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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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diese Frage nach dem Brodkorb vielleicht die Brücke bilden zum Gehorsam
Das wäre immerhin erfreulich genug, wenn auch nicht gerade ein xoint
6'lionnlzur darin zu erblicken sein dürfte.

Doch bezweifeln wir die Ehrlichkeit dieser Absicht, und das aus gutem
Grunde. Dahinter lauert wieder die mephistophelische Larve des Spottes und
der Verhöhnung gegen die Staatsgesetze, falls man sich auf derartige Propo¬
sitionen einlassen wollte. Und dann sind solche Concessionen ja doch eigentlich
ganz unmöglich von dem Standpunkte der Proponenten. Einen einzigen
Paragraphen der Maigesetze ohne Rückhalt annehmen, das hieße ja alles
übrige mit in den Kauf nehmen und die Gesetze als solche anerkennen, --
diese gottlosen Maigesetze. Wo bleiben wir da mit unsern Vorwürfen, daß
jeder einzelne Paragraph derselben einen unberechtigten Eingriff in die gott¬
geordnete Verfassung der Kirche enthält? Unmöglich! -- Freilich haben sich,
auch schon einzelne Bischöfe viel früher, ehe man an die preußischen Maige¬
setze dachte, direct für Aufhebung der Succursalen und deren Jmmutation
(Umänderung) in ständige Beneficien beim Papste verwandt. So schrieb
noch i. I. 1845 der Bischof von Lüttich in dieser Angelegenheit an den Papst.
Der aber antwortete unter dem 1. Mai jenes Jahres ganz kategorisch:
"Ill in regimillö eeellzsiiii'no sueeursalium null", immutatio eine, äouve
alitsr a LkätZ ^postolieg, stg.lutum world", zu Deutsch: "Es soll in der
Verwaltung der Suceursalkirchen keine Jmmutation stattfinden, bis von dem
heil, apostolischen Stuhl anders entschieden worden sein wird!" Und weil es
dem Papste in Rom also gefällt, darum ist das canonische Recht, das Tri-
dentinum und das Staatsgesetz eine Null, die ersteren sagen das nicht, was
sie doch eigentlich sagen und das letztere ist totaliter unverbindlich für die
deutschen Bischöfe und Priester. Punktum! -- Nun wer den Unfehlbarer
als die erste und letzte Instanz, als den einzig tonangebenden Factor in allen
seinen Verhältnissen, in allen Fragen des bürgerlichen und gesetzlichen Zu¬
sammenlebens anzusehen gewohnt ist, mit dem wollen wir weiter nicht rechten.
Den macht die Unfehlbarkeit einfach unnahbar und ineurabel. Das Gesetz
kennt eine solche Instanz nicht ; es ist sich selbst ro-tlo serixta,, die geschriebene
Vernunft: -- für den Staat ist jener Factor in gesetzgeberischen Fragen
nicht vorhanden oder doch eine sehr ineommensurable Größe, mit der sich
vernünftigerweise nicht rechnen läßt: wenn das die gottgeordnete Verfassung
der Kirche ist, was diesem oder jenem Papste einmal einfällt, was er auf
Einflüsterungen einer allmächtigen Jesuiten - Partei in der Curie unfehlbar fest¬
setzen und entscheiden muß; wenn jedes Gesetz, welches langjährige Irrthümer
und Unzuträglichkeiten zu verbessern bestrebt ist, Mißbräuche, welche selbst von
dem Palladium der Kirche, dem canonischen Recht, als solche bezeichnet und
von frühern Kirchenfürsten getadelt und auf das Eifrigste verfolgt worden


diese Frage nach dem Brodkorb vielleicht die Brücke bilden zum Gehorsam
Das wäre immerhin erfreulich genug, wenn auch nicht gerade ein xoint
6'lionnlzur darin zu erblicken sein dürfte.

