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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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7. Goethe an Karl August.")

(Unterthänigstes ?ro Nsmoria)

Jemehr ich mir das Geschäft der Zerschlagung des Gutes Burgau bekannt
mache, von desto größerer Wichtigkeit finde ich es, sowohl an sich, als in
Absicht auf den Einfluß, welchen es in manche andere Angelegenheiten haben
wird. Es kommen dabey verschiedene politische, juristische und ökonomische Be¬
trachtungen vor, welche wohl zu erwägen sind, damit man, wenn das Geschäft
angefangen oder gar beendigt worden, nicht alsdann erst Bedenklichkeiten
zu haben und Hindernisse aus dem Wege zu räumen habe. Deswegen hat
man um solches vorzubereiten allerlei gethan, und unter andern auch nach
Darmstadt an den Kammerath Martini geschrieben, welcher in dieser Art
Geschäften sehr bewandert ist und solche seit dreyzehn Jahren in der dortigen
Landgrafschaft betreibt.

Es hat auch derselbige vor einigen Tagen eine Antwort hierher erlassen
welche nicht weniger als genugthuend ist, vielmehr hat man Noth solchen
zu verstehen und muß den Zusammenhang nur errathen und die eigentliche
Meinung herausklauben. Ein Brief den ich zu gleicher Zeit von einem guten
Freund dorther erhielte, versichert mir, daß von gedachtem Kammerath
Martini nur auf der Stelle Nutzen zu ziehen seyn möchte, indem derselbe
als bey der Feder nicht hergekommen, das Schreiben so viel als möglich ver¬
meide und sich nicht glücklich ausdrücke.

Da nun ferner aus obgedachten Martinischen Brief zu ersehen gewesen,
daß dorten die herrschaftlichen Güter weder erd noch eigenthümlich an einzelne
verlassen noch auf einen Erbbestand, das heißt Stammvätern und ihren Fa¬
milien ausgegeben worden, sondern daß man die Art vorgezogen habe, die zu
zerschlagende Güter auf lebenslängliche Lehen für Mann und Frau aufzuthun,
welche letztere Art in hiesigen Gegenden ganz unbekannt ist; so wird man es
nur um desto nöthiger finden, sich nach der dortigen Einrichtung auf das
genaueste zu erkundigen.

Es wäre deswegen zu wünschen, daß man die ältere Art wie man dorten
zerschlagen, zuerst genau in Erfahrung bringen könnte, alsdann die neuere
und warum man diese jener vorgezogen, die Folgen die beyde gehabt und
noch haben und was sonst noch bey diesem Gegenstande vorkommen möchte.

Es könnte diese Absicht wohl nicht besser erreicht werden, als wenn man
jemand dorthin absendete, der sich die Akten vorlegen lasse, die nöthigen Ex¬
trakte daraus fertigte, sich mündlich nach allem befragte und die Gegenstände



") Als Beleg für die Vielseitigkeit Goethe's nach einer von Philipp Seidel's Hand gefer¬
tigten Reinschrift, unter die Goethe Namen und Datum setzte, mitgetheilt aus dem Weim-
Staatsarchive Rep. E. Tit. 18. No. 56.
7. Goethe an Karl August.")

(Unterthänigstes ?ro Nsmoria)

Jemehr ich mir das Geschäft der Zerschlagung des Gutes Burgau bekannt
mache, von desto größerer Wichtigkeit finde ich es, sowohl an sich, als in
Absicht auf den Einfluß, welchen es in manche andere Angelegenheiten haben
wird. Es kommen dabey verschiedene politische, juristische und ökonomische Be¬
trachtungen vor, welche wohl zu erwägen sind, damit man, wenn das Geschäft
angefangen oder gar beendigt worden, nicht alsdann erst Bedenklichkeiten
zu haben und Hindernisse aus dem Wege zu räumen habe. Deswegen hat
man um solches vorzubereiten allerlei gethan, und unter andern auch nach
Darmstadt an den Kammerath Martini geschrieben, welcher in dieser Art
Geschäften sehr bewandert ist und solche seit dreyzehn Jahren in der dortigen
Landgrafschaft betreibt.

Es hat auch derselbige vor einigen Tagen eine Antwort hierher erlassen
welche nicht weniger als genugthuend ist, vielmehr hat man Noth solchen
zu verstehen und muß den Zusammenhang nur errathen und die eigentliche
Meinung herausklauben. Ein Brief den ich zu gleicher Zeit von einem guten
Freund dorther erhielte, versichert mir, daß von gedachtem Kammerath
Martini nur auf der Stelle Nutzen zu ziehen seyn möchte, indem derselbe
als bey der Feder nicht hergekommen, das Schreiben so viel als möglich ver¬
meide und sich nicht glücklich ausdrücke.

