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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Ava deutschen Keichstag.

Die Thronrede hat dem Reichstag eine größere Arbeitsfülle in Aussicht
gestellt, als man erwartete. Zu den drei Gesetzen über die Gerichtsverfassung,
das Civilverfahren und das Strafverfahren, soll, wie es scheint, noch in dieser
Session auch die Concursordnung vorgelegt werden. Durch dieses letztere
Gesetz wird sich allerdings die Reichstagsarbeit nicht vermehren, sondern nur
die Arbeit der zur Vorberathung der Reichsjustizgesetze zu bildenden Com¬
mission, die man ja bevollmächtigen will, ihr Werk einer späteren Session
vorzulegen.

Anders steht es mit den angekündigten Vorlagen über das Heerwesen,
Diese werden dem parlamentarischen Fleiß reichlich zu thun geben. Da sind
drei Gesetzentwürfe, nämlich: 1) über den Landsturm. 2) über die Controle
der Beurlaubten, 3) über die Naturalleistungen für die bewaffnete Macht
im Frieden. Dazu kommt bei der Berathung der Heeresausgaben die längst
erwartete Mehrforderung, welche durch Erhöhung der Matnkularbeiträge auf¬
gebracht werden soll. Der Vorschlag dieser Erhöhung wird unausbleiblich
dazu führen, den Modus der Aufbringung des Reichsbedarfs principiell zu
erörtern. Wir werden von Reichseinkommensteuer und von Tabaksteuer zu
hören bekommen. Sehr interessante Gegenstände für den Finanzpolitiker,
und überdem von praktischer Unvermeidlichkeit, aber nicht zu erledigen in dem
kurzen Raum dieser Session. Die Beschlußfassung über die Heeresausgaben
N)ird durch die immerhin nicht zu umgehende Anregung dieser Frage nicht
Kürze gewinnen. -- Die Vorlegung des Banknotengesetzentwurfs ist mit
Bestimmtheit erwartet worden und der Reichstag hat keine dringendere Pflicht
diese Vorlage positiv zu erledigen. Dagegen ist wohl die Frage erlaubt,
ob es nöthig war, das Gesetz über die Einrichtung des Reichs-Rechnungs¬
hofes und das damit im Zusammenhang stehende Comptabilitätsgesetz, deren
Entwürfe schon im Frühjahr vorgelegt, aber nicht berathen wurden, bereits
Wiederum dieser im Verhältniß zu ihrer Dauer überlasteten Herbstsession aufzu¬
bürden. Die Prüfung der Rechnungslegung über die Jahre 1867--71 erfordert
chon ein gut Stück Arbeit, ohne zu den Hauptgegenständen der Session zu ge¬
hören. Zum ersten Mal hat der Reichstag über den Haushalt des Reichs¬
tes Elsaß und Lothringen zu beschließen. Wenn dieser Haushalt auch
von großem Umfang sein wird, so dürfte die erste Erörterung desselben
zu einer weitläufigen Verhandlung sich gestalten, weil sie eine gewisser-
^aßen grundlegende Arbeit ist. Der gewichtige Schluß, mit welchem die
^onrede auf die auswärtigen Verhältnisse Bezug nimmt, bedarf unseres


Ava deutschen Keichstag.

Die Thronrede hat dem Reichstag eine größere Arbeitsfülle in Aussicht
gestellt, als man erwartete. Zu den drei Gesetzen über die Gerichtsverfassung,
das Civilverfahren und das Strafverfahren, soll, wie es scheint, noch in dieser
Session auch die Concursordnung vorgelegt werden. Durch dieses letztere
Gesetz wird sich allerdings die Reichstagsarbeit nicht vermehren, sondern nur
die Arbeit der zur Vorberathung der Reichsjustizgesetze zu bildenden Com¬
mission, die man ja bevollmächtigen will, ihr Werk einer späteren Session
vorzulegen.

