Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Heorge Hrote.

Im Sommer 1871 brachten die Zeitungen aus London die Kunde von
dem Tode des großen englischen Geschichtsschreibers George Grote. des Ver¬
fassers der berühmten und epochemachenden "Geschichte Griechenlands". In
Deutschland schwelgte man damals in "Truppeneinzügen", und so blieb, was
in gewöhnlichen Zeiten unmöglich gewesen wäre, die Nachricht ziemlich un¬
beachtet; wir erinnern uns wenigstens nicht, daß irgend eine deutsche Zeit¬
schrift damals ein Wort zu Ehren Grote's übrig gehabt hätte. Erst jetzt,
nachdem drei Jahre darüber hingegangen, ist das Andenken an ihn erneuert
worden. Grote's Frau, Harriet Grote, in England wohlbekannt als die
Verfasserin von einem "Leben Ary Scheffer's" und von "Gesammelten Schriften",
gab im Frühjahr 1873 ein Buch heraus, in welchem sie versucht, aus per¬
sönlichen Erinnerungen, Tagebüchern und Briefen ein Bild von dem äußeren
Lebensgange ihres Mannes zu entwerfen*), und dieses Buch, dem in England
der größte Beifall gezollt worden ist, liegt seit wenigen Wochen auch in einer
deutschen Uebersetzung vor.**) Sicherlich werden viele mit lebhafter Freude
nach dieser Uebersetzung greifen. Denn wenn auch Grote's wissenschaftlicher
Ruhm schon seit drei Jahrzehnten in Deutschland begründet ist, wenn sein
grandioses Geschichtswerk längst auch bei uns Grundlage und Ausgangs¬
punkt aller auf griechische Geschichte sich erstreckenden Studien bildet, über sein
Leben war und blieb man im allgemeinen auf spärliche Nachrichten beschränkt.
Man wußte, daß Grote in der Gelehrtenwelt eine um so wunderbarere Er¬
scheinung sei, als er -- zwar kein Unicum, aber doch eine extreme Rarität --
in einer Person den Gelehrten und den Kaufmann vereinige; seine Be¬
deutung nach einer dritten Seite hin, nämlich als Politiker, werden wenige
gekannt haben, geschweige denn, daß über die Entstehung seiner Werke, über




l'ne Personal I^its ok (A<zorxs (Zrotö. vowpilsä trou tÄmil? äoLUlnsuts, private
Mkmorsna", "ils original lvttsrs to "na trou various krisuSs. Lo Urs. KrotL. I^vlläou,
Kurr"?, 1873.
*") George Grote. Sein Leben und Wirken aus Familienpapieren, Tagebüchern und Ori¬
ginalbriefen zusammengestellt von Harriet Grote. Autorisirte deutsche Uebersetzung von L. Selig¬
wann. Leipzig, F. A. Blockhaus 1874.
Grenzboten it. 1874. 36
Heorge Hrote.

Im Sommer 1871 brachten die Zeitungen aus London die Kunde von
dem Tode des großen englischen Geschichtsschreibers George Grote. des Ver¬
fassers der berühmten und epochemachenden „Geschichte Griechenlands". In
Deutschland schwelgte man damals in „Truppeneinzügen", und so blieb, was
in gewöhnlichen Zeiten unmöglich gewesen wäre, die Nachricht ziemlich un¬
beachtet; wir erinnern uns wenigstens nicht, daß irgend eine deutsche Zeit¬
schrift damals ein Wort zu Ehren Grote's übrig gehabt hätte. Erst jetzt,
nachdem drei Jahre darüber hingegangen, ist das Andenken an ihn erneuert
worden. Grote's Frau, Harriet Grote, in England wohlbekannt als die
Verfasserin von einem „Leben Ary Scheffer's" und von „Gesammelten Schriften",
gab im Frühjahr 1873 ein Buch heraus, in welchem sie versucht, aus per¬
sönlichen Erinnerungen, Tagebüchern und Briefen ein Bild von dem äußeren
Lebensgange ihres Mannes zu entwerfen*), und dieses Buch, dem in England
der größte Beifall gezollt worden ist, liegt seit wenigen Wochen auch in einer
deutschen Uebersetzung vor.**) Sicherlich werden viele mit lebhafter Freude
nach dieser Uebersetzung greifen. Denn wenn auch Grote's wissenschaftlicher
Ruhm schon seit drei Jahrzehnten in Deutschland begründet ist, wenn sein
grandioses Geschichtswerk längst auch bei uns Grundlage und Ausgangs¬
punkt aller auf griechische Geschichte sich erstreckenden Studien bildet, über sein
Leben war und blieb man im allgemeinen auf spärliche Nachrichten beschränkt.
Man wußte, daß Grote in der Gelehrtenwelt eine um so wunderbarere Er¬
scheinung sei, als er — zwar kein Unicum, aber doch eine extreme Rarität —
in einer Person den Gelehrten und den Kaufmann vereinige; seine Be¬
deutung nach einer dritten Seite hin, nämlich als Politiker, werden wenige
gekannt haben, geschweige denn, daß über die Entstehung seiner Werke, über