Da nun ferner aus obgedachten Martinischen Brief zu ersehen gewesen,
daß dorten die herrschaftlichen Güter weder erd noch eigenthümlich an einzelne
verlassen noch auf einen Erbbestand, das heißt Stammvätern und ihren Fa¬
milien ausgegeben worden, sondern daß man die Art vorgezogen habe, die zu
zerschlagende Güter auf lebenslängliche Lehen für Mann und Frau aufzuthun,
welche letztere Art in hiesigen Gegenden ganz unbekannt ist; so wird man es
nur um desto nöthiger finden, sich nach der dortigen Einrichtung auf das
genaueste zu erkundigen.

Es wäre deswegen zu wünschen, daß man die ältere Art wie man dorten
zerschlagen, zuerst genau in Erfahrung bringen könnte, alsdann die neuere
und warum man diese jener vorgezogen, die Folgen die beyde gehabt und
noch haben und was sonst noch bey diesem Gegenstande vorkommen möchte.

Es könnte diese Absicht wohl nicht besser erreicht werden, als wenn man
jemand dorthin absendete, der sich die Akten vorlegen lasse, die nöthigen Ex¬
trakte daraus fertigte, sich mündlich nach allem befragte und die Gegenstände



") Als Beleg für die Vielseitigkeit Goethe's nach einer von Philipp Seidel's Hand gefer¬
tigten Reinschrift, unter die Goethe Namen und Datum setzte, mitgetheilt aus dem Weim-
Staatsarchive Rep. E. Tit. 18. No. 56.
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[0196] 7. Goethe an Karl August.") (Unterthänigstes ?ro Nsmoria) Jemehr ich mir das Geschäft der Zerschlagung des Gutes Burgau bekannt mache, von desto größerer Wichtigkeit finde ich es, sowohl an sich, als in Absicht auf den Einfluß, welchen es in manche andere Angelegenheiten haben wird. Es kommen dabey verschiedene politische, juristische und ökonomische Be¬ trachtungen vor, welche wohl zu erwägen sind, damit man, wenn das Geschäft angefangen oder gar beendigt worden, nicht alsdann erst Bedenklichkeiten zu haben und Hindernisse aus dem Wege zu räumen habe. Deswegen hat man um solches vorzubereiten allerlei gethan, und unter andern auch nach Darmstadt an den Kammerath Martini geschrieben, welcher in dieser Art Geschäften sehr bewandert ist und solche seit dreyzehn Jahren in der dortigen Landgrafschaft betreibt. Es hat auch derselbige vor einigen Tagen eine Antwort hierher erlassen welche nicht weniger als genugthuend ist, vielmehr hat man Noth solchen zu verstehen und muß den Zusammenhang nur errathen und die eigentliche Meinung herausklauben. Ein Brief den ich zu gleicher Zeit von einem guten Freund dorther erhielte, versichert mir, daß von gedachtem Kammerath Martini nur auf der Stelle Nutzen zu ziehen seyn möchte, indem derselbe als bey der Feder nicht hergekommen, das Schreiben so viel als möglich ver¬ meide und sich nicht glücklich ausdrücke. Da nun ferner aus obgedachten Martinischen Brief zu ersehen gewesen, daß dorten die herrschaftlichen Güter weder erd noch eigenthümlich an einzelne verlassen noch auf einen Erbbestand, das heißt Stammvätern und ihren Fa¬ milien ausgegeben worden, sondern daß man die Art vorgezogen habe, die zu zerschlagende Güter auf lebenslängliche Lehen für Mann und Frau aufzuthun, welche letztere Art in hiesigen Gegenden ganz unbekannt ist; so wird man es nur um desto nöthiger finden, sich nach der dortigen Einrichtung auf das genaueste zu erkundigen. Es wäre deswegen zu wünschen, daß man die ältere Art wie man dorten zerschlagen, zuerst genau in Erfahrung bringen könnte, alsdann die neuere und warum man diese jener vorgezogen, die Folgen die beyde gehabt und noch haben und was sonst noch bey diesem Gegenstande vorkommen möchte. Es könnte diese Absicht wohl nicht besser erreicht werden, als wenn man jemand dorthin absendete, der sich die Akten vorlegen lasse, die nöthigen Ex¬ trakte daraus fertigte, sich mündlich nach allem befragte und die Gegenstände ") Als Beleg für die Vielseitigkeit Goethe's nach einer von Philipp Seidel's Hand gefer¬ tigten Reinschrift, unter die Goethe Namen und Datum setzte, mitgetheilt aus dem Weim- Staatsarchive Rep. E. Tit. 18. No. 56.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/196>, abgerufen am 06.05.2024.