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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Gefährdung des Schiffes durch die herandringenden Eismassen. So wurde
denn vom Kapitän, unter einmüthiger Zustimmung der Offiziere und Ge¬
lehrten, beschlossen, von ferneren Versuchen, nordwärts zu dringen, völlig
abzustehen, und lieber die noch übrige Zeit zur Schifffahrt zur Erforschung
der Küste und des übrigen Landes auszunutzen, und demgemäß möglichst tief
in einem der großen Sunde, Scoresby- oder Davy-Sund einzudringen. Aller¬
dings war das der Instruction gewissermaßen entgegen, daß der Bug des
Schiffes nach Süden gerichtet wurde. Aber gerade dieser Abweichung von
der Vorschrift ist, wie wir sehen werden, die größte Entdeckung der ganzen
Expedition zu danken; und außerdem füllte sich schon in der nächsten Nacht
die Bucht, in der die Germania ankerte mit Schollen und Florden. die
vom Landeise losbrachen und vom Süden herauftrieben und das Schiff
ganz einzuschließen drohten, so daß auch gegen den Willen der Führer der
Kurs nach Süden hätte gerichtet werden müssen. So steuerte denn die Ger¬
mania am 30. Juli früh 3 Uhr wieder, südwärts und ankerte bereits Abends
Wieder bei Griper Noack, ihrem alten Winterhasen.




Französischer Weissagungsschwindel.

Auf der anderen Seite der Vogesen rappete es wieder einmal stark in
vielen französischen Köpfen; der Ingrimm gegen die nordischen Barbaren und
Pendulendiebe wird mit neuen und alten Decorationen abermals in Scene
gesetzt. Man verflucht die deutschen Räuber, man belegt sie mit den ärgsten
Schimpfnamen, bemüht sich über sie zu spötteln und sucht sich damit über
die jammervollen zerrütteten Zustände im eigenen Land hinwegzuhelfen.

Es wird den Franzosen nachgesagt, daß sie nicht ganz ohne Witz seien
Und vor allem das Lächerliche fürchten. Sehen wir zu, ob sie auch gegen¬
wärtig vor demselben sich nicht scheuen.

Der alte jüdische Prophet Daniel, mit dem sie jetzt an Seine und
Loire, an Rhone und Garonne sich viel zu schaffen machen, legte bekanntlich
dem babylonischen Könige Nebukadnezar, bevor dieser Gras und Kraut ver¬
speiste, Träume aus. Der Schah am Euphrat fand den Juden zehnmal
klüger und verständiger, denn alle Menschen und Weisen in seinem ganzen
Reiche. Alle verborgenen Dinge wurden ihm Nachts durch Gesichte offenbaret.
Eines Nachts hatte Daniel einen Traum, in welchem er vier große, phantastisch
gebildete Thiere sah. Den Traum schrieb er am andern Morgen nieder.


Gefährdung des Schiffes durch die herandringenden Eismassen. So wurde
denn vom Kapitän, unter einmüthiger Zustimmung der Offiziere und Ge¬
lehrten, beschlossen, von ferneren Versuchen, nordwärts zu dringen, völlig
abzustehen, und lieber die noch übrige Zeit zur Schifffahrt zur Erforschung
der Küste und des übrigen Landes auszunutzen, und demgemäß möglichst tief
in einem der großen Sunde, Scoresby- oder Davy-Sund einzudringen. Aller¬
dings war das der Instruction gewissermaßen entgegen, daß der Bug des
Schiffes nach Süden gerichtet wurde. Aber gerade dieser Abweichung von
der Vorschrift ist, wie wir sehen werden, die größte Entdeckung der ganzen
Expedition zu danken; und außerdem füllte sich schon in der nächsten Nacht
die Bucht, in der die Germania ankerte mit Schollen und Florden. die
vom Landeise losbrachen und vom Süden herauftrieben und das Schiff
ganz einzuschließen drohten, so daß auch gegen den Willen der Führer der
Kurs nach Süden hätte gerichtet werden müssen. So steuerte denn die Ger¬
mania am 30. Juli früh 3 Uhr wieder, südwärts und ankerte bereits Abends
Wieder bei Griper Noack, ihrem alten Winterhasen.




Französischer Weissagungsschwindel.

