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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band.

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Me neuere sicilmnische DolKsttteratur.

Lebt ein Volk national auf, so nimmt es auch mehr Interesse an sich
selbst, beschäftigt sich mit seiner Eigenart, sammelt die Dokumente, durch
welche dieselbe sich manifestixt, kurz, wünscht sich als das zu zeigen, was es
wirklich ist, und veröffentlicht, da bekanntlich eine Individualität sich nie
Prägnanter kund giebt, als in ihren literarischen Schöpfungen, mit Vorliebe
jene Arten von Dichtung, Märchen, Sage und Sprichwort, die unter
der Bezeichnung "Volksliteratur" begriffen werden. Italien wenigstens
hat es gethan. Wir brauchen, um uns davon zu überzeugen, nur die
LiblioAraüa, äoi Oanti poxulari ä'Italia durchzulesen, welche Giuseppe Piere
seinen sicilianischen Volksliedern vorangehen läßt. Da finden wir 1824 in
vier Nummern der Sa^ceo <Zi?armg. als erstes Lebenszeichen der wieder¬
erwachenden italienischen Volks Poesie einen Laggio 6i possie eonwäineseluz,
als zweites abermals einen LaWio <Zi (nardi populari clolla proviueis, al
Uarittima, <z viunMgnli., 1830 von P. E. Visconti in Rom herausgegeben,
dann bis 1840 nichts weiter als zwei Sammlungen, welche die Italiener
beide Deutschen zu verdanken haben. Die erste. Dggria, (Leipzig 1829) G. Müller
und O. E. B. Wolf, die zweite, Agrumi. (Berlin, 1838) dem Schlesier August
Kopisch. Das nächste Jahrzehnt hat außer einigen raeooltiue in I^g, ?g,i-via,
Veriociieo ni Bologna nur vier Veröffentlichungen aufzuweisen, unter denen
sich allerdings die parti xoxullu-i ?o8vari e Oorsi des Tommaseo befinden.
Nach der Mitte der Fünfziger regt es sich schon lebendiger; Giuseppe Tigri
giebt seinerseits Toskanische Volkslieder heraus. Raffaele Andreoli desgleichen,
Angelo Dal Medieo venetianische, Christofora Pasqualigo vicentinische, Giulto
Nicordi lombardische, gar nicht zu gedenken des Li>M<> Al pandi xoxulari
^'veontaclo 6i ^ueoua, herausgegeben von E. Bianchi und E. Romori, sowie
^r t!ar>ti populär! inecliti Umbri, I.iguri, ?ieeni, I'iomontosi, I^admi von
Oreste Marcoaldi.

Aber so ganz wie freigewordene Quellen nach langem Winterfrost brechen
die Strömungen von Italiens Volkspoesie doch erst nach dem Kriege von
neunundfünfzig hervor. Nigra vervollständigt seine vMsoni xopulari act
^iemoutö, die er 1858 in der Rivists, vonwinporanea begonnen; die reiche
Sammlung der sardinischen Canzoni erscheint; Monti und Morandi geben
"Mbrische Volkslieder, Teza und Leicht furlänische, Casetti und Jmbriant
mueMotto al gomme heraus; von Right empfangen wir SassKio 6i
^^Ali populari Vmonosi, von Nerucci ?oesia populäre llol vornaeulo Non-
talegg (?istoia), von Bolza Lar-ioni populär! Oomasede; im Anhang zu
s^nen Studien über die Dialekte des Gebietes von Otranto theilt Morosi


Me neuere sicilmnische DolKsttteratur.

Lebt ein Volk national auf, so nimmt es auch mehr Interesse an sich
selbst, beschäftigt sich mit seiner Eigenart, sammelt die Dokumente, durch
welche dieselbe sich manifestixt, kurz, wünscht sich als das zu zeigen, was es
wirklich ist, und veröffentlicht, da bekanntlich eine Individualität sich nie
Prägnanter kund giebt, als in ihren literarischen Schöpfungen, mit Vorliebe
jene Arten von Dichtung, Märchen, Sage und Sprichwort, die unter
der Bezeichnung „Volksliteratur" begriffen werden. Italien wenigstens
hat es gethan. Wir brauchen, um uns davon zu überzeugen, nur die
LiblioAraüa, äoi Oanti poxulari ä'Italia durchzulesen, welche Giuseppe Piere
seinen sicilianischen Volksliedern vorangehen läßt. Da finden wir 1824 in
vier Nummern der Sa^ceo <Zi?armg. als erstes Lebenszeichen der wieder¬
erwachenden italienischen Volks Poesie einen Laggio 6i possie eonwäineseluz,
als zweites abermals einen LaWio <Zi (nardi populari clolla proviueis, al
Uarittima, <z viunMgnli., 1830 von P. E. Visconti in Rom herausgegeben,
dann bis 1840 nichts weiter als zwei Sammlungen, welche die Italiener
beide Deutschen zu verdanken haben. Die erste. Dggria, (Leipzig 1829) G. Müller
und O. E. B. Wolf, die zweite, Agrumi. (Berlin, 1838) dem Schlesier August
Kopisch. Das nächste Jahrzehnt hat außer einigen raeooltiue in I^g, ?g,i-via,
Veriociieo ni Bologna nur vier Veröffentlichungen aufzuweisen, unter denen
sich allerdings die parti xoxullu-i ?o8vari e Oorsi des Tommaseo befinden.
Nach der Mitte der Fünfziger regt es sich schon lebendiger; Giuseppe Tigri
giebt seinerseits Toskanische Volkslieder heraus. Raffaele Andreoli desgleichen,
Angelo Dal Medieo venetianische, Christofora Pasqualigo vicentinische, Giulto
Nicordi lombardische, gar nicht zu gedenken des Li>M<> Al pandi xoxulari
^'veontaclo 6i ^ueoua, herausgegeben von E. Bianchi und E. Romori, sowie
^r t!ar>ti populär! inecliti Umbri, I.iguri, ?ieeni, I'iomontosi, I^admi von
Oreste Marcoaldi.

