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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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gültigkeit gegen alle Förmlichkeiten, welche den Bahnbrecher der Cultur im
Westen charakterisirt. Bald darauf händigte mir die gelbe Rübe das Fünf¬
cent-Stück wieder ein und sagte mir, ich sollte doch mein Geld lieber in
meinem Portemonnaie als in meiner Seele mit mir herumtragen, dann würde
es nicht so zusammenschrumpfen."

(Schluß folgt.)




Z)le sächsische MlitiK.

Der Artikel: "Ein Beitrag zur Geschichte der sächsischen Po-
litik", den die Preußischen Jahrbücher von Treitschke in ihrem November¬
heft bringen, wird nicht verfehlen, diesseits und jenseits der grünweißen Grenz¬
pfähle ein gewisses Aufsehen zu erregen. Hier, in der sächsischen Hauptstadt,
hat er natürlich die Kreise, auf welche er seine grellen Schlaglichter wirft,
sehr empfindlich berührt. Die nächste Frage war nach dem Verfasser. Des
beißenden Inhalts wegen, könnte man auf den Herausgeber der Jahrbücher
selbst, Heinrich von Treitschke, rathen, diesen "entarteten Sohn" Sachsens,
der den hiesigen maßgebenden Persönlichkeiten schon so viel Schmerz und
Aerger bereitet hat; allein es ist nicht Treitschke's Stil, und der Aufsatz ent¬
hält Manches, was Treitschke richtiger historisch festgestellt haben würde,
Manches, was ihm, dem so lange schon so gut wie aus Sachsen Exilirten,
kaum so vertraut sein kann, wie es dem Verfasser zu sein scheint. Die Wiener
Deutsche Zeitung, welche den Artikel alsbald eingehend besprach, glaubt zu
wissen, er rühre von einem den sächsischen Regierungskreisen nahestehenden,
wenn nicht zugehörigen, zugleich in die Geheimnisse des Hofes eingeweihten
Manne her, einem Bürgerlichen, einem Reichstreuen und in dieser doppelten
Beziehung durch den Gang der sächsischen Politik tief Verbitterten.

Das Letztere merkt man allerdings aus jeder Zeile des Artikels. Auch
das läßt sich herausfühlen, daß der Verfasser sich viel in jenen obern Schich¬
ten bewegt, wohl auch manchen Blick hinter die Coulissen gethan hat, wogegen
es wieder frappirt, wie er in der Auffassung mancher thatsächlichen Vorgänge
des öffentlichen Lebens in Sachsen weniger sicher, zum Theil sogar übel be¬
richtet erscheint. Aber auch seine Kenntniß von der geheimen Geschichte des
Hoff, des Beamtenthums ist nicht immer ganz zuverlässig, stützt sich bis¬
weilen wohl mehr auf unsichere on an's als, wie es scheint, auf eignes Hören


gültigkeit gegen alle Förmlichkeiten, welche den Bahnbrecher der Cultur im
Westen charakterisirt. Bald darauf händigte mir die gelbe Rübe das Fünf¬
cent-Stück wieder ein und sagte mir, ich sollte doch mein Geld lieber in
meinem Portemonnaie als in meiner Seele mit mir herumtragen, dann würde
es nicht so zusammenschrumpfen."

(Schluß folgt.)




Z)le sächsische MlitiK.

Der Artikel: „Ein Beitrag zur Geschichte der sächsischen Po-
litik", den die Preußischen Jahrbücher von Treitschke in ihrem November¬
heft bringen, wird nicht verfehlen, diesseits und jenseits der grünweißen Grenz¬
pfähle ein gewisses Aufsehen zu erregen. Hier, in der sächsischen Hauptstadt,
hat er natürlich die Kreise, auf welche er seine grellen Schlaglichter wirft,
sehr empfindlich berührt. Die nächste Frage war nach dem Verfasser. Des
beißenden Inhalts wegen, könnte man auf den Herausgeber der Jahrbücher
selbst, Heinrich von Treitschke, rathen, diesen „entarteten Sohn" Sachsens,
der den hiesigen maßgebenden Persönlichkeiten schon so viel Schmerz und
Aerger bereitet hat; allein es ist nicht Treitschke's Stil, und der Aufsatz ent¬
hält Manches, was Treitschke richtiger historisch festgestellt haben würde,
Manches, was ihm, dem so lange schon so gut wie aus Sachsen Exilirten,
kaum so vertraut sein kann, wie es dem Verfasser zu sein scheint. Die Wiener
Deutsche Zeitung, welche den Artikel alsbald eingehend besprach, glaubt zu
wissen, er rühre von einem den sächsischen Regierungskreisen nahestehenden,
wenn nicht zugehörigen, zugleich in die Geheimnisse des Hofes eingeweihten
Manne her, einem Bürgerlichen, einem Reichstreuen und in dieser doppelten
Beziehung durch den Gang der sächsischen Politik tief Verbitterten.

Das Letztere merkt man allerdings aus jeder Zeile des Artikels. Auch
das läßt sich herausfühlen, daß der Verfasser sich viel in jenen obern Schich¬
ten bewegt, wohl auch manchen Blick hinter die Coulissen gethan hat, wogegen
es wieder frappirt, wie er in der Auffassung mancher thatsächlichen Vorgänge
des öffentlichen Lebens in Sachsen weniger sicher, zum Theil sogar übel be¬
richtet erscheint. Aber auch seine Kenntniß von der geheimen Geschichte des
Hoff, des Beamtenthums ist nicht immer ganz zuverlässig, stützt sich bis¬
weilen wohl mehr auf unsichere on an's als, wie es scheint, auf eignes Hören


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/350>, abgerufen am 19.05.2024.