe, daß sie dem siegreichen Vor¬<lb/> dringen Roms auf weltlichem Gebiete, daß sie seinem Einfluß aus die staat¬<lb/> liche und gesellschaftliche Ordnung Grenzen stecken müsse, war der Kampf un¬<lb/> vermeidlich geworden. Dieser Fall trat ein mit der Beendigung des franzö¬<lb/> sischen Krieges. Fürst Bismarck mochte ihn schon lange vorausgesehen haben;<lb/> aber so lange ein Kampf mit dem westlichen Nachbar noch in Aussicht stand,<lb/> durfte er die überkommene Nachgiebigkeit gegen Rom nicht aufgeben. Daß<lb/> sie seinem ganzen Character Und seiner sonstigen Politik widersprach, hatte<lb/> man sich aber ohne Zweifel auch in der Curie längst gesagt; und sowie man<lb/> ihn daher frei sah von den Fesseln, die ihn bisher noch gehemmt, rüstete man<lb/> sich selbst zum Kampfe. Diese Rüstung, die in der Bildung einer katholischen<lb/> Partei am unverhohlensten ans Licht trat, spielte sodann in dem entstehenden</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 1874. 31</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0249]
Uvah Sieg über "Ireujzen.
Es giebt nicht leicht einen gegenstandsloseren Streit als den durch die
neulich bekannt gewordenen beiden Briefe des Grafen Arnim neuentfachten,
ob in dem gegenwärtigen Kampfe Deutschlands mit Rom die ultramontane
Partei oder Fürst Bismarck der angreifende Theil gewesen sei. Jedermann
weiß, daß es der römischen Kirche nicht gegeben ist, auf die Herrschaft dieser
Welt zu verzichten. Jedermann weiß deshalb auch, daß sie in Folge dessen
zu allen Zeiten mit den anderen weltlichen Mächten die ernstlichsten Zusammen¬
stöße erfahren hat, und daß es keinen Staat der Erde giebt noch geben kann,
mit dem sie in ungestörtem Frieden zu leben vermöchte. Dieser Friede dauert
überall nur so lange, wie der Staat sich nachgiebig den kirchlichen Forderungen
fügt, oder wie er durch kräftigen Ernst und durch gebietende Macht dem
päpstlichen Stuhle Achtung einzuflößen vermag. So oft ein bisher willfähriger
Staat sich aus seine eigenen Rechte besonnen hat, oder so oft eine bisher
feste und willensstarke Regierung ins Schwanken gerathen ist, hat sie stets
einen Kampf mit Rom zu bestehen gehabt, dessen Dauer, Heftigkeit und
Ausgang wesentlich von dem Eindruck abzuhängen pflegt, den man in Rom
von der nachhaltigen Kraft des Gegners gewinnt. Die preußische Regierung
nun war drei Jahrzehnte hindurch gegen alle berechtigten und unberechtigten
Forderungen Roms gefällig und schwach gewesen. Sobald sie zu der Einsicht
kam, daß es auf diese Weise nicht länger gehe, daß sie dem siegreichen Vor¬
dringen Roms auf weltlichem Gebiete, daß sie seinem Einfluß aus die staat¬
liche und gesellschaftliche Ordnung Grenzen stecken müsse, war der Kampf un¬
vermeidlich geworden. Dieser Fall trat ein mit der Beendigung des franzö¬
sischen Krieges. Fürst Bismarck mochte ihn schon lange vorausgesehen haben;
aber so lange ein Kampf mit dem westlichen Nachbar noch in Aussicht stand,
durfte er die überkommene Nachgiebigkeit gegen Rom nicht aufgeben. Daß
sie seinem ganzen Character Und seiner sonstigen Politik widersprach, hatte
man sich aber ohne Zweifel auch in der Curie längst gesagt; und sowie man
ihn daher frei sah von den Fesseln, die ihn bisher noch gehemmt, rüstete man
sich selbst zum Kampfe. Diese Rüstung, die in der Bildung einer katholischen
Partei am unverhohlensten ans Licht trat, spielte sodann in dem entstehenden
Grenzboten II. 1874. 31
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |