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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band.

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macht, wenn man aus einem Hause tritt, geht man auf lauter Koth und
weil ich mich nicht um Lumpereien kümmere, nicht klatsche und solches Rap-
porteurs nicht halte, handle ich oft dumm. Viele Arbeit in mir selbst, zu
viel Sinnens, daß Abends mein ganzes Wesen zwischen den Augenknochen
sich zusammen zu drängen scheint. Hoffnung auf Leichtigkeit durch Gewohn¬
heit. Bevorstehende neue Eckelverhältnisse durch die Kriegskommission. Durch
Ruhe und Geradheit geht doch alles durch.

sKnebel ist gut aber schwankend und zu gespannt bei Faulenzerei und
Wollen ohne was anzugreifen. Der Prinz in seiner Vorliebschaft höchst
arm,) der Herzog immer sich entwickelnd und wenn sichs bei ihm merklich
ausschließt, kracht's und das nehmen die Leute immer übel auf. Im ganzen
wird spät vielleicht nie die Schwingung zu mindern sein, die der Ennui unter
den Menschen hier erhält. Es wachsen täglich neue Beschwerden und niemals
mehr als wenn man glaubt, eine gehoben zu habend)

sDen 30. December. 2) Mit Seckendorf nach Apolda gefahren. War
die Jagdpartie vergnügt. Nachts bis halb 1 Uhr mit Seckendorf die Neu¬
jahrsnacht geschmiedet.)

sDen 31. December halb 6 Uhr auf. Gegen 9 auf die Jagd. Leid¬
lich geschossen. Abends zu Pferd schnell herein),


C. A. H. Burkhardt.


Frankreich im Zahr 1871.
Rückblicke auf die Zeit seit dem großen Kriege.
2. Thiers' Handelspolitik. Die Prätendenten.

Der Communekrieg hatte auf die Verhandlungen über den Definitiv¬
frieden mit Deutschland einen nachtheiligen, verzögernden Einfluß geäußert.
Die Conferenzen, durch welche der Definitivfrieden herbeigeführt werden sollte,
Waren am 28. März zu Brüssel eröffnet worden. Bei der Unsicherheit, in
Welche die Regierung von Versailles gerieth durch den Ausbruch des Commune¬
krieges, ohne daß sie darum ihre zum Theil unberechtigten Prätentionen
aufgab, geriethen diese Conferenzen bald ins Stocken und wurden am 4. Mai
ganz abgebrochen; jedoch schon am ö. Mai zu Frankfurt am Main wieder




') Bei Riemer nicht chronologisch eingereiht, S. 76.
Vergl, die Gespräche Goethe'S mit dem Kanzler Friedr. o, Müller. S, I0S. Die hier
"u" der Erinnerung gemachte Erzählung wird hierdurch berichtigt und quellenmäßig fest¬
gestellt. ES war also nicht Thalbürgel, sondern Npolda.

macht, wenn man aus einem Hause tritt, geht man auf lauter Koth und
weil ich mich nicht um Lumpereien kümmere, nicht klatsche und solches Rap-
porteurs nicht halte, handle ich oft dumm. Viele Arbeit in mir selbst, zu
viel Sinnens, daß Abends mein ganzes Wesen zwischen den Augenknochen
sich zusammen zu drängen scheint. Hoffnung auf Leichtigkeit durch Gewohn¬
heit. Bevorstehende neue Eckelverhältnisse durch die Kriegskommission. Durch
Ruhe und Geradheit geht doch alles durch.

sKnebel ist gut aber schwankend und zu gespannt bei Faulenzerei und
Wollen ohne was anzugreifen. Der Prinz in seiner Vorliebschaft höchst
arm,) der Herzog immer sich entwickelnd und wenn sichs bei ihm merklich
ausschließt, kracht's und das nehmen die Leute immer übel auf. Im ganzen
wird spät vielleicht nie die Schwingung zu mindern sein, die der Ennui unter
den Menschen hier erhält. Es wachsen täglich neue Beschwerden und niemals
mehr als wenn man glaubt, eine gehoben zu habend)

sDen 30. December. 2) Mit Seckendorf nach Apolda gefahren. War
die Jagdpartie vergnügt. Nachts bis halb 1 Uhr mit Seckendorf die Neu¬
jahrsnacht geschmiedet.)

sDen 31. December halb 6 Uhr auf. Gegen 9 auf die Jagd. Leid¬
lich geschossen. Abends zu Pferd schnell herein),


C. A. H. Burkhardt.


Frankreich im Zahr 1871.
Rückblicke auf die Zeit seit dem großen Kriege.
2. Thiers' Handelspolitik. Die Prätendenten.