Anders steht es mit den angekündigten Vorlagen über das Heerwesen,
Diese werden dem parlamentarischen Fleiß reichlich zu thun geben. Da sind
drei Gesetzentwürfe, nämlich: 1) über den Landsturm. 2) über die Controle
der Beurlaubten, 3) über die Naturalleistungen für die bewaffnete Macht
im Frieden. Dazu kommt bei der Berathung der Heeresausgaben die längst
erwartete Mehrforderung, welche durch Erhöhung der Matnkularbeiträge auf¬
gebracht werden soll. Der Vorschlag dieser Erhöhung wird unausbleiblich
dazu führen, den Modus der Aufbringung des Reichsbedarfs principiell zu
erörtern. Wir werden von Reichseinkommensteuer und von Tabaksteuer zu
hören bekommen. Sehr interessante Gegenstände für den Finanzpolitiker,
und überdem von praktischer Unvermeidlichkeit, aber nicht zu erledigen in dem
kurzen Raum dieser Session. Die Beschlußfassung über die Heeresausgaben
N)ird durch die immerhin nicht zu umgehende Anregung dieser Frage nicht
Kürze gewinnen. — Die Vorlegung des Banknotengesetzentwurfs ist mit
Bestimmtheit erwartet worden und der Reichstag hat keine dringendere Pflicht
diese Vorlage positiv zu erledigen. Dagegen ist wohl die Frage erlaubt,
ob es nöthig war, das Gesetz über die Einrichtung des Reichs-Rechnungs¬
hofes und das damit im Zusammenhang stehende Comptabilitätsgesetz, deren
Entwürfe schon im Frühjahr vorgelegt, aber nicht berathen wurden, bereits
Wiederum dieser im Verhältniß zu ihrer Dauer überlasteten Herbstsession aufzu¬
bürden. Die Prüfung der Rechnungslegung über die Jahre 1867—71 erfordert
chon ein gut Stück Arbeit, ohne zu den Hauptgegenständen der Session zu ge¬
hören. Zum ersten Mal hat der Reichstag über den Haushalt des Reichs¬
tes Elsaß und Lothringen zu beschließen. Wenn dieser Haushalt auch
von großem Umfang sein wird, so dürfte die erste Erörterung desselben
zu einer weitläufigen Verhandlung sich gestalten, weil sie eine gewisser-
^aßen grundlegende Arbeit ist. Der gewichtige Schluß, mit welchem die
^onrede auf die auswärtigen Verhältnisse Bezug nimmt, bedarf unseres


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[0241] Ava deutschen Keichstag. Die Thronrede hat dem Reichstag eine größere Arbeitsfülle in Aussicht gestellt, als man erwartete. Zu den drei Gesetzen über die Gerichtsverfassung, das Civilverfahren und das Strafverfahren, soll, wie es scheint, noch in dieser Session auch die Concursordnung vorgelegt werden. Durch dieses letztere Gesetz wird sich allerdings die Reichstagsarbeit nicht vermehren, sondern nur die Arbeit der zur Vorberathung der Reichsjustizgesetze zu bildenden Com¬ mission, die man ja bevollmächtigen will, ihr Werk einer späteren Session vorzulegen. Anders steht es mit den angekündigten Vorlagen über das Heerwesen, Diese werden dem parlamentarischen Fleiß reichlich zu thun geben. Da sind drei Gesetzentwürfe, nämlich: 1) über den Landsturm. 2) über die Controle der Beurlaubten, 3) über die Naturalleistungen für die bewaffnete Macht im Frieden. Dazu kommt bei der Berathung der Heeresausgaben die längst erwartete Mehrforderung, welche durch Erhöhung der Matnkularbeiträge auf¬ gebracht werden soll. Der Vorschlag dieser Erhöhung wird unausbleiblich dazu führen, den Modus der Aufbringung des Reichsbedarfs principiell zu erörtern. Wir werden von Reichseinkommensteuer und von Tabaksteuer zu hören bekommen. Sehr interessante Gegenstände für den Finanzpolitiker, und überdem von praktischer Unvermeidlichkeit, aber nicht zu erledigen in dem kurzen Raum dieser Session. Die Beschlußfassung über die Heeresausgaben N)ird durch die immerhin nicht zu umgehende Anregung dieser Frage nicht Kürze gewinnen. — Die Vorlegung des Banknotengesetzentwurfs ist mit Bestimmtheit erwartet worden und der Reichstag hat keine dringendere Pflicht diese Vorlage positiv zu erledigen. Dagegen ist wohl die Frage erlaubt, ob es nöthig war, das Gesetz über die Einrichtung des Reichs-Rechnungs¬ hofes und das damit im Zusammenhang stehende Comptabilitätsgesetz, deren Entwürfe schon im Frühjahr vorgelegt, aber nicht berathen wurden, bereits Wiederum dieser im Verhältniß zu ihrer Dauer überlasteten Herbstsession aufzu¬ bürden. Die Prüfung der Rechnungslegung über die Jahre 1867—71 erfordert chon ein gut Stück Arbeit, ohne zu den Hauptgegenständen der Session zu ge¬ hören. Zum ersten Mal hat der Reichstag über den Haushalt des Reichs¬ tes Elsaß und Lothringen zu beschließen. Wenn dieser Haushalt auch von großem Umfang sein wird, so dürfte die erste Erörterung desselben zu einer weitläufigen Verhandlung sich gestalten, weil sie eine gewisser- ^aßen grundlegende Arbeit ist. Der gewichtige Schluß, mit welchem die ^onrede auf die auswärtigen Verhältnisse Bezug nimmt, bedarf unseres

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/241>, abgerufen am 19.05.2024.