Auf der anderen Seite der Vogesen rappete es wieder einmal stark in
vielen französischen Köpfen; der Ingrimm gegen die nordischen Barbaren und
Pendulendiebe wird mit neuen und alten Decorationen abermals in Scene
gesetzt. Man verflucht die deutschen Räuber, man belegt sie mit den ärgsten
Schimpfnamen, bemüht sich über sie zu spötteln und sucht sich damit über
die jammervollen zerrütteten Zustände im eigenen Land hinwegzuhelfen.

Es wird den Franzosen nachgesagt, daß sie nicht ganz ohne Witz seien
Und vor allem das Lächerliche fürchten. Sehen wir zu, ob sie auch gegen¬
wärtig vor demselben sich nicht scheuen.

Der alte jüdische Prophet Daniel, mit dem sie jetzt an Seine und
Loire, an Rhone und Garonne sich viel zu schaffen machen, legte bekanntlich
dem babylonischen Könige Nebukadnezar, bevor dieser Gras und Kraut ver¬
speiste, Träume aus. Der Schah am Euphrat fand den Juden zehnmal
klüger und verständiger, denn alle Menschen und Weisen in seinem ganzen
Reiche. Alle verborgenen Dinge wurden ihm Nachts durch Gesichte offenbaret.
Eines Nachts hatte Daniel einen Traum, in welchem er vier große, phantastisch
gebildete Thiere sah. Den Traum schrieb er am andern Morgen nieder.


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[0357] Gefährdung des Schiffes durch die herandringenden Eismassen. So wurde denn vom Kapitän, unter einmüthiger Zustimmung der Offiziere und Ge¬ lehrten, beschlossen, von ferneren Versuchen, nordwärts zu dringen, völlig abzustehen, und lieber die noch übrige Zeit zur Schifffahrt zur Erforschung der Küste und des übrigen Landes auszunutzen, und demgemäß möglichst tief in einem der großen Sunde, Scoresby- oder Davy-Sund einzudringen. Aller¬ dings war das der Instruction gewissermaßen entgegen, daß der Bug des Schiffes nach Süden gerichtet wurde. Aber gerade dieser Abweichung von der Vorschrift ist, wie wir sehen werden, die größte Entdeckung der ganzen Expedition zu danken; und außerdem füllte sich schon in der nächsten Nacht die Bucht, in der die Germania ankerte mit Schollen und Florden. die vom Landeise losbrachen und vom Süden herauftrieben und das Schiff ganz einzuschließen drohten, so daß auch gegen den Willen der Führer der Kurs nach Süden hätte gerichtet werden müssen. So steuerte denn die Ger¬ mania am 30. Juli früh 3 Uhr wieder, südwärts und ankerte bereits Abends Wieder bei Griper Noack, ihrem alten Winterhasen. Französischer Weissagungsschwindel. Auf der anderen Seite der Vogesen rappete es wieder einmal stark in vielen französischen Köpfen; der Ingrimm gegen die nordischen Barbaren und Pendulendiebe wird mit neuen und alten Decorationen abermals in Scene gesetzt. Man verflucht die deutschen Räuber, man belegt sie mit den ärgsten Schimpfnamen, bemüht sich über sie zu spötteln und sucht sich damit über die jammervollen zerrütteten Zustände im eigenen Land hinwegzuhelfen. Es wird den Franzosen nachgesagt, daß sie nicht ganz ohne Witz seien Und vor allem das Lächerliche fürchten. Sehen wir zu, ob sie auch gegen¬ wärtig vor demselben sich nicht scheuen. Der alte jüdische Prophet Daniel, mit dem sie jetzt an Seine und Loire, an Rhone und Garonne sich viel zu schaffen machen, legte bekanntlich dem babylonischen Könige Nebukadnezar, bevor dieser Gras und Kraut ver¬ speiste, Träume aus. Der Schah am Euphrat fand den Juden zehnmal klüger und verständiger, denn alle Menschen und Weisen in seinem ganzen Reiche. Alle verborgenen Dinge wurden ihm Nachts durch Gesichte offenbaret. Eines Nachts hatte Daniel einen Traum, in welchem er vier große, phantastisch gebildete Thiere sah. Den Traum schrieb er am andern Morgen nieder.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/357>, abgerufen am 06.05.2024.