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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band.

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Keues aus Koethe's handschriftlichen Aachlasz.*)

Mit diesem Werke eröffnen die Goethe'schen Erben, wie man aus dem
Titel steht, die vor einigen Jahren in Aussicht gestellten Veröffentlichungen
aus dem lange Zeit verschlossenen Goethe-Archive in Weimar. Es läßt sich
bei dem Reichthums desselben und gegenüber dem Bedürfniß, das reichhaltige
Material, welches erst die Grundlage zu einer umfassenden Biographie Goethe's
bilden wird, publicirt zu sehen, darüber streiten, ob man Goethe'scher Seits
systematisch vorgeht. Uns will dies nicht scheinen. Wer das Goethe-
Archiv mit seinen unerschöpflichen Reichthümern auch nicht kennt, wird in sich
den Drang fühlen, zunächst ganz andere Materialien, als die, welche hier
vorliegen, kennen zu lernen. Wir wenigstens vermögen nicht zu fassen, warum
man nicht von unten aufbaut, um das Werden Goethe's in dessen reichen,
früher einsetzenden Correspondenzen zu veranschaulichen, warum man hier
bei dem immerhin anzuerkennenden erst jetzt zu Tage tretenden guten Willen
der Erben, sich nicht entschlossen hat, eine sich von selbst ergebende strengere
chronologische Folge in den Publicationen zur Geltung zu bringen. Freilich
gehört zu einer publicistischen Verwerthung eines Goethe-Archivs viel und
wie wir meinen, das kaum Denkbare, nämlich die gute Eigenschaft, daß man
endlich einmal die allzugroße Aengstlichkeit und Bedenklichkeit, ob dies oder
jenes der Welt in ganz unverkürzter Form vorgelegt werden könne, über¬
winden muß.

Die vorliegende Correspondenz, obwohl sie wie gesagt, nothwendig uns
mitten hinein in das reifere und reichbewegte wissenschaftliche Leben Goethe's
führt und fast ganz ausschließlich eine Richtung veranschaulicht, ist trotzdem
sehr anziehend. -- Auf den reichen Inhalt jener 374 hier mit geringen Aus¬
nahmen zum ersten Male von Prof. F> Th. Bratranek in Krakau ver¬
öffentlichten Briefe einzugehen, liegt nicht in unserer Aufgabe. Wir haben
uns nur das Ziel gesetzt, die Publication in ihrem Aeußern einer Besprechung
zu unterziehen; Verdienste und Mängel hervorzuheben, so weit sich dieselben
feststellen lassen. Der verdienstvolle Herausgeber hat, obwohl es nach der
ursprünglichen Anordnung des Materials nicht indicirt war, sich mit vollem
Rechte zur gruppenweisen Zusammenstellung entschlossen und durch die Be¬
nützung und Auszüge aus den verschiedenartigsten Quellen stets ein schönes
Ganze in den einzelnen Beziehungen Goethe's geschaffen, während in dem
chronologisch angelegten Verzeichnisse aller einschlagenden Correspondenzen, ein



") Neue Mittheilungen aus Johann Wolfgang von Goethe's handschriftlichen
Nachlasse. Erster Theil: Goethe's natuNvissenschastUche Correspondenz Theil I und II. Leipzig.
F. A. Brockhaus 1874.
Keues aus Koethe's handschriftlichen Aachlasz.*)

Mit diesem Werke eröffnen die Goethe'schen Erben, wie man aus dem
Titel steht, die vor einigen Jahren in Aussicht gestellten Veröffentlichungen
aus dem lange Zeit verschlossenen Goethe-Archive in Weimar. Es läßt sich
bei dem Reichthums desselben und gegenüber dem Bedürfniß, das reichhaltige
Material, welches erst die Grundlage zu einer umfassenden Biographie Goethe's
bilden wird, publicirt zu sehen, darüber streiten, ob man Goethe'scher Seits
systematisch vorgeht. Uns will dies nicht scheinen. Wer das Goethe-
Archiv mit seinen unerschöpflichen Reichthümern auch nicht kennt, wird in sich
den Drang fühlen, zunächst ganz andere Materialien, als die, welche hier
vorliegen, kennen zu lernen. Wir wenigstens vermögen nicht zu fassen, warum
man nicht von unten aufbaut, um das Werden Goethe's in dessen reichen,
früher einsetzenden Correspondenzen zu veranschaulichen, warum man hier
bei dem immerhin anzuerkennenden erst jetzt zu Tage tretenden guten Willen
der Erben, sich nicht entschlossen hat, eine sich von selbst ergebende strengere
chronologische Folge in den Publicationen zur Geltung zu bringen. Freilich
gehört zu einer publicistischen Verwerthung eines Goethe-Archivs viel und
wie wir meinen, das kaum Denkbare, nämlich die gute Eigenschaft, daß man
endlich einmal die allzugroße Aengstlichkeit und Bedenklichkeit, ob dies oder
jenes der Welt in ganz unverkürzter Form vorgelegt werden könne, über¬
winden muß.

Die vorliegende Correspondenz, obwohl sie wie gesagt, nothwendig uns
mitten hinein in das reifere und reichbewegte wissenschaftliche Leben Goethe's
führt und fast ganz ausschließlich eine Richtung veranschaulicht, ist trotzdem
sehr anziehend. — Auf den reichen Inhalt jener 374 hier mit geringen Aus¬
nahmen zum ersten Male von Prof. F> Th. Bratranek in Krakau ver¬
öffentlichten Briefe einzugehen, liegt nicht in unserer Aufgabe. Wir haben
uns nur das Ziel gesetzt, die Publication in ihrem Aeußern einer Besprechung
zu unterziehen; Verdienste und Mängel hervorzuheben, so weit sich dieselben
feststellen lassen. Der verdienstvolle Herausgeber hat, obwohl es nach der
ursprünglichen Anordnung des Materials nicht indicirt war, sich mit vollem
Rechte zur gruppenweisen Zusammenstellung entschlossen und durch die Be¬
nützung und Auszüge aus den verschiedenartigsten Quellen stets ein schönes
Ganze in den einzelnen Beziehungen Goethe's geschaffen, während in dem
chronologisch angelegten Verzeichnisse aller einschlagenden Correspondenzen, ein



") Neue Mittheilungen aus Johann Wolfgang von Goethe's handschriftlichen
Nachlasse. Erster Theil: Goethe's natuNvissenschastUche Correspondenz Theil I und II. Leipzig.
F. A. Brockhaus 1874.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_131175/280>, abgerufen am 07.05.2024.