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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band.

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aufgenommen. Hier trafen von französischer Seite die Minister des Aus¬
wärtigen und der Finanzen, Jules Favre und Pouyer - Quertier mit dem
Fürsten Bismarck von deutscher Seite zusammen und unter der kräftigen und
zugleich mäßigen Einwirkung des Letzteren ward bereits am 10. Mai der
Desinitivfriede von den Bevollmächtigten der beiden Nationen unterzeichnet.
Derselbe bestätigte im Wesentlichen den Präliminarfrieden und definirte nur
Fragen genauer, welche zu secundären Anstünden hätten führen können. --
Herr Thiers wendete nun seine größeste Sorge der möglichst baldigen Aus¬
führung dieses Friedens zu und hier muß ihm das unbedingteste Lob ge¬
spendet werden von jedem Unbefangenen, welcher Partei er immer angehöre
und welche Meinung er im Uebrigen von Herrn Thiers haben möge. Die
allmälige Ausführung des Friedens durch die allmälige Bezahlung der
Kriegscontribution von fünf Milliarden brachte mit sich die allmälige
Räumung des besetzten französischen Gebiets seitens der Deutschen. Herr
Thiers sann zunächst nur darauf, soviel als möglich und sobald als möglich
Geld herbeizuschaffen, um die Deutschen bezahlen zu können, damit sie recht
bald den größten Theil des von ihnen besetzten Frankreichs und endlich recht
bald Frankreich gänzlich räumten. Am 2. März 1874 sollte die ganze Kriegs¬
contribution an Deutschland abbezahlt sein. So sagte es der Vertrag. Herr
Thiers aber glaubte diese Sache früher ins Werk setzen zu können und warf
sich mit aller Kraft hieraus. Schon am 6. Juni ließ Thiers durch Herrn
Pouyer - Quertier der Nationalversammlung einen Gesetzentwurf vorlegen,
welcher die Regierung zur Erhebung einer Anleihe von 2^ Milliarden er¬
mächtige. Das Geld, welches die Anleihe einbrächte, sollte vornämlig ver¬
wendet werden zur Bezahlung der zwei ersten Milliarden an Deutschland.
Der Gesetzentwurf ward am 21. Juni von der Nationalversammlung an¬
genommen und am 27. Juni wurden auf die Anleihe statt der verlangten
2V2 Milliarden S Milliarden gezeichnet. Obwohl man nun weiß, wie es bei
dergleichen Anleihezeichnungen hergeht, so darf doch nicht geläugnet werden,
daß dieses Resultat ein gewaltiges Zeugniß war für den Credit Frankreichs
in ganz Europa-, welchen es nun einmal dem natürlichen Reichthum des
Landes, der Arbeitsamkeit, Intelligenz und Oeconomie seiner Bewohner und
nebenbei der verhältnißmäßigen immer anerkannten Solidität seines Handels¬
standes verdankt. Solchen Gründerschwindel wie in Berlin und Wien hat
es in Paris nie gegeben (? die Red.), obwohl Paris -- unter dem zweiten
Kaiserreich -- die Geburtsstätte des 0r6an mobilier, das Nest des Pereire
und Mire's war. Wie großartig aber immer der Credit Frankreichs in ganz
Europa sich bei Gelegenheit dieser ersten Anleihe erwiesen haben mochte, --
diese Anleihe gab keine andere Möglichkeit als diejenige, dem dringendsten
Gläubiger einen Theil der Schuld abzubezahlen. An die Stelle dieses