Der Communekrieg hatte auf die Verhandlungen über den Definitiv¬
frieden mit Deutschland einen nachtheiligen, verzögernden Einfluß geäußert.
Die Conferenzen, durch welche der Definitivfrieden herbeigeführt werden sollte,
Waren am 28. März zu Brüssel eröffnet worden. Bei der Unsicherheit, in
Welche die Regierung von Versailles gerieth durch den Ausbruch des Commune¬
krieges, ohne daß sie darum ihre zum Theil unberechtigten Prätentionen
aufgab, geriethen diese Conferenzen bald ins Stocken und wurden am 4. Mai
ganz abgebrochen; jedoch schon am ö. Mai zu Frankfurt am Main wieder




') Bei Riemer nicht chronologisch eingereiht, S. 76.
Vergl, die Gespräche Goethe'S mit dem Kanzler Friedr. o, Müller. S, I0S. Die hier
«u« der Erinnerung gemachte Erzählung wird hierdurch berichtigt und quellenmäßig fest¬
gestellt. ES war also nicht Thalbürgel, sondern Npolda.
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[0467] macht, wenn man aus einem Hause tritt, geht man auf lauter Koth und weil ich mich nicht um Lumpereien kümmere, nicht klatsche und solches Rap- porteurs nicht halte, handle ich oft dumm. Viele Arbeit in mir selbst, zu viel Sinnens, daß Abends mein ganzes Wesen zwischen den Augenknochen sich zusammen zu drängen scheint. Hoffnung auf Leichtigkeit durch Gewohn¬ heit. Bevorstehende neue Eckelverhältnisse durch die Kriegskommission. Durch Ruhe und Geradheit geht doch alles durch. sKnebel ist gut aber schwankend und zu gespannt bei Faulenzerei und Wollen ohne was anzugreifen. Der Prinz in seiner Vorliebschaft höchst arm,) der Herzog immer sich entwickelnd und wenn sichs bei ihm merklich ausschließt, kracht's und das nehmen die Leute immer übel auf. Im ganzen wird spät vielleicht nie die Schwingung zu mindern sein, die der Ennui unter den Menschen hier erhält. Es wachsen täglich neue Beschwerden und niemals mehr als wenn man glaubt, eine gehoben zu habend) sDen 30. December. 2) Mit Seckendorf nach Apolda gefahren. War die Jagdpartie vergnügt. Nachts bis halb 1 Uhr mit Seckendorf die Neu¬ jahrsnacht geschmiedet.) sDen 31. December halb 6 Uhr auf. Gegen 9 auf die Jagd. Leid¬ lich geschossen. Abends zu Pferd schnell herein), C. A. H. Burkhardt. Frankreich im Zahr 1871. Rückblicke auf die Zeit seit dem großen Kriege. 2. Thiers' Handelspolitik. Die Prätendenten. Der Communekrieg hatte auf die Verhandlungen über den Definitiv¬ frieden mit Deutschland einen nachtheiligen, verzögernden Einfluß geäußert. Die Conferenzen, durch welche der Definitivfrieden herbeigeführt werden sollte, Waren am 28. März zu Brüssel eröffnet worden. Bei der Unsicherheit, in Welche die Regierung von Versailles gerieth durch den Ausbruch des Commune¬ krieges, ohne daß sie darum ihre zum Theil unberechtigten Prätentionen aufgab, geriethen diese Conferenzen bald ins Stocken und wurden am 4. Mai ganz abgebrochen; jedoch schon am ö. Mai zu Frankfurt am Main wieder ') Bei Riemer nicht chronologisch eingereiht, S. 76. Vergl, die Gespräche Goethe'S mit dem Kanzler Friedr. o, Müller. S, I0S. Die hier «u« der Erinnerung gemachte Erzählung wird hierdurch berichtigt und quellenmäßig fest¬ gestellt. ES war also nicht Thalbürgel, sondern Npolda.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_131175/467>, abgerufen am 07.05.2024.