l'ne Personal I^its ok (A<zorxs (Zrotö. vowpilsä trou tÄmil? äoLUlnsuts, private
Mkmorsna», »ils original lvttsrs to »na trou various krisuSs. Lo Urs. KrotL. I^vlläou,
Kurr»?, 1873.
*") George Grote. Sein Leben und Wirken aus Familienpapieren, Tagebüchern und Ori¬
ginalbriefen zusammengestellt von Harriet Grote. Autorisirte deutsche Uebersetzung von L. Selig¬
wann. Leipzig, F. A. Blockhaus 1874.
Grenzboten it. 1874. 36
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0289" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/131465"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Heorge Hrote.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_819" next="#ID_820"> Im Sommer 1871 brachten die Zeitungen aus London die Kunde von<lb/>
dem Tode des großen englischen Geschichtsschreibers George Grote. des Ver¬<lb/>
fassers der berühmten und epochemachenden &#x201E;Geschichte Griechenlands". In<lb/>
Deutschland schwelgte man damals in &#x201E;Truppeneinzügen", und so blieb, was<lb/>
in gewöhnlichen Zeiten unmöglich gewesen wäre, die Nachricht ziemlich un¬<lb/>
beachtet; wir erinnern uns wenigstens nicht, daß irgend eine deutsche Zeit¬<lb/>
schrift damals ein Wort zu Ehren Grote's übrig gehabt hätte. Erst jetzt,<lb/>
nachdem drei Jahre darüber hingegangen, ist das Andenken an ihn erneuert<lb/>
worden. Grote's Frau, Harriet Grote, in England wohlbekannt als die<lb/>
Verfasserin von einem &#x201E;Leben Ary Scheffer's" und von &#x201E;Gesammelten Schriften",<lb/>
gab im Frühjahr 1873 ein Buch heraus, in welchem sie versucht, aus per¬<lb/>
sönlichen Erinnerungen, Tagebüchern und Briefen ein Bild von dem äußeren<lb/>
Lebensgange ihres Mannes zu entwerfen*), und dieses Buch, dem in England<lb/>
der größte Beifall gezollt worden ist, liegt seit wenigen Wochen auch in einer<lb/>
deutschen Uebersetzung vor.**) Sicherlich werden viele mit lebhafter Freude<lb/>
nach dieser Uebersetzung greifen. Denn wenn auch Grote's wissenschaftlicher<lb/>
Ruhm schon seit drei Jahrzehnten in Deutschland begründet ist, wenn sein<lb/>
grandioses Geschichtswerk längst auch bei uns Grundlage und Ausgangs¬<lb/>
punkt aller auf griechische Geschichte sich erstreckenden Studien bildet, über sein<lb/>
Leben war und blieb man im allgemeinen auf spärliche Nachrichten beschränkt.<lb/>
Man wußte, daß Grote in der Gelehrtenwelt eine um so wunderbarere Er¬<lb/>
scheinung sei, als er &#x2014; zwar kein Unicum, aber doch eine extreme Rarität &#x2014;<lb/>
in einer Person den Gelehrten und den Kaufmann vereinige; seine Be¬<lb/>
deutung nach einer dritten Seite hin, nämlich als Politiker, werden wenige<lb/>
gekannt haben, geschweige denn, daß über die Entstehung seiner Werke, über</p><lb/>
          <note xml:id="FID_47" place="foot"> l'ne Personal I^its ok (A&lt;zorxs (Zrotö. vowpilsä trou tÄmil? äoLUlnsuts, private<lb/>
Mkmorsna», »ils original lvttsrs to »na trou various krisuSs. Lo Urs. KrotL. I^vlläou,<lb/>