aufgenommen. Hier trafen von französischer Seite die Minister des Aus¬
wärtigen und der Finanzen, Jules Favre und Pouyer - Quertier mit dem
Fürsten Bismarck von deutscher Seite zusammen und unter der kräftigen und
zugleich mäßigen Einwirkung des Letzteren ward bereits am 10. Mai der
Desinitivfriede von den Bevollmächtigten der beiden Nationen unterzeichnet.
Derselbe bestätigte im Wesentlichen den Präliminarfrieden und definirte nur
Fragen genauer, welche zu secundären Anstünden hätten führen können. —
Herr Thiers wendete nun seine größeste Sorge der möglichst baldigen Aus¬
führung dieses Friedens zu und hier muß ihm das unbedingteste Lob ge¬
spendet werden von jedem Unbefangenen, welcher Partei er immer angehöre
und welche Meinung er im Uebrigen von Herrn Thiers haben möge. Die
allmälige Ausführung des Friedens durch die allmälige Bezahlung der
Kriegscontribution von fünf Milliarden brachte mit sich die allmälige
Räumung des besetzten französischen Gebiets seitens der Deutschen. Herr
Thiers sann zunächst nur darauf, soviel als möglich und sobald als möglich
Geld herbeizuschaffen, um die Deutschen bezahlen zu können, damit sie recht
bald den größten Theil des von ihnen besetzten Frankreichs und endlich recht
bald Frankreich gänzlich räumten. Am 2. März 1874 sollte die ganze Kriegs¬
contribution an Deutschland abbezahlt sein. So sagte es der Vertrag. Herr
Thiers aber glaubte diese Sache früher ins Werk setzen zu können und warf
sich mit aller Kraft hieraus. Schon am 6. Juni ließ Thiers durch Herrn
Pouyer - Quertier der Nationalversammlung einen Gesetzentwurf vorlegen,
welcher die Regierung zur Erhebung einer Anleihe von 2^ Milliarden er¬
mächtige. Das Geld, welches die Anleihe einbrächte, sollte vornämlig ver¬
wendet werden zur Bezahlung der zwei ersten Milliarden an Deutschland.
Der Gesetzentwurf ward am 21. Juni von der Nationalversammlung an¬
genommen und am 27. Juni wurden auf die Anleihe statt der verlangten
2V2 Milliarden S Milliarden gezeichnet. Obwohl man nun weiß, wie es bei
dergleichen Anleihezeichnungen hergeht, so darf doch nicht geläugnet werden,
daß dieses Resultat ein gewaltiges Zeugniß war für den Credit Frankreichs
in ganz Europa-, welchen es nun einmal dem natürlichen Reichthum des
Landes, der Arbeitsamkeit, Intelligenz und Oeconomie seiner Bewohner und
nebenbei der verhältnißmäßigen immer anerkannten Solidität seines Handels¬
standes verdankt. Solchen Gründerschwindel wie in Berlin und Wien hat
es in Paris nie gegeben (? die Red.), obwohl Paris — unter dem zweiten
Kaiserreich — die Geburtsstätte des 0r6an mobilier, das Nest des Pereire
und Mire's war. Wie großartig aber immer der Credit Frankreichs in ganz
Europa sich bei Gelegenheit dieser ersten Anleihe erwiesen haben mochte, —
diese Anleihe gab keine andere Möglichkeit als diejenige, dem dringendsten
Gläubiger einen Theil der Schuld abzubezahlen. An die Stelle dieses


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[0468] aufgenommen. Hier trafen von französischer Seite die Minister des Aus¬ wärtigen und der Finanzen, Jules Favre und Pouyer - Quertier mit dem Fürsten Bismarck von deutscher Seite zusammen und unter der kräftigen und zugleich mäßigen Einwirkung des Letzteren ward bereits am 10. Mai der Desinitivfriede von den Bevollmächtigten der beiden Nationen unterzeichnet. Derselbe bestätigte im Wesentlichen den Präliminarfrieden und definirte nur Fragen genauer, welche zu secundären Anstünden hätten führen können. — Herr Thiers wendete nun seine größeste Sorge der möglichst baldigen Aus¬ führung dieses Friedens zu und hier muß ihm das unbedingteste Lob ge¬ spendet werden von jedem Unbefangenen, welcher Partei er immer angehöre und welche Meinung er im Uebrigen von Herrn Thiers haben möge. Die allmälige Ausführung des Friedens durch die allmälige Bezahlung der Kriegscontribution von fünf Milliarden brachte mit sich die allmälige Räumung des besetzten französischen Gebiets seitens der Deutschen. Herr Thiers sann zunächst nur darauf, soviel als möglich und sobald als möglich Geld herbeizuschaffen, um die Deutschen bezahlen zu können, damit sie recht bald den größten Theil des von ihnen besetzten Frankreichs und endlich recht bald Frankreich gänzlich räumten. Am 2. März 1874 sollte die ganze Kriegs¬ contribution an Deutschland abbezahlt sein. So sagte es der Vertrag. Herr Thiers aber glaubte diese Sache früher ins Werk setzen zu können und warf sich mit aller Kraft hieraus. Schon am 6. Juni ließ Thiers durch Herrn Pouyer - Quertier der Nationalversammlung einen Gesetzentwurf vorlegen, welcher die Regierung zur Erhebung einer Anleihe von 2^ Milliarden er¬ mächtige. Das Geld, welches die Anleihe einbrächte, sollte vornämlig ver¬ wendet werden zur Bezahlung der zwei ersten Milliarden an Deutschland. Der Gesetzentwurf ward am 21. Juni von der Nationalversammlung an¬ genommen und am 27. Juni wurden auf die Anleihe statt der verlangten 2V2 Milliarden S Milliarden gezeichnet. Obwohl man nun weiß, wie es bei dergleichen Anleihezeichnungen hergeht, so darf doch nicht geläugnet werden, daß dieses Resultat ein gewaltiges Zeugniß war für den Credit Frankreichs in ganz Europa-, welchen es nun einmal dem natürlichen Reichthum des Landes, der Arbeitsamkeit, Intelligenz und Oeconomie seiner Bewohner und nebenbei der verhältnißmäßigen immer anerkannten Solidität seines Handels¬ standes verdankt. Solchen Gründerschwindel wie in Berlin und Wien hat es in Paris nie gegeben (? die Red.), obwohl Paris — unter dem zweiten Kaiserreich — die Geburtsstätte des 0r6an mobilier, das Nest des Pereire und Mire's war. Wie großartig aber immer der Credit Frankreichs in ganz Europa sich bei Gelegenheit dieser ersten Anleihe erwiesen haben mochte, — diese Anleihe gab keine andere Möglichkeit als diejenige, dem dringendsten Gläubiger einen Theil der Schuld abzubezahlen. An die Stelle dieses

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_131175/468>, abgerufen am 27.05.2024.