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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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sind, -- wenn, sagen wir, ein solches Gesetz eben darum die gottgeordnete Ver¬
fassung der Kirche zerstören und im heiligen, unveräußerlichen Rechte verletzen
muß -- nM, dann Ade Gesetzgebung, Logik und gesunde Vernunft für
R. Mumm. immer!




Dom deutschen Keichstag und vom preußischen Landtag.

In den ersten Sitzungen dieser Woche beendigte der Reichstag die zweite
oder Einzelberathung des Gesetzes über die Beurkundung des Personenstandes
und die Eheschließung. Der Verfolg dieser Berathung giebt jedoch keine Ver¬
anlassung, wiederholt auf den Gegenstand einzugehen. Nur die einzelne Aeuße¬
rung eines Redners heben wir hervor, die sich gar nicht unmittelbar auf den
zur Berathung stehenden Gesetzentwurf bezog. Der Abgeordnete Gras Fran¬
kenberg, Mitglied der frei-conservativen Partei, in Schlesien reichbegütert,
beklagte sich wegen der Überlastung der Standesbeamten seitens der Behörden
mit Geschäften, die nicht zum unmittelbaren Wirkungskreis der Standesbeamten
gehören. Graf Frankenberg ist selbst Standesbeamter und wußte den Uebel¬
stand aus eigener Erfahrung recht gut zu schildern. Namentlich machten die
Geldstrafen, welche die neue Vormundschaftsordnung bei unterlassener Todes¬
anzeigen in Aussicht nimmt, in der Schilderung eine stattliche Figur. Die
Ausführung des Redners konnte natürlich in dem Zusammenhange der Be¬
rathung, wo sie vorgebracht wurde, keine nähere Erörterung finden. Aehnliche
Klagen erschallen indeß von allen Enden. Darauf wollen wir die Bemerkung
nicht unterlassen, daß Gneist uns Deutschen beinahe seit 20 Jahren unermüd¬
lich gesagt hat, daß das gerade die Selbstverwaltung ist: Unbequeme Arbeit
mit strenger Verantwortung und unbehaglichen Strafen, namentlich an Geld.
Der Staatsdienst -- und eine Form des Staatsdienstes ist die höchst un¬
passend sogenannte Selbstverwaltung -- ist keine Sache, die man zum Ver¬
gnügen treiben kann, bei der man sich das Maß der Arbeit abmißt und ge"
räde nur soviel thut, als sich mit dem eignen Behagen verträgt. Eins von
beiden: entweder die Staatsarbeit wird nach wie vor nur von solchen gethan,
^e aus dem Beamtenthum einen ausschließlichen Beruf machen, oder wir
stellen aus den Reihen der Gesellschaft für einen gro.ßer Theil der Staats¬
arbeit freiwillige Beamte, welche sich ohne Entgeld periodisch ablösen. Wenn
K>ir das letztere thun, so werden wir die wohlthätigsten Folgen nach allen


sind, — wenn, sagen wir, ein solches Gesetz eben darum die gottgeordnete Ver¬
fassung der Kirche zerstören und im heiligen, unveräußerlichen Rechte verletzen
muß — nM, dann Ade Gesetzgebung, Logik und gesunde Vernunft für
R. Mumm. immer!




Dom deutschen Keichstag und vom preußischen Landtag.

In den ersten Sitzungen dieser Woche beendigte der Reichstag die zweite
oder Einzelberathung des Gesetzes über die Beurkundung des Personenstandes
und die Eheschließung. Der Verfolg dieser Berathung giebt jedoch keine Ver¬
anlassung, wiederholt auf den Gegenstand einzugehen. Nur die einzelne Aeuße¬
rung eines Redners heben wir hervor, die sich gar nicht unmittelbar auf den
zur Berathung stehenden Gesetzentwurf bezog. Der Abgeordnete Gras Fran¬
kenberg, Mitglied der frei-conservativen Partei, in Schlesien reichbegütert,
beklagte sich wegen der Überlastung der Standesbeamten seitens der Behörden
mit Geschäften, die nicht zum unmittelbaren Wirkungskreis der Standesbeamten
gehören. Graf Frankenberg ist selbst Standesbeamter und wußte den Uebel¬
stand aus eigener Erfahrung recht gut zu schildern. Namentlich machten die
Geldstrafen, welche die neue Vormundschaftsordnung bei unterlassener Todes¬
anzeigen in Aussicht nimmt, in der Schilderung eine stattliche Figur. Die
Ausführung des Redners konnte natürlich in dem Zusammenhange der Be¬
rathung, wo sie vorgebracht wurde, keine nähere Erörterung finden. Aehnliche
Klagen erschallen indeß von allen Enden. Darauf wollen wir die Bemerkung
nicht unterlassen, daß Gneist uns Deutschen beinahe seit 20 Jahren unermüd¬
lich gesagt hat, daß das gerade die Selbstverwaltung ist: Unbequeme Arbeit
mit strenger Verantwortung und unbehaglichen Strafen, namentlich an Geld.
Der Staatsdienst — und eine Form des Staatsdienstes ist die höchst un¬
passend sogenannte Selbstverwaltung — ist keine Sache, die man zum Ver¬
gnügen treiben kann, bei der man sich das Maß der Arbeit abmißt und ge«
räde nur soviel thut, als sich mit dem eignen Behagen verträgt. Eins von
beiden: entweder die Staatsarbeit wird nach wie vor nur von solchen gethan,
^e aus dem Beamtenthum einen ausschließlichen Beruf machen, oder wir
stellen aus den Reihen der Gesellschaft für einen gro.ßer Theil der Staats¬
arbeit freiwillige Beamte, welche sich ohne Entgeld periodisch ablösen. Wenn
K>ir das letztere thun, so werden wir die wohlthätigsten Folgen nach allen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/199>, abgerufen am 06.05.2024.