Kurr»?, 1873.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_48" place="foot"> *") George Grote. Sein Leben und Wirken aus Familienpapieren, Tagebüchern und Ori¬<lb/>
ginalbriefen zusammengestellt von Harriet Grote. Autorisirte deutsche Uebersetzung von L. Selig¬<lb/>
wann.  Leipzig, F. A. Blockhaus 1874.</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten it. 1874. 36</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0289] Heorge Hrote. Im Sommer 1871 brachten die Zeitungen aus London die Kunde von dem Tode des großen englischen Geschichtsschreibers George Grote. des Ver¬ fassers der berühmten und epochemachenden „Geschichte Griechenlands". In Deutschland schwelgte man damals in „Truppeneinzügen", und so blieb, was in gewöhnlichen Zeiten unmöglich gewesen wäre, die Nachricht ziemlich un¬ beachtet; wir erinnern uns wenigstens nicht, daß irgend eine deutsche Zeit¬ schrift damals ein Wort zu Ehren Grote's übrig gehabt hätte. Erst jetzt, nachdem drei Jahre darüber hingegangen, ist das Andenken an ihn erneuert worden. Grote's Frau, Harriet Grote, in England wohlbekannt als die Verfasserin von einem „Leben Ary Scheffer's" und von „Gesammelten Schriften", gab im Frühjahr 1873 ein Buch heraus, in welchem sie versucht, aus per¬ sönlichen Erinnerungen, Tagebüchern und Briefen ein Bild von dem äußeren Lebensgange ihres Mannes zu entwerfen*), und dieses Buch, dem in England der größte Beifall gezollt worden ist, liegt seit wenigen Wochen auch in einer deutschen Uebersetzung vor.**) Sicherlich werden viele mit lebhafter Freude nach dieser Uebersetzung greifen. Denn wenn auch Grote's wissenschaftlicher Ruhm schon seit drei Jahrzehnten in Deutschland begründet ist, wenn sein grandioses Geschichtswerk längst auch bei uns Grundlage und Ausgangs¬ punkt aller auf griechische Geschichte sich erstreckenden Studien bildet, über sein Leben war und blieb man im allgemeinen auf spärliche Nachrichten beschränkt. Man wußte, daß Grote in der Gelehrtenwelt eine um so wunderbarere Er¬ scheinung sei, als er — zwar kein Unicum, aber doch eine extreme Rarität — in einer Person den Gelehrten und den Kaufmann vereinige; seine Be¬ deutung nach einer dritten Seite hin, nämlich als Politiker, werden wenige gekannt haben, geschweige denn, daß über die Entstehung seiner Werke, über l'ne Personal I^its ok (A<zorxs (Zrotö. vowpilsä trou tÄmil? äoLUlnsuts, private Mkmorsna», »ils original lvttsrs to »na trou various krisuSs. Lo Urs. KrotL. I^vlläou, Kurr»?, 1873. *") George Grote. Sein Leben und Wirken aus Familienpapieren, Tagebüchern und Ori¬ ginalbriefen zusammengestellt von Harriet Grote. Autorisirte deutsche Uebersetzung von L. Selig¬ wann. Leipzig, F. A. Blockhaus 1874. Grenzboten it. 1874. 36

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_131175
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_131175/289
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_131175/289>, abgerufen am 07.05.2024.