Aber so ganz wie freigewordene Quellen nach langem Winterfrost brechen
die Strömungen von Italiens Volkspoesie doch erst nach dem Kriege von
neunundfünfzig hervor. Nigra vervollständigt seine vMsoni xopulari act
^iemoutö, die er 1858 in der Rivists, vonwinporanea begonnen; die reiche
Sammlung der sardinischen Canzoni erscheint; Monti und Morandi geben
"Mbrische Volkslieder, Teza und Leicht furlänische, Casetti und Jmbriant
mueMotto al gomme heraus; von Right empfangen wir SassKio 6i
^^Ali populari Vmonosi, von Nerucci ?oesia populäre llol vornaeulo Non-
talegg (?istoia), von Bolza Lar-ioni populär! Oomasede; im Anhang zu
s^nen Studien über die Dialekte des Gebietes von Otranto theilt Morosi


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[0271] Me neuere sicilmnische DolKsttteratur. Lebt ein Volk national auf, so nimmt es auch mehr Interesse an sich selbst, beschäftigt sich mit seiner Eigenart, sammelt die Dokumente, durch welche dieselbe sich manifestixt, kurz, wünscht sich als das zu zeigen, was es wirklich ist, und veröffentlicht, da bekanntlich eine Individualität sich nie Prägnanter kund giebt, als in ihren literarischen Schöpfungen, mit Vorliebe jene Arten von Dichtung, Märchen, Sage und Sprichwort, die unter der Bezeichnung „Volksliteratur" begriffen werden. Italien wenigstens hat es gethan. Wir brauchen, um uns davon zu überzeugen, nur die LiblioAraüa, äoi Oanti poxulari ä'Italia durchzulesen, welche Giuseppe Piere seinen sicilianischen Volksliedern vorangehen läßt. Da finden wir 1824 in vier Nummern der Sa^ceo <Zi?armg. als erstes Lebenszeichen der wieder¬ erwachenden italienischen Volks Poesie einen Laggio 6i possie eonwäineseluz, als zweites abermals einen LaWio <Zi (nardi populari clolla proviueis, al Uarittima, <z viunMgnli., 1830 von P. E. Visconti in Rom herausgegeben, dann bis 1840 nichts weiter als zwei Sammlungen, welche die Italiener beide Deutschen zu verdanken haben. Die erste. Dggria, (Leipzig 1829) G. Müller und O. E. B. Wolf, die zweite, Agrumi. (Berlin, 1838) dem Schlesier August Kopisch. Das nächste Jahrzehnt hat außer einigen raeooltiue in I^g, ?g,i-via, Veriociieo ni Bologna nur vier Veröffentlichungen aufzuweisen, unter denen sich allerdings die parti xoxullu-i ?o8vari e Oorsi des Tommaseo befinden. Nach der Mitte der Fünfziger regt es sich schon lebendiger; Giuseppe Tigri giebt seinerseits Toskanische Volkslieder heraus. Raffaele Andreoli desgleichen, Angelo Dal Medieo venetianische, Christofora Pasqualigo vicentinische, Giulto Nicordi lombardische, gar nicht zu gedenken des Li>M<> Al pandi xoxulari ^'veontaclo 6i ^ueoua, herausgegeben von E. Bianchi und E. Romori, sowie ^r t!ar>ti populär! inecliti Umbri, I.iguri, ?ieeni, I'iomontosi, I^admi von Oreste Marcoaldi. Aber so ganz wie freigewordene Quellen nach langem Winterfrost brechen die Strömungen von Italiens Volkspoesie doch erst nach dem Kriege von neunundfünfzig hervor. Nigra vervollständigt seine vMsoni xopulari act ^iemoutö, die er 1858 in der Rivists, vonwinporanea begonnen; die reiche Sammlung der sardinischen Canzoni erscheint; Monti und Morandi geben "Mbrische Volkslieder, Teza und Leicht furlänische, Casetti und Jmbriant mueMotto al gomme heraus; von Right empfangen wir SassKio 6i ^^Ali populari Vmonosi, von Nerucci ?oesia populäre llol vornaeulo Non- talegg (?istoia), von Bolza Lar-ioni populär! Oomasede; im Anhang zu s^nen Studien über die Dialekte des Gebietes von Otranto theilt Morosi

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_131175/271>, abgerufen am 07.05.2024.