Doch bezweifeln wir die Ehrlichkeit dieser Absicht, und das aus gutem
Grunde. Dahinter lauert wieder die mephistophelische Larve des Spottes und
der Verhöhnung gegen die Staatsgesetze, falls man sich auf derartige Propo¬
sitionen einlassen wollte. Und dann sind solche Concessionen ja doch eigentlich
ganz unmöglich von dem Standpunkte der Proponenten. Einen einzigen
Paragraphen der Maigesetze ohne Rückhalt annehmen, das hieße ja alles
übrige mit in den Kauf nehmen und die Gesetze als solche anerkennen, —
diese gottlosen Maigesetze. Wo bleiben wir da mit unsern Vorwürfen, daß
jeder einzelne Paragraph derselben einen unberechtigten Eingriff in die gott¬
geordnete Verfassung der Kirche enthält? Unmöglich! — Freilich haben sich,
auch schon einzelne Bischöfe viel früher, ehe man an die preußischen Maige¬
setze dachte, direct für Aufhebung der Succursalen und deren Jmmutation
(Umänderung) in ständige Beneficien beim Papste verwandt. So schrieb
noch i. I. 1845 der Bischof von Lüttich in dieser Angelegenheit an den Papst.
Der aber antwortete unter dem 1. Mai jenes Jahres ganz kategorisch:
„Ill in regimillö eeellzsiiii'no sueeursalium null«, immutatio eine, äouve
alitsr a LkätZ ^postolieg, stg.lutum world", zu Deutsch: „Es soll in der
Verwaltung der Suceursalkirchen keine Jmmutation stattfinden, bis von dem
heil, apostolischen Stuhl anders entschieden worden sein wird!" Und weil es
dem Papste in Rom also gefällt, darum ist das canonische Recht, das Tri-
dentinum und das Staatsgesetz eine Null, die ersteren sagen das nicht, was
sie doch eigentlich sagen und das letztere ist totaliter unverbindlich für die
deutschen Bischöfe und Priester. Punktum! — Nun wer den Unfehlbarer
als die erste und letzte Instanz, als den einzig tonangebenden Factor in allen
seinen Verhältnissen, in allen Fragen des bürgerlichen und gesetzlichen Zu¬
sammenlebens anzusehen gewohnt ist, mit dem wollen wir weiter nicht rechten.
Den macht die Unfehlbarkeit einfach unnahbar und ineurabel. Das Gesetz
kennt eine solche Instanz nicht ; es ist sich selbst ro-tlo serixta,, die geschriebene
Vernunft: — für den Staat ist jener Factor in gesetzgeberischen Fragen
nicht vorhanden oder doch eine sehr ineommensurable Größe, mit der sich
vernünftigerweise nicht rechnen läßt: wenn das die gottgeordnete Verfassung
der Kirche ist, was diesem oder jenem Papste einmal einfällt, was er auf
Einflüsterungen einer allmächtigen Jesuiten - Partei in der Curie unfehlbar fest¬
setzen und entscheiden muß; wenn jedes Gesetz, welches langjährige Irrthümer
und Unzuträglichkeiten zu verbessern bestrebt ist, Mißbräuche, welche selbst von
dem Palladium der Kirche, dem canonischen Recht, als solche bezeichnet und
von frühern Kirchenfürsten getadelt und auf das Eifrigste verfolgt worden


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[0198] diese Frage nach dem Brodkorb vielleicht die Brücke bilden zum Gehorsam Das wäre immerhin erfreulich genug, wenn auch nicht gerade ein xoint 6'lionnlzur darin zu erblicken sein dürfte. Doch bezweifeln wir die Ehrlichkeit dieser Absicht, und das aus gutem Grunde. Dahinter lauert wieder die mephistophelische Larve des Spottes und der Verhöhnung gegen die Staatsgesetze, falls man sich auf derartige Propo¬ sitionen einlassen wollte. Und dann sind solche Concessionen ja doch eigentlich ganz unmöglich von dem Standpunkte der Proponenten. Einen einzigen Paragraphen der Maigesetze ohne Rückhalt annehmen, das hieße ja alles übrige mit in den Kauf nehmen und die Gesetze als solche anerkennen, — diese gottlosen Maigesetze. Wo bleiben wir da mit unsern Vorwürfen, daß jeder einzelne Paragraph derselben einen unberechtigten Eingriff in die gott¬ geordnete Verfassung der Kirche enthält? Unmöglich! — Freilich haben sich, auch schon einzelne Bischöfe viel früher, ehe man an die preußischen Maige¬ setze dachte, direct für Aufhebung der Succursalen und deren Jmmutation (Umänderung) in ständige Beneficien beim Papste verwandt. So schrieb noch i. I. 1845 der Bischof von Lüttich in dieser Angelegenheit an den Papst. Der aber antwortete unter dem 1. Mai jenes Jahres ganz kategorisch: „Ill in regimillö eeellzsiiii'no sueeursalium null«, immutatio eine, äouve alitsr a LkätZ ^postolieg, stg.lutum world", zu Deutsch: „Es soll in der Verwaltung der Suceursalkirchen keine Jmmutation stattfinden, bis von dem heil, apostolischen Stuhl anders entschieden worden sein wird!" Und weil es dem Papste in Rom also gefällt, darum ist das canonische Recht, das Tri- dentinum und das Staatsgesetz eine Null, die ersteren sagen das nicht, was sie doch eigentlich sagen und das letztere ist totaliter unverbindlich für die deutschen Bischöfe und Priester. Punktum! — Nun wer den Unfehlbarer als die erste und letzte Instanz, als den einzig tonangebenden Factor in allen seinen Verhältnissen, in allen Fragen des bürgerlichen und gesetzlichen Zu¬ sammenlebens anzusehen gewohnt ist, mit dem wollen wir weiter nicht rechten. Den macht die Unfehlbarkeit einfach unnahbar und ineurabel. Das Gesetz kennt eine solche Instanz nicht ; es ist sich selbst ro-tlo serixta,, die geschriebene Vernunft: — für den Staat ist jener Factor in gesetzgeberischen Fragen nicht vorhanden oder doch eine sehr ineommensurable Größe, mit der sich vernünftigerweise nicht rechnen läßt: wenn das die gottgeordnete Verfassung der Kirche ist, was diesem oder jenem Papste einmal einfällt, was er auf Einflüsterungen einer allmächtigen Jesuiten - Partei in der Curie unfehlbar fest¬ setzen und entscheiden muß; wenn jedes Gesetz, welches langjährige Irrthümer und Unzuträglichkeiten zu verbessern bestrebt ist, Mißbräuche, welche selbst von dem Palladium der Kirche, dem canonischen Recht, als solche bezeichnet und von frühern Kirchenfürsten getadelt und auf das Eifrigste verfolgt worden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/198>, abgerufen am 19.